„Wie entscheiden wir, welche Tiere zur Familie gehören und welche wir essen?“ Mit diesen Worten beginnt der Bildband „Nest. Rescued Chickens at Home“ von Janet Holmes. Und in der Tat wirken die Bilder zunächst befremdlich. Ein Huhn sieht wie selbstverständlich aus einem Fenster, ein anderes kuschelt mit einer Frau auf dem Sofa und drei weitere werden in einem Wohnraum mit einer Banane gefüttert.
Hühner werden von den meisten Menschen als Nutztiere betrachtet. Ihr Fleisch und ihre Eier werden gegessen, ihre Federn dienen als Füllmaterial in Kissen und Decken. Eine emotionale Beziehung zu einem Huhn aufzubauen, ist für die meisten Menschen daher ungewöhnlich. Die Fotografin Janet Holmes fand jedoch Menschen in Amerika, die sich in der Tierrettung engagieren und die ganz selbstverständlich mit ihren Schützlingen zusammenleben.
Für sie ist die Unterscheidung zwischen Nutz- und Haustieren absurd, weil sie grundsätzlich auf den Konsum von Tieren verzichten. Sie leben vegan und retten kranke Tiere. Viele der Hennen stammen aus Legebatterien, in denen sie nur etwas wert sind, solange sie noch genügend Eier legen können. Andere Hühner mussten in sogenannten Hahnenkämpfen gegeneinander antreten. Alle im Buch gezeigten Tiere eint jedoch, dass sie von Aktivist*innen gerettet wurden und ein neues Zuhause fanden. Dort fotografierte sie Janet Holmes für ihren Bildband.
Und die Portraits sind großartig! Die Fotografin schafft es, die verschiedenen Persönlichkeiten der Tiere festzuhalten und ganz nebenbei bringt sie auch noch eine Menge Humor mit ein. Nämlich dann, wenn wie zufällig die Farben des Gefieders mit den Küchenfließen übereinstimmen oder ein Huhn neugierig eine kleine Dekofigur in Form eines Hahns betrachtet.
Im Buch merkt man, wie wichtig der Fotografin das Thema Tierschutz ist. Sie zeigt nicht nur starke Bilder, sondern erklärt die Folgen der Überzüchtung. Und sie lässt andere Frauen aus dem Tierschutz zu Wort kommen, die in kurzen Texten von der Rettung, aber auch dem Verlust ihrer neuen gefiederten Freunde schreiben. Denn viele der Hühner werden kaum älter als zwei Jahre, trotz einer eigentlichen Lebenserwartung von über zehn Jahren.
Vielleicht wirken die Texte auf einige Menschen pathetisch. Oder der Fakt, dass das Buch mit 24 x 22 cm genau die Maße hat, die einem Huhn an Platz in den amerikanischen Fabriken zum Leben zugemessen wird. Aber wie sollte man so eine Ungerechtigkeit sonst aufzeigen? Natürlich könnte man das Buch auch komplett ohne Texte publizieren. Dann wären es einfach nur tolle, unterhaltsame Aufnahmen von Hühnern. Aber dann wäre es auch einfach ein kleiner Witz auf Kosten eines unglaublichen Leids.
Informationen zum Buch
„Nest. Rescued Chickens at Home“ von Janet Holmes
Einband: Hardcover
Seiten: 120 Seiten
Maße: 24 x 22 cm
Verlag: Kehrer
Preis: 35 €
Kein Kommentar, ein Ausruf: „Wunderbar!“
Vielen Dank für diese Buchvorstellung.
Großartig!
Wirkt auf mich als Landkind sehr befremdlich, die Tiere nicht in einem natürlichen Lebensraum zu sehen. Diese fast sterilen Umgebungen oder die gekünstelten Posen, Hühner wollen nicht mit Menschen schmusen, gefallen mir nicht. Mir erscheint es eher so, als dass ein wichtiges Thema, mal wieder dazu benützt wird um Geld zu verdienen. Ähnlich wie bei den ganzen Reisefotografen, die ja nur deswegen ständig um den Erdball reisen um auf den Umweltschutz und die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen
Guten Morgen Elli,
guter Beitrag. Mich habe die Bilder auch befremdet nur konnte ich es keine Worte für mein Empfinden finden. Du aber.
Muß alles gemacht und vereinahmt werden, was geht?
Guten Start in den Tag
Eric
Sehr geehrte Frau Elli,
natürlich haben Sie recht: Die Fotografien sind für viele Menschen befremdlich, da sie Szenen zeigen, die eigentlich so nicht vorkommen können und dürften. Ein Huhn ist ein Huhn, ist ein Huhn und muss ein – nein eben nicht mehr ein Huhn, sondern ein Stück Fleisch bleiben, das wir essen wollen.
