30. August 2012 Lesezeit: ~7 Minuten

Streetfotografie?

2011 war für mich das Jahr, in dem ich das Genre „Streetfotografie“ so richtig für mich entdeckt habe, auch wenn ich 2010 schon etwas reingeschnuppert hatte. Beflügelt durch meine damals frisch erworbene Kompaktkamera habe ich mich in die Straßen Hamburgs geworfen und unbemerkt aus der Hüfte abgedrückt. Es war großartig, niemand hat gemerkt, wenn ich ihn oder sie fotografiert habe und ich konnte – immer unterstützt von etwas Adrenalin – meiner Sache nachgehen.

Ich dachte, ich wüsste, was ich tue, aber ich hatte nur bedingt Ahnung. Ich schrieb damals einen Artikel zu meiner Streetfotografie und es entbrannte eine heiße Diskussion um Recht, Unrecht und Moral. Seit diesem Artikel habe ich mich weiterentwickelt und meine Sicht hat sich auch etwas verändert.

Ein Mann mit Pfeife im Mund schaut in ein Schaufenster

Beispielsweise habe ich nicht mehr wirklich Angst, entdeckt zu werden. Irgendwann kam bei mir der Punkt, an dem ich mich fragte, ob das, was ich mache, richtig sein kann, wenn ich immer in Angst lebe, enttarnt zu werden. Wenn ich hinter dem, was ich tue, stehen würde, dann könnte ich auch jemandem ehrlich erklären, warum ich ihn oder sie fotografiert habe. Für mich bedeutete das, dass ich mich vor dem Drücken des Auslösers fragte, warum ich das Foto mache und ob ich es vor der Person rechtfertigen könnte. Mir hat das sehr geholfen.

Ich bin nun beim Fotografieren auf der Straße viel selbstsicherer. Wenn ich daran glaube, dass es okay ist, was ich mache, dann brauche ich mich auch nicht zu verstecken. Das heißt nicht, dass ich nicht gern ungesehen bleibe. Für mich ist das immer das Optimum.

Wenn ich eine interessante Szene beobachten und auf einem Foto festhalten kann, ohne bemerkt zu werden, ist das perfekt. Dann ist das Foto echt und ich habe mit meiner Präsenz nichts verändert. Hin und wieder kommt es aber doch vor, dass ich gesehen werde, während ich ein Foto schieße und dann in ein Gespräch komme oder ich einfach nur freundlich nicke und weitergehe.

Ein Mann mit Schirm schaut etwas in einem Büchlein nach

Für mich ist es wichtig, klar zu stellen, dass ich niemandem etwas Böses will und niemanden bloß stellen möchte. Ich versuche, solche Fotos zu vermeiden oder wenn es doch mal dazu kommt, dass eines auf meiner Speicherkarte landet, dann frage ich mich, ob es wirklich notwendig ist, das Bild zu veröffentlichen.

Die Streetfotografie hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen. Leider ist nicht alles, was mit „street“ getagged ist auch wirklich gute Streetfotografie. Generell hängt mir diese Bezeichnung zum Hals raus, aber die Leute springen darauf an. Nur, weil ein Foto schwarzweiß ist oder mit einer Leica aufgenommen wurde, ist es noch lange kein Streetfoto, auch wenn ich das mal behauptet habe.

Ich für meinen Teil bin einfach gern draußen unterwegs und mache Fotos von dem, was mein Interesse weckt. Früher, als ich noch auf dem Land gewohnt habe, war es viel Landschafts- und Naturfotografie, mittlerweile hat sich der Schwerpunkt einfach auf die Stadt verlagert, weil ich nun einmal jeden Tag in Hamburg unterwegs bin.

Das ist übrigens auch ein schöner Nebeneffekt dieser Art von Fotografie. Ich kann sie zu jeder Zeit an jedem Ort ausüben. Einzige Bedingung: Ich muss die Kamera dabei haben. Ich muss mich nach niemandem richten, ich gehe einfach raus und schaue, was passiert. Und meine Erfahrung zeigt, dass es eigentlich immer etwas zu sehen und festzuhalten gibt, egal wohin man geht.

Ein junger Mensch mit Mütze, im Hintergrund unscharf städtischer Verkehr

Das ist übrigens eine tolle Art, Ecken einer Stadt kennenzulernen, die man sonst vielleicht nicht so oft aufsuchen würde. Ich schlendere einfach gern umher, die Kamera in der Hand und immer auf der Suche nach einem Motiv. Ich kann in dieser Zeit die Gedanken an alles andere einfach mal beiseite schieben und mich auf meine Umgebung und die Fotografie einlassen; das mag ich.

In meiner Fotografie geht es um den entscheidenden Moment, den ich festhalte möchte. Für mich war aber ebenso schon immer wichtig, dass meine Fotos auch einfach optisch ansprechend sind. Mir reicht es nicht nur, einfach einen tollen Moment zu haben, ein Foto wird in meinen Augen erst dann richtig großartig, wenn die Komposition stimmt, das Licht passt, der Schnitt gut ist und das Foto dem Betrachter irgendein Gefühl vermittelt.

Sei es Freude, Trauer, Hass, Unbehagen oder was auch immer. Und genau das ist die Herausforderung und das Spannende. Ich habe nicht alles in der Hand und versuche trotzdem, das Beste daraus zu machen. Ich versuche, schnell zu reagieren und zu antizipieren, immer auf der Jagd nach dem nächsten Foto. Und ganz wichtig: Nie den Spaß dabei verlieren.

Ein kleiner Junge stützt sich zwischen drei Erwachsenen ab und schaut mit ihnen aufs Meer - im Vordergrund eine Baustelle

Ich wurde irgendwann einmal Folgendes gefragt:

Was ist denn der Unterschied, deiner Meinung nach, zwischen einem Schnappschuss und Street Photography?

Der Unterschied für mich liegt vor allem darin, was das Foto aussagt. Erzählt es eine Geschichte? Und sieht es dabei auch noch gut aus? Und ganz ehrlich? Manchmal reicht mir auch einfach Letzteres. Das muss man ja auch mal sagen.

Es gibt keine offizielle Definition dafür, was ein Schnappschuss ist und was nicht – oder was genau ein Streetfoto ist. Deswegen versuche ich ja auch, dieses Schlagwort zu vermeiden. Typische Schnappschusskriterien sind für mich aber zum Beispiel, wenn das Foto eine vollkommen willkürliche Szene zeigt, wenn keine Geschichte im Foto steckt, wenn sich der Fotograf beim Auslösen nichts dabei dachte, wenn es nichts zu entdecken oder zu verstehen gibt, wenn es langweilig ist, wenn ich mich nicht angesprochen fühle und mich überhaupt nicht in die abgebildete Szene einfühlen kann.

Ein gutes Foto hingegen erzählt mir eine Geschichte, es zieht mich in das Geschehen hinein, es vermittelt mir ein Gefühl und regt mich möglicherweise auch zum Nachdenken an. Ein gutes Foto möchte ich länger als nur wenige Sekunden anschauen bevor ich das Interesse verliere.

Perspektive von oben auf Fußspuren im Schnee

Aber das Gute ist ja, jeder darf für sich selbst entscheiden, was in seinen bzw. ihren Augen nur ein Schnappschuss und was ein vermeintlich gutes Foto ist. Ich möchte mich da nicht als entscheidende Instanz drüber setzen. Ein Foto kann für mich großen persönlichen Wert haben und eine Geschichte in sich tragen, die sich einem Fremden aber nicht erschließt. Dann ist es aber trotzdem für mich ein gutes Foto. Die ganze Sache ist halt einfach subjektiv und das ist auch gut so.

Ich will auch gar nicht behaupten, dass alle meine Fotos gut sind und jedes eine tolle Geschichte erzählt, um Gottes Willen, davon bin ich weit entfernt, aber das weiß ich auch. Ich weiß aber auch ebenfalls, wo ich hin will und daran arbeite ich und ich habe Spaß dabei.

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