surreales Portrait
14. Februar 2022 Lesezeit: ~3 Minuten

Ein alternativer Raum zum Überleben

Die in Pittsburgh lebende Künstlerin Lisa Toboz hat sich der Fotografie autodidaktisch genähert und kommt ursprünglich aus der schreibenden Zunft und Literatur. Mit ihren Arbeiten erforscht sie das Genre des Selbstportraits gepaart mit Kreativität als Mittel der Heilung.

Dabei verwendet sie am liebsten Instant-Kameras und -Filme. Neben Einflüssen aus der Belletristik zieht sie Inspiration auch aus Alltagsfotografie, der viktorianischen Geisterfotografie oder der Kinematografie der 70er Jahre, die sich gern dem Übernatürlichen gewidmet hat.

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Ihre Serie „Ghost Stories“ setzt Themen fort, die sie bereits in vorherigen Arbeiten beschäftigt haben: Es geht um Isolation, Sterblichkeit sowie Heilung in Krisenzeiten. Die Auswirkungen der Pandemie haben diese Aspekte in vielen unserer Leben noch einmal unter ein Brennglas gerückt.

Kreativität kann unterstützend wirken, um mit all dem fertig zu werden. Bei Lisa Toboz findet sie ihren Ausdruck mit Hilfe von Polaroid-Spectra-Kameras, abgelaufenen oder nicht mehr produzierten Filmen, Mixed-Media-Ansätzen und dem spielerischen Ansatz der Lichtmalerei, die sie gezielt einsetzt.

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Ihre schon lebenslang bestehende Faszination für das Übernatürliche entwickelte sich während ihres Kampfes gegen eine Krebserkrankung und die daran anschließende Remission in die Beschäftigung mit Fragen rund um Zeitlichkeit und Vermächtnissen. Was fangen wir mit der kurzen Zeit an, die uns als Leben gegeben ist und was hinterlassen wir, wenn es zu Ende ist?

Geister sind nebulöse Wesen, die auf die Möglichkeit der Existenz fremder Gefilde hinter dem von uns Wahrnehmbaren hinweisen. Es sind Wesen, die zwischen Realität und Vorstellung existieren. Aus diesen Gedanken heraus fand Lisa Toboz während ihres jahrelangen Kampfes gegen das Lymphom Trost in der viktorianischen Technik der Geisterfotografie.

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Diese verwendet Fotomanipulationen, um die „Geister“ geliebter Menschen einzufangen, nachdem sie in eine vergängliche Existenz übergegangen waren. Viele der Techniken wie Doppelbelichtungen oder abstrakte Lichtformen, die eingesetzt werden, um Menschen dazu zu bringen, an übernatürliche Ereignisse zu glauben, finden in der zeitgenössischen Fotografie neue Einsatzbereiche.

Die Fotografie im Allgemeinen dient dazu, die physische Welt festzuhalten, aber die Geisterfotografie zielte in ihrer emotionalsten Form darauf ab, das Immaterielle und Unbekannte festzuhalten, was wiederum den Lebenden dabei half, mit den unerträglichen Traumata und Verlusten umzugehen.

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surreales Stillleben

Lisa Toboz’ Serie „Ghost Stories“ ist eine visuelle Metapher für Unsicherheit und Angst, aber auch für Wunder und unerwartete Schönheit. Sie schlägt einen alternativen Raum zum Überleben vor, wenn sich die Realität in einem Zustand des Chaos befindet. Ihr findet Lisa Toboz Arbeiten auf ihrer Webseite oder auch bei Instagram.

2 Kommentare

Die Kommentare dieses Artikels sind geschlossen. ~ Die Redaktion

  1. Irgendwie kommt es mir vor, dass man heute jede Form von Knipserei im Stil der 1970er und 1980er als Kunst verkaufen will. Früher hat man solche Bilder entweder in die Pappbox gelegt oder weg geworfen. Heute macht man eine Geschichte draus. Versucht es zumindest.Irgendwie scheint es Zeitgeist zu sein. sein eigenes Leben anstatt dem Psychologen der breiten Weltöffentlichkeit an zu gedeihen.

    • Na ja, Kai, wann beginnt denn „heute“ – ich denke die Retrowelle läuft doch schon geraume Zeit?

      Und ist nicht jede Form der Kunst, zumindest in unserer sog. „Moderne“ auch Seelentherapie?

      Umgekehrt würde es mich interessieren, wieviel Fotografie noch Handwerk und wieviel Fotografie eigentlich Kunst ist, oder sein will? Und ob in den Siebzigern nicht die meisten Künstler / Fotografen statt zum Psychologen, nicht lieber „auf ’nen Trip“ gegangen sind…?

      Die hier gezeigten Fotografien erinnern sehr schön auch an sowas…

      In Wirklichkeit ist der Reiz mal was anderes zu machen und zu zeigen (Danke an kwerfeldein) als „perfekte“ Fotos, wahrscheinlich deshalb so groß, weil „die Jungen“ die digitale Perfektion bereits langweilt…

      Ob es „Knipserei“ (ist das verächtlich gemeint?) oder „Kunst“ ist, das bewerte ich hier nicht…

      Übrigens: in den 80ern war es schick, die eigenen Probleme per „Urschrei-Therapie“ zu lösen und auch durch Geister. Ich erinnere an den Zahnarzt-„Chopper“ (die älteren werden es noch wissen)… Und Heute? Lösen wir vielleicht Probleme durch kommentieren…?

      Schönen Abend!