Auch als Person, die mit der Idee des Tiers als Nutztier aufgewachsen ist, sollten Sie sich mit dem Gedanken anfreunden können, dass es Menschen gibt, die das ganz anders sehen als die traditionelle Landwirtschaft. Die Bilder zeigen einen durch und durch positiven „Protest“ gegen die Prinzipien der konventionellen Landwirtschaft. Ein Tier ist ein Tier ist ein – eben nicht nur ein Nutztier!
Und noch eine Anmerkung zum Schluss: Wenn Sie sich über Reisefotografinnen und Reisefotografen aufregen, dann wäre es doch eine wunderbare Alternative, dass Sie Ihre Kamera nehmen, Ihre Kontakte nutzen und uns allen zeigen, wie die heutige Landwirtschaft aussieht. Vielleicht kann kwerfeldein diese Bilder dann hier zeigen.
Nein, Bernd Kockerols,
das ist keine gute Idee, „…uns allen zeigen, wie die heutige Landwirtschaft aussieht.“
Warum? Weil damit die Distanziertheit zu den Menschen, den Tieren und den Pflanzen ja nicht aufhört, sondern eher noch größer wird. Durch die Linse wird Abstand hergestellt, ebenso wie durch die dauernde Wiederholung von möglicherweise „brennenden Themen“…
Schauen Sie aber gerne doch selbst mal beim nächsten „Bauern“ vorbei – am Besten ohne Kamera! Und einfach mal mit den vermeintlichen „Tierquälern“ mal in Ruhe reden, statt hier über sie zu schreiben…
Danke sehr, Elli!
Ich fragte mich nämlich auch schon, mit welcher Selbstverständlichkeit hier vielleicht noch so gut gemeinte Übergriffigkeit als Tierschutz verkauft wird?
Ich komme vom Bauernhof. Ich habe verschiedene Tiere und Pflanzen „kennenlernen“ dürfen. Und habe schon als Kind Schwerstarbeit verrichtet. Die Generation(en) über die ich noch berichten kann, haben immer im Vordergrund von der Tierhaltung auch leben zu müssen. Zum Fotografieren ihrer Hühner und anderer Tiere hatten sie vor lauter Arbeit kaum Zeit. Dummerweise sind die meisten Landwirte auch in Deutschland (wie wir ja alle) in Abhängigkeiten der „Wachstumsideologien“ geraten. Da ist es ein Balanceakt, Tierschutz wirklich zu betreiben. Solche Bücher sind wohl für nichtsahnende Großstadtmenschen gedacht und daher so befremdlich.
Ich würde aber auch (nicht nur von Fotografenseite) grundsätzlich sehr zurückhaltend sein: Niemand weiss doch wirkklich, was im veganen Gemüse vorgeht, wenn du den „Salatkopf“ abschneidest, sein „Herz“ freilegst oder nur eine Banane schälst. Wer „Per Anhalter der Galaxis“ von Douglas Adams gelesen hat, weiss von der Kuh im Restaurant am Ende der Galaxis.
Ich stimme Elli auch zu, dass es hier (wie ich meine, fast nur noch) ums Geld geht. Auch wenn man es bekommt, die Frage ist doch, ob man es auch verdient! Danke Elli, dass du sie beantwortet hast!
Was mich hier zusätzlich befremdet: kaum sind Tiere im Bild, setzt in den Kommentaren offenbar ungetrübte Seeligkeit ein. Nicht nur „Sex sells“, wie man immer wieder sieht, verkauft man auch gut mit Tieren.
„Hühner wollen nicht mit Menschen schmusen“
Fragt sich, was schlimmer ist. Gegen deren „Wunsch“ mit Hühnern schmusen oder gegen deren „Wunsch“ Hühner schlachten und aufessen.
„die Tiere nicht in einem natürlichen Lebensraum zu sehen“
Ich bedaure meine Unwissenheit in diesem Punkt aber ich dachte gerade darüber nach, was eigentlich der natürliche Lebensraum eines Huhns ist. Gibt es eigentlich irgendwo wild lebende Hühner?
Wild lebende Haushühner gibt es wohl nicht, ansonsten aber eine sehr breite Vielfalt an Hühnervögeln. In meiner Umgebung (Kärnten) etwa Fasane, Birk- Reb- und Auerhühner oder Alpenschneehühner. Wirklich faszinierende Arten.
Die Züchtung in Richtung erfolgt aber wohl in erster Linie zur menschlichen Nahrungsbefriedigung. Aber wenn wer damit am Bett kuscheln will, kann er das natürlich auch machen.
Vielleicht wäre ein gangbarer Weg dieser Vorschlag:
Wer in der Lage und willens ist, Tiere zu schlachten, darf sie auch (gerne mit Sättigungsbeilage (Gemüse / Salat)) und Dessert (Obst) essen. wer das nicht kann und will, der darf mit Tieren und Pflanzen kuscheln.
Guten Appetit!
Ich habe vor ca. 35 Jahren selbst auf dem Land gelebt. Wir hatten auch ein paar Hühner, deren Eier wir gegessen haben. Hin und wieder wurde ein Huhn geschlachtet und gegessen. Wir hatten auch einen Hund und meherere Katzen. Im Gegensatz zu den Hühnern wurden diese nicht verspeist, bekamen dafür aber halt Streicheleinheiten und lebten bei uns im Haus. Die Hühner durften erst nach ihrem Ableben ins Haus. Es gab eben eine Unterscheidung zwischen Nutztieren und Haustieren.
Aber das kann natürlich jeder halten wie er will. Und meinetwegen auch fotografieren. Ich bin da flexibel.
Schöne Fotos. Wer es dann fertig bringt, solche hübschen Tiere zu essen, soll sie auch schlachten. Ich als „Stadtkind“ bin auch mit anderen Prämissen und Lebensweisen aufgewachsen. Ja und? Man kann sich ja auch aus Einsicht ändern. Früher oder später gelangt diese Einsicht auch ins Kleinhirn und wird zur Emphatie. Nur Mut. Ich muss nicht mit den Landwirten reden. Es gibt genügend, die sich alternativ entscheiden und es gibt auch einen wachsenden Markt dafür. Wer nicht über seinen Tellerrand schauen will und Alternativen sucht, wird auch keine finden.
Die Aussage, die hier getroffen wurde, dass Hühner nicht mit Menschen schmusen wollen, stimmt so nicht. Hühner lassen sich durchaus streicheln und anfassen, wenn sie Vertrauen gefasst haben, was natürlich nicht der Fall ist, wenn man sie nur als „Nutzvieh“ und nicht als fühlendes Lebewesen betrachtet.
Im Übrigen ist die Unterteilung in Haustier und Nutztier nicht in Stein gemeißelt. Auch in Deutschland war es mal erlaubt, Hund und Katze zu schlachten und zu essen (bis 1986!). Heutzutage löst diese Vorstellung in vielen bestimmt Widerwillen aus, weil es ja unsere lieben Begleiter sind. Vielleicht lassen wir ja auch irgendwann mal die Hühner in Ruhe. :-)
Zitat: „Sie leben vegan und retten kranke Tiere. Viele der Hennen stammen aus Legebatterien,…“
Hmm, wenn Hennen aus der Legebatterie „ausscheiden“, legen sie immer noch Eier (wenn auch nicht mehr ganz so viele). Was machen die Veganer dann mit diesen? Verschenken? Oder doch einmal ein Omelett essen?
Hühner sind wunderbare Tiere – entsprechende Haltung vorausgesetzt. Im Haus kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen (wo soll das Huhn denn dort scharren?), aber warum nicht im eigenen Garten?
Meine Schwester wohnt sehr ländlich und hält auch Hühner. Je bunter der Haufen (also je mehr verschiedene Rassen), desto schöner. Die Hühner wohnen natürlich nicht im Haus, sondern in ihrem Stall und haben sehr viel Freilauf (nicht eingezäunt! und trotzdem sind abends alle wieder im Stall). Im Kochtopf landet keines der Hühner, jedoch viele ihrer Eier (Vegetarierin).
Vor ein paar Jahren meinte meine Schwester, sie müsse etwas Gutes tun und zwei ausgediente Hennen vor ihrem Schicksal als Suppenhuhn bewahren. Ich weiß nicht mehr, aus welcher niedrigen Haltungsform die Hennen stammten. Sie hatten auf jeden Fall einen schweren psychischen Knacks. Anfangs musste sie die beiden separat halten. Ob sie sich später in die Hühnerschar integriert haben, habe ich nicht mehr richtig mitverfolgt. Ich glaube, sie waren immer am Ende der Hackordnung und kamen mit ihrem neuen Leben nicht richtig klar. Ihr Fazit: Einmal und nie wieder Hühnerrettung!
Gerade bei meiner Schwester habe ich aber auch schon wunderbare Kinderporträts mit Hühnern gemacht. Eines meiner schönsten: Einmal hatte sie Besuch von einer Familie mit zwei Kindern und das Madchen (Teenager) hat ihrem 11- oder 12-jährigen Bruder eine Junghenne auf die Schulter gesetzt. Dort thronte sie wie ein Papagei auf der Schulter eines Piraten. Und der Junge (mit Segelohren und Zahnlücke) strahlte über das ganze Gesicht!
Nachtrag.
Vielleicht auch mal interessant und über den Tellerrand hinaus:
https://www.meinesuedstadt.de/nach-der-kuh-kam-das-huhn
Sie kennen bestimmt Nikita Teryoshin…der hat eine sehr, sehr gute Serie namens „Animal escape Plan“. Passt, wie ich meine, hervorragend zum Thema!