27. September 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Straßenfotografie und Recht: Ein Statement

Seit sieben Jahren fotografiere ich Menschen. Und seit zwei Jahren konzentriert in der Stadt. Sieben Jahre lang habe ich stets versucht, Leute abzulichten, ohne ihre Gesichter erkennbar zu zeigen. Doch damit ist jetzt Schluss. Ein Statement.

Straßenfotografie. Sie ist für mich das Beste, was es gibt. Ich liebe den Trubel, das Durcheinanderlaufen, das öffentliche Leben, wie es ein jeder kennt. Denn da sind Menschen. Und jede Person ist eine Geschichte für sich. Diese Geschichten, wie sie nur die Straße erzählt, nehme ich auf. Mit der Kamera.

Jedoch ist es mir – nach deutschem Recht – nicht erlaubt, das zu tun. Sogar der ungefragte Klick zählt als nicht erlaubt. Schade, aber so ist das nun einmal.

So entschied ich, mich bisher darauf zu konzentrieren, Menschen so zu fotografieren, dass sie unerkannt bleiben. Das war auch eine Zeit lang gut so und ich habe über 1000 Fotos gemacht, die ich gut finde und geschätzte 50.000 Auslösungen dafür verwendet. Täglich war ich auf der Straße und habe versucht, um die mögliche Erkennbarkeit der Personen einen großen Bogen zu machen.

Wer einmal über lange Zeit versucht hat, so zu arbeiten, weiß, wovon ich spreche. Es ist ein Tanz auf rohen Eiern, immer kurz vor dem Stolpern. Es fühlt sich an, als würdest Du eine Hochzeit fotografieren, darfst aber die Braut und den Bräutigam nicht abbilden. Es fehlt das Eigentliche, das Wesen.

Und irgendwann kommt der Punkt, an dem Du mit Dir selbst abrechnest und überlegst, was Du da eigentlich machst. Ob sich dieser Eiertanz auf lange Sicht lohnt und wie lange Du das noch so betreiben willst. Ob Du, bis Du alt und vergesslich wirst, so fotografieren magst oder eben nicht. Was der Gewinn und was der Verlust bei der Sache ist.

Und hier wird es emotional. Denn ich bin mit allem, was ich bin Fotograf und da kommen die Emotionen dazu. Logisch.

Ich habe keine Lust mehr auf diesen Eiertanz. Ich bin es satt, ständig auf der Hut zu sein. So macht Fotografieren auf Dauer keinen Spaß. Und, liebe Ratgeber, ich werde mir kein anderes Genre suchen. Ich werde auch nicht aufhören, zu fotografieren.

Mir dies bewusst zu machen und einzugestehen, was ich wirklich möchte, hat eine Weile gedauert. Ich bin jemand, der für solche Sachen gern gründlich reflektiert. Und deshalb habe ich meine Vorgehensweisen auf der Straße überdacht und einer Grunderneuerung unterzogen:

Ich fotografiere Menschen auf der Straße. Und weil Menschen Gesichter haben, sind die eben drauf auf den Fotos. Und das sollen sie auch sein.

Als Hochzeitsfotograf habe ich es zu schätzen gelernt, sublim und nicht-dirigierend zu arbeiten. Menschen geben sich ganz anders, wenn man sie sein lässt, wie und wo sie sind. Würde ich vor jeder Aufnahme verbalen Kontakt mit den Personen aufnehmen, wären meine Fotos weder authentisch noch glaubwürdig. Es gibt Leute, die diesen Weg gehen und gut damit leben. Meiner ist es nicht.

Das ist übrigens auch einer der Hauptgründe, warum ich – wie an anderer Stelle erklärt – mit dem iPhone fotografiere. Ich möchte unerkannt sein. Nicht meiner Anonymität wegen, sondern weil jeder, der weiß, dass er von jemand anderem gesehen oder fotografiert wird, sein Verhalten ändert. Das möchte ich vermeiden. Und so sage ich mit Thomas Leuthard:

Das Leben findet statt, es posiert nicht.

Ich habe alles beleuchtet. Die rechtliche Seite, die persönliche, die historische, die von anderen Straßenfotografen und die meine.

Ich nehme auf, was ist. Das tue ich als Auftragsarbeit bei Familien mit Kindern, Einzelpersonen, im Berufsalltag, zu Hause, auf Hochzeiten und auf der Straße. Falls sich jemand auf einem meiner Bilder erkennt und mich darum bittet, werde ich das Bild ohne Wenn und Aber entfernen. Egal wie, egal wo.

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Diesen Artikel habe ich geschrieben, nicht um eine neue Diskussion zu entfachen – weshalb die Kommentare zu bleiben -, sondern um eine Referenz zu haben, auf die ich bei den häufigen Nachfragen verweisen kann.

Übrigens: Dies ist kein Aufruf, es mir gleich zu tun. Es ist ein persönliches Statement.

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