31. August 2012 Lesezeit: ~7 Minuten

Ein Jahr unter Eisvögeln

Der etwa spatzengroße Eisvogel ist wohl einer der beliebtesten Vögel unter Naturfreunden und Fotografen. Durch sein besonders farbenfrohes Gefieder steht er ganz oben auf der Wunschliste.

Ob der Name des Eisvogels Alcedo atthis tatsächlich mit Eis zu tun hat oder das eisblaue Rückengefieder namensgebend ist, weiß man nicht genau. Manche Deutungen leiten den Namen vom althochdeutschen „eisan“ für „schillern“ oder „glänzen“ ab. Der „Schillervogel“ wäre eine gute Beschreibung für das flirrende Farbenspiel, das der Eisvogel im Sitzen und erst recht im Flug bietet.

Möglich ist auch eine Interpretation des „Eisvogel“ als „Eisenvogel“, was einen Bezug auf das stahlblaue Rücken- oder das rostfarbene Bauchgefieder des Eisvogels vermuten lässt. Der Eisvogel steht symbolisch für einen ganzen Lebensraum und das sind in diesem Fall die naturnahen Gewässer.

Problematisch ist dabei jedoch, dass das Umweltbundesamt derzeit nur zehn Prozent der Fließgewässer in Deutschland als naturnah einstuft. An der Mittelelbe, wo folgende Aufnahmen entstanden sind, sind die Bedingungen noch nahezu perfekt und somit lässt sich dieser geschickte Fischjäger noch oft beobachten.

 

Ein Jahr unter Eisvögel

Der Winter hat die Natur noch fest im Griff. Die Seen und Flüsse sind gefroren und nur einige wenige fließende Bäche sind noch offen. Alle Fischjäger sind nun auf offene Wasserstellen angewiesen, so auch der Eisvogel. Eine harte Zeit für diejenigen, die das Risiko einer Überwinterung hier auf sich genommen haben.

In strengen und langen Wintern ist dann auch die Sterberate dieser kleinen Vögel sehr hoch! Meistens sind es vor allem die Männchen, die die Überwinterung versuchen mit dem Vorteil, dadurch im Frühjahr die Ersten in den Brutrevieren zu sein. Der zeitliche Vorsprung gegenüber den Weggezogenen ist es wert. Eine Zeit, in der es gilt, die Vögel aus der Ferne zu beobachten und möglichst jede Störung zu vermeiden, denn die verlorene Energie und Kraft für eine Flucht könnte sich rächen.

Wenn die Temperaturen steigen und das Frühjahr sich ankündigt, kehren auch die Eisvögel in ihre Reviere zurück und die Paarbildung beginnt sofort. Eisvögel sind untereinander recht unverträglich und es geht teilweise richtig aggressiv zu. Mit lauten Pfiffen begleitete Flugjagden stehen auf der Tagesordnung. Jetzt kann man als Naturbeobachter die Vögel am ehesten entdecken, denn ihr Ruf ist unverkennbar.

Erst hören, dann sehen, lautet meine Devise. Die wenigen geeigneten Stellen wie vom Hochwasser angelegte Steilufer, Abbruchkanten an Gewässern, Prallhänge und Wurzelteller umgestürzter Bäume für die Brutröhren sind rar und darum wird erbittert gestritten.

Aus diesem Grund ist auch die Paarbildung die fast einzige Zeit im Jahr, in der man Eisvögel zu zweit antrifft. Hat sich ein Paar gefunden, werden geeignete Stellen zum Anlegen der Brutröhre im Revier ausfindig gemacht. Sehr intensiv werden die Uferzonen untersucht und immer wieder von beiden Geschlechtern in Augenschein genommen. Ist die Entscheidung gefallen, verpaaren sich die Eisvögel und es kommt zu sogenannten Balzfütterungen.

Mit der Übergabe eines Fisches an das Weibchen wird die Bindung zwischen beiden gestärkt. Immer wieder vor der Paarung und auch während des Anlegens der Brutröhre füttert das Männchen seine Auserwählte.
Gegraben wird abwechselnd; ist ein Vogel in der Röhre, wartet der andere ungeduldig davor. Und sobald die Röhre verlassen wird, fliegt der nächste hinein und baut weiter! Die Röhre wird innerhalb weniger Tage angelegt und kann bis zu 1,3 Meter lang sein!

