22. Juli 2022 Lesezeit: ~8 Minuten

Peter sein Hamburg

Das Buch „Peter sein Hamburg“ entdeckte ich im letzten Sommer zufällig auf Startnext. Die in der Crowdfunding-Kampagne vorgestellten Fotos waren großartig, weshalb ich sie hier auf kwerfeldein empfohlen hatte. Ohne das Buch selbst mitzufinanzieren.

Dennoch erreichte mich zu meiner Überraschung einige Wochen später ein Paket mit dem Bildband und einer kleinen Dankes-Postkarte. Nun mit etwas Abstand konnte ich Peter auch endlich ausfragen: Über sein Buch, seine Fotografie und vor allem sein Hamburg.

Hallo Peter, Dein Buch beginnt mit der Sprengung des ehemaligen Iduna-Hochhauses am Millerntorplatz im Jahr 1995. War das tatsächlich Dein fotografischer Anfang in Hamburg oder worin besteht Deine Verbindung zu dieser Stadt?

Ich bin 1990 nach der Ausbildung im Letteverein Berlin nach Hamburg gekommen und habe zunächst einige Assistenz-Jobs begonnen. Einer davon ermöglichte mir, für genau diese Aufnahme auf den Hochbunker zu kommen und zu fotografieren.

Als ich begann, meine bisherigen Bilder für das Buch zu sichten, war das tatsächlich das älteste Bild von Hamburg und auch das erste, das ich mir für einen Start ins Buch vorstellen konnte. Man sieht darauf auch gar nicht, wie alles zusammenfällt, sondern es ist bereits passiert. Zu sehen ist nur eine Staubwolke, die sich langsam ausbreitet. Jetzt im Nachhinein betrachtet, ein guter Anfang.

Rauchwolke über einer Stadt

Du sagst gerade, es ist das älteste Foto im Buch. Und jetzt halte mich gern für pedantisch, aber der Untertitel Deines Buchs lautet: „30 Jahre Stadtspaziergänge“.

Ja, da darfst Du gern pedantisch sein. Als ich nach Hamburg kam, musste ich die Stadt zunächst erkunden. Und zwischen den Assistenzen hatte ich wenig Zeit, um für mich zu fotografieren. Vielleicht könnte man sagen: In den ersten fünf Jahren ist einfach nichts Gescheites dabei herausgekommen.

Das heißt, der Titel geht wirklich von Dir aus. Du hast seit 30 Jahren Hamburg erkundet und deshalb heißt das Buch so. Auch wenn ich als Betrachterin „nur“ 25 Jahre sehe.

Ja, genau.

Okay, verstehe. Der Titel Deines Buchs impliziert natürlich, dass es sich nicht um einen objektiven Blick auf Hamburg handelt, sondern um Deinen ganz persönlichen. Warum ist Hamburg für Dich schwarzweiß?

Es ist nicht ganz schwarzweiß, zwei Mal ist Farbe drin. Aber ja, ich bin ein riesiger Schwarzweiß-Fan.

Blick nach oben auf einen BalkonBlick nach unten auf Wasser

Bei vielen digitalen Kameras kann man auch einen Schwarzweißfilter voreinstellen. Machst Du das, damit Du Dir besser vorstellen kannst, wie ein Motiv wirkt?

Nein, das mache ich nicht. Bei mir ist das so drin, dass ich auch in Farbe sehe, ob etwas schwarzweiß funktioniert oder nicht. Zu analogen Zeiten habe ich manchmal einen Gelbfilter genutzt, um die Farbinformationen wegzudenken, aber das brauche ich heute nicht mehr.

Wenn ich drei, vier Stunden lang spazieren gehe, drücke ich auch nicht hundert Mal auf den Auslöser. Meist sind es so zehn Motive, bei denen ich das Gefühl habe, das könnte etwas sein. Da merkt man dann doch die 30 Jahre Erfahrung.

Du hast es gerade schon gesagt, zwei Farbkleckse gibt es im Buch: Das Rot auf dem Cover und in der Mitte des Buches das Farbfoto eines Zirkuszelts, an dem man durch den Bruch lange hängen bleibt. Warum hast Du das Bild so hervorgehoben?

Es gibt eine kleine Geschichte dazu. Bei mir ist es ganz selten so, dass ich etwas sehe und dann ganz geplant noch einmal zu einer anderen Uhrzeit hingehe, um zu fotografieren. Als ich den Aufbau des Zeltes gesehen habe, dachte ich aber schon, ich muss noch einmal dahin. Und als es kurz darauf geschneit hat, wusste ich irgendwie, ich muss genau jetzt los. Es ist das einzige Bild, bei dem ich wusste: Jetzt ist es soweit.

