15. August 2022 Lesezeit: ~6 Minuten

Auf den Tisch gekommen

Meine Tischserie begann paradoxerweise damit, dass ich mich von meinem Computer und der Fotobearbeitung lösen wollte. Vor etwa drei Jahren hatte ich mir einen neuen Computer angeschafft, mit dem ich sehr viel Stress und Ärger hatte. Gerade mit meinen Bildprogrammen funktionierte vieles nicht mehr, wie es sollte.

Ich war so frustriert, dass ich mich zu einem Malkurs bei einer Künstlerin eingeschrieben hatte, obwohl ich selbst Kunsterzieherin war. Ich wollte einfach raus aus dem Haus und weg von dem Computer, der mir die letzten Nerven raubte. Um zum Atelier der Künstlerin zu gelangen, musste ich quer durch eine Kunstgalerie gehen und da fiel mir dieser Chippendaletisch auf.

Seine Form mit den krummen Beinen inspirierte mich. Aber er inspirierte auch deshalb, weil er völlig sinnfrei, ohne Stühle drum herum und ohne irgendetwas drauf, in einer sehr nüchternen Umgebung stand und geradezu dazu einlud, ihn zu fotografieren. „Mach was aus mir“, schrie er mir zu. Ich habe also mein iPhone gezückt, ihn abgelichtet und bin dann zum Kurs gegangen.

Tisch

Einige Tage später habe ich beim täglichen Gassigehen mit dem Hund Kühe fotografiert. Abends spiele ich gern, auf meinem Sofa sitzend und Fernsehen schauend, mit dem iPad herum. Ich liebe mein iPad sehr, denn mit den richtigen Apps drauf ist es eine richtige Kreativmaschine. Meine Lieblingsapps sind Snapseed, Procreate und Bazaart.

Durch Zufall habe ich dann mein Kuhbild auf mein Tischbild gelegt und siehe da: die Kuh passte perfekt auf den Tisch! Sie lag da, als hätte sie nie irgendwo anders gelegen.

Kuh auf einem Tisch

Ich war fasziniert. Es war der Anfang einer langen Serie! Ich habe das Bild dann in der Fotocommunity hochgeladen und die Reaktionen waren sehr positiv, was mich unheimlich motivierte, die Sache weiterzuspinnen. Es folgten weitere Versionen, die ich dann wieder am Computer bearbeitete, weil es immer aufwändiger wurde. Also saß ich wieder da, wo ich nicht sitzen wollte: nämlich vorm Computer. Der Malkurs fiel wegen des Lockdowns aus und ich musste kein schlechtes Gewissen haben.

Dann fiel mir, vermutlich durch einen Kommentar in der Fotocommunity auf, dass viele Worte auf „-tisch“ enden, im Französischen und Englischen auch mit „-table“. Dadurch ging es erst richtig los: Ich notierte mir jedes dieser Worte und die Ideen überschlugen sich. Por-table, Time-table, Fe-Tisch, autis-Tisch, Roman-Tisch, Kapitalis-Tisch, Minimalis-Tisch und so weiter.

Kleiner Tisch

Minimalis-Tisch

Der Minimalis-Tisch ist ein gutes Beispiel dafür, dass oft die Bilder, die den simpelsten Eindruck hinterlassen, am aufwändigsten zu realisieren sind. Ich habe mir bereits am Anfang den Tisch freigestellt, um flexibler damit arbeiten zu können. Allerdings habe ich ihn, entgegen meiner bisherigen Vorgehensweise, immer wieder in seine originale Umgebung zurückversetzt. Für mich war der neutrale, spartanische Hintergrund der ideale Kontrast zu meinen Tischkreationen und ich hätte es nicht übers Herz gebracht, ihn zu verändern.

Allerdings wurde mir auch schnell klar, dass ich eine Version des Raumes ohne Tisch brauchte. Ich habe mir also mit allen „Randinformationen“, die ich im Bild fand, den Raum komplett rekonstruiert, den Tisch also Stück für Stück weggepixelt. Zusammen mit dem freