14. Juli 2022 Lesezeit: ~7 Minuten

Werkstattbuch: Geld macht glücklich

Für Fotograf*innen und Kreative ist das Thema Geld oft problematisch besetzt. Uns wird nachgesagt, dass wir nicht gut mit Geld umgehen können, dass wir Schwierigkeiten haben, gut dotierte Aufträge zu akquirieren, erfolgreich zu verhandeln und letztlich unsere Arbeit mit angemessenen oder sehr guten Honoraren bezahlt zu bekommen.

In einer mehrteiligen Serie möchte ich mich daher einmal näher mit dem Thema Geld, Honorare und dem Wert der Arbeit beschäftigen. Doch ehe es konkret wird, lohnt es sich, einen Blick auf das Geld selbst zu werfen.

Der Wert des Geldes

Geld begegnet uns im Wesentlich in zwei Erscheinungsformen: Als Zahl auf unseren Konto-Auszügen und als Scheine bzw. Münzen. Während letztere wenigstens haptisch noch ein bisschen was hermachen und sogar einen gewissen Materialwert haben, sind die Zahlen im Bankautomat oder das Stück Papier nichts anderes als Symbole.

Der 100-Euro-Schein, den wir von unserem Konto abheben können, hat praktisch keinen Wert: Es ist nur ein Stück Papier, das sich für kaum etwas sinnvoll verwenden ließe. Die Zahl auf unserem Kontoauszug ist nichts weiter als ein Eintrag in einer Datenbank. Trotzdem ist es ein gewaltiger Unterschied, ob vor dieser Zahl ein Plus oder ein Minus steht oder ob in unserer Geldbörse Scheine knistern oder nicht.

Unsere Geldwirtschaft basiert aber auf dem staatlich abgestützten Vertrauen, dass Geldschein oder Kontobetrag bei der Nutzung im Fotofachgeschäft tatsächlich geeignet sind, neue Spielereien für die Fototasche zu bezahlen. Das ist schon faszinierend: Getauscht wird ein Symbol ohne jeglichen Eigenwert gegen Waren, die einen hohen Wert haben – weil wir sie brauchen oder uns wünschen.

Was ist Geld?

Irgendwie verrückt: Wir sprechen immerzu über Geld. Ob man es hat oder ob es fehlt, ob in diesem Monat genug Geld verdient wurde oder nicht. Ob die Preise an der Tankstelle steigen und wie hoch die Inflation ist. Aber eigentlich geht es nie um das Geld selbst. Eigentlich geht es immer nur um die Kauf- oder Tauschkraft, die das Geld für uns hat (oder gerade verliert). Letztlich um den Wert (oder die Werte), die ein bestimmter Betrag für uns persönlich in einem bestimmten Moment hat.

Die Erfindung

Als vor Jahrtausenden erste Zahlungsmittel an die Stelle des davor üblichen Warentausches traten, entstand etwas völlig Neues und Revolutionäres im Miteinander der Menschen. Das Geld war eine geniale Erfindung, die eine sich zunehmend spezialisierende Menschheit enorm weiter gebracht hat. Zum ersten Mal war es möglich, Waren, Produkte oder Leistungen über eine Währung symbolisch auszutauschen.

Man musste nicht mehr Eier gegen Fleischstücke oder Hühner gegen Feuerholz tauschen, sondern man konnte den Wert einer Ware oder einer Dienstleistung in leicht zu transportierenden Geldmitteln festlegen. Als Geld wurden Schneckengehäuse, Perlen, Muscheln, Getreide oder Steine benutzt. Und natürlich Edelmetalle wie Gold und Silber, aus denen später Münzen mit einem definierten Gewicht geprägt wurden. Das Papiergeld war dann die nächste Abstraktionsstufe – und heute können Geldgeschäfte rein digital getätigt werden, mit EC-Karte oder Paypal. Eine faszinierende Geschichte!

Geld unter Verdacht

So einfach könnte man es sehen – aber so einfach ist es nicht. Denn kaum ein Wort ist in unserer Gesellschaft so aufgeladen wie „das liebe Geld“. Es beunruhigt uns sehr, wenn zu wenig davon da ist und es weckt Argwohn, Neid und Misstrauen, wenn jemand vermeintlich zu viel davon hat. Unsere Gesellschaft ist in ihrer Haltung gegenüber Geld zutiefst gespalten: Einerseits bemessen sich persönlicher Wohlstand und soziale Anerkennung sehr wohl daran, wie viel Geld jemand hat oder zu haben scheint, andererseits sind Urteile, die Reichtum verdammen und vermögende Menschen unter Generalverdacht stellen, weit verbreitet.

In der Bibel heißt es: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ „Geld macht nicht glücklich“ ist ein Glaubenssatz, den wir alle schon einmal gehört haben und der über Erziehung und Kultur oft tief in uns verankert ist.

An dieser Stelle ist es auch wirklich wichtig, einmal in sich selbst hineinzuhorchen und herauszufinden, welche Einstellungen man selbst gegenüber Geld hat. Was denken wir wirklich darüber? Was glauben wir, wie viel Geld uns zusteht? In welche soziale Wirklichkeit ordnen wir uns selbst ein? Was haben uns unsere Herkunftssysteme zu diesem Thema mitgegeben? Welche Glaubenssätze tragen wir mit uns herum? Halten wir Geld für etwas Gutes oder für etwas Schlechtes?

Glaubenssätze hinterfragen

In unseren Vorstellungen und Urteilen über Geld liegt ein wichtiger Schlüssel zu unserem beruflichen Erfolg. Wenn wir in unserem tiefsten Inneren Geld eigentlich ablehnen, dann werden wir auch große Schwierigkeiten haben, größere Mengen davon anzuziehen. Wenn wir glauben, dass Geld eigentlich etwas Schlechtes ist, wird es uns schwerfallen, unsere kreativen Ergebnisse mit hohen Eurobeträgen zu bewerten.

Glauben wir im tiefsten Inneren vielleicht sogar, dass nur arme Kreative gute Kreative sind? „Ich will mich nicht verkaufen“, sagen viele von uns, wenn es um solche Fragen geht. Aber stimmt das überhaupt? „Verkaufen“ wir uns wirklich, wenn wir „richtiges Geld“ verlangen? Oder revolutionär anders herum gedacht: Ist es nicht eigentlich ein Naturrecht aller Menschen, „reich“ zu sein?

Revision

Ich halte es für total wichtig, das eigene Verhältnis zu Geld zu klären und zu hinterfragen. Wie denken und empfinden wir darüber? Was machen unsere Glaubenssätze mit uns? Können wir sie vielleicht auch ändern?

Das herauszufinden, ist wichtig. In meiner Familie war zum Beispiel der Gedanke sehr präsent, dass es bei der Berufswahl darum gehen sollte, wozu man „berufen“ ist – und nicht, ob der Berufswunsch viel Geld einbringt. Eigentlich ein schöner Gedanke. Doch darin drückte sich auch eine tiefe Skepsis gegen „viel Geld“ aus. Erst als ich das erkannt hatte, war ich in der Lage, mein Verhältnis zu Geld sukzessive zu verändern.

Ich denke, es wäre schon sehr viel gewonnen, wenn wir Geld wieder so betrachten würden, wie es ursprünglich mal gedacht war: Als neutrales Symbol für Wert und für Werte. Wertvolles hat einen hohen Wert – und damit auch einen hohen Preis, symbolisiert durch einen hohen Geldbetrag. So einfach sollte es sein. Natürlich gilt das auch in der Fotografie. Wie man diese Erkenntnis in die Praxis umsetzt und welche Fallen dabei lauern, möchte ich im zweiten Teil dieser Serie betrachten.