Das Foto ist auch so malerisch. Es erzählt für mich eine bizarre Geschichte: Indien im Winter in Hamburg. Dahinter sieht man den Flachbunker und die Schneeflocken und es ist einfach ein wichtiges Bild. Deshalb habe ich diese Ausnahme gemacht, auch wenn es in Grautönen wunderbar funktionieren würde.

Der Zirkus hatte dann genau eine Vorstellung und ist pleitegegangen. Das Bild bleibt.

Hast Du die Vorstellung gesehen?

Nein. (lacht) Die Kritiken waren zu schlecht.

Spiegelung in einer Scheibe

Ich kenne Hamburg kaum. Nach dem Betrachten Deiner Bilder würde ich Hamburg als sentimental, sehr schmutzig und kaputt, dennoch sympathisch und vor allem politisch links bezeichnen. Gehst Du da mit?

Ja, kann man so sagen. Wobei, schmutzig… ich wollte natürlich keine Postkartenmotive zeigen. Ich wollte einen ehrlichen Blick. Für mich ist Hamburg schön, dramatisch, schwarzweiß, traurig und heiter. Es ist tatsächlich auch witzig und politisch, wie Du erwähnt hast. Dass es eher links wirkt, liegt vielleicht daran, dass ich eher St.-Pauli- als HSV-Fan bin.

Ich wollte zeigen, dass Hamburg nicht nur Elbhafen ist, sondern mehr zu bieten hat. Und wahrscheinlich würde man ohne den Titel tatsächlich auch gar nicht direkt sehen, dass es Hamburg ist. Vielleicht könnte es dann in vielen Bildern auch Berlin oder Köln sein.

Ja, das stimmt. Zumal diese typischen Sehenswürdigkeiten im Buch fehlen. Die Elbphilharmonie ist glaube ich nicht einmal zu sehen.

Ja, ich habe die typischen Sehenswürdigkeiten zum Großteil bewusst rausgelassen. Davon gibt es schon so viele Bilder. Auch durchaus gute Bilder. Die Elphi ist tatsächlich einmal drin auf Seite 19.

Streetart

Im Mittelteil gibt es sehr viel Graffiti und Streetart zu entdecken. Was fasziniert Dich daran?

Stimmt, da geht es dann sehr ins Detail und wird oft auch wieder politisch. Das finde ich nicht unwichtig und die Streetart gehört einfach dazu. Ich mag generell auch die Kombination von weiten Bildern und solchen verdichtenden Detailaufnahmen.

Der Großteil der Bilder im Buch entstand ab 2018. Warum?

Ich bin ab diesem Zeitpunkt einfach öfter fotografieren gewesen. Vielleicht auch ein wenig gezielter. Mit der Pandemie ist das dann auch noch einmal mehr geworden. Mittlerweile haben sich die Spaziergänge zu einer gewissen Kontinuität entwickelt.

Wie kann ich mir einen Deiner Stadtspaziergänge vorstellen? Wie geplant ist Deine Fotografie?

Gar nicht geplant. Ich gehe los und weiß noch nicht, wohin. Ich lasse mich einfach treiben. Es gibt mittlerweile Straßen, die kenne ich fast auswendig. Du kannst mich mit verbundenen Augen in ein Taxi setzen und irgendwo rauslassen. Sehr wahrscheinlich finde ich nach Hause.

Es hat auch etwas sehr Meditatives für mich. Ich denke dabei über Gott und die Welt nach und finde meine Motive. Manchmal fahre ich auch mit der U-Bahn irgendwohin. Zum Beispiel Mümmelmannsberg und gehe dann so lange wieder zurück, wie mich meine Beine tragen wollen.

Gebäude

Das klingt, als würde es bald ein neues Buch geben.

Das kann durchaus sein. Mittlerweile ist diese Art des Fotografierens eine Herzensangelegenheit. Und es gibt noch viel, das ich nicht fotografiert habe.

Als ich mein Buch damals verschickt habe, hatte ich einen sehr netten Kioskbesitzer, der die ganzen Pakete bearbeiten musste. Weil er so nett war, habe ich ihm ein Buch geschenkt und sein erster Kommentar war, dass sein Stadtteil Wandsbek im Buch fehlen würde. Und er hatte recht.

Es gibt auch nach all den Jahren noch Stadtteile und Straßen, die fehlen, wenn man Hamburg irgendwann als Ganzes erfassen will. Und wahrscheinlich schafft man das auch gar nicht allein, aber warum sollte ich es nicht zumindest versuchen? Warum sollte ich nicht auch mal nach Wandsbek oder Fischbek fahren?

Dann wünsche ich Dir viel Freude beim Weiterentdecken von Hamburg und bin sehr gespannt auf Teil 2 von „Peter sein Hamburg“.

Schiff

Informationen zum Buch

„Peter sein Hamburg“ von Peter Schulte
Sprache: Deutsch
Seiten: 256 Seiten
Maße: 29,7 x 23,6 cm
Verlag: Eigenverlag
Preis: 34,90 €

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