Gebrütet wird abwechselnd, aber einen Großteil davon übernimmt das Weibchen. Das Männchen beobachtet in der freien Zeit von einer erhöhten Sitzwarte das Revier und vertreibt Artgenossen und andere Eindringlinge wie Wasseramseln, Rotkelchen und Wasserläufer.

Nach 18 bis 21 Tagen schlüpfen die Jungvögel und werden dann abwechselnd von den Altvögeln gefüttert. Gejagt wird meistens von erhöhten Sitzwarten oder aus dem Rüttelflug heraus. Schwärme mit kleinen Fischen sind ihr Ziel. Dabei kristallisieren sich immer wieder bevorzugte Ansitzwarten heraus, die man durch Beobachten und langes Studieren der Gewohnheiten des Eisvogels erkennen wird.

Das sind dann auch Ansitze, bei denen es sich lohnt, unter Einbeziehung der natürlichen Gegebenheiten wie Schilf oder herabhängenden, belaubten Ästen vor Ort ein Versteck zur Beobachtung zu errichten.

Dabei hat ein respektvoller Umgang mit und in der Natur oberste Priorität. Zum Beobachten ist ein Fernglas bestens geeignet und für die Naturfotografie bieten lange Brennweiten gute Voraussetzungen.

Nach dem Fangen eines Fisches wird die Beute gekonnt im Schnabel so herum gedreht, das der Fisch mit dem Kopf voran an die Jungen verfüttert werden kann. Nach jeder Fütterung wird das vom Erdreich beschmutzte Gefieder gründlich mit Wasser gereinigt und intensiv geputzt. Überhaupt spielt die Gefiederpflege bei den kleinen Fischjägern eine große Rolle und nimmt täglich insgesamt zwei bis drei Stunden ein. Dabei wird das Gefieder mit dem Fett aus der Bürzeldrüse eingerieben.

Bei drei bis vier Jungvögeln müssen die Alttiere so am Tag bis zu 100 Kleinfische fangen und verfüttern. Zusätzlich kommt es oft zu sogenannten Schachtelbruten: Gleichzeitig werden mehrere Bruten bebrütet und gefüttert. Dieser Dauerstress erklärt auch die relativ kurze Lebensdauer der kleinen „fliegenden Edelsteine“, die mit zwei bis drei Jahren angesetzt wird.

Die jungen Eisvögel verlassen nach etwa drei bis vier Wochen gemeinsam die Höhle und halten sich ganz in der Nähe auf. In den ersten Lebenstagen werden sie dort weiter von den Altvögeln mit Nahrung versorgt und nach dieser Zeit dann aber auch energisch aus dem Revier vertrieben.

Nun im Spätsommer müssen die Jungvögel für sich allein sorgen und bleiben auch noch einige Wochen zusammen. So entstehen zum Teil kindergartenartige Gewässerabschnitte, wo sich dann die Jungvögel aufhalten. Jetzt lernen sie jeden Tag dazu, insbesondere der Nahrungserwerb wird ausführlich geübt.

Dabei wird alles Mögliche mit dem Schnabel aus dem Wasser geholt, vom Steinchen bis hin zu Blättern. Solange, bis sich die Zielgenauigkeit für den Erfolg auf Fischfang einstellt. Zu dieser Zeit sind die Jungvögel wenig ängstlich und noch recht unbekümmert gegenüber Mensch und Tier.

Die Unterscheidung zwischen Freund und Feind entwickelt sich in den ersten Wochen. Daher werden in dieser Zeitspanne auch die meisten Eisvogel-Beobachtungen registriert. Einfach weil den jungen Eisvögeln noch die Scheu fehlt und weil sich natürlich die Population gerade teilweise verdreifacht. Auch eine sehr empfehlenswerte Zeit für intensive Beobachtungen.

Nachdem die Jungvögel nach einigen Wochen Selbstvertrauen gewonnen haben, versuchen sie im Spätherbst auch schon, eigene Reviere zu besetzen. Da um diese Zeit bereits einige Altvögel die Reviere verlassen haben, gelingt ihnen das auch.



Aber die Zeit läuft gegen sie und mit dem ersten Frost verschwinden auch sie in wärmere Regionen. Zurück bleiben nun nur wenige und erfahrenen Eisvögel und nehmen den Kampf gegen die Wintermonate wieder auf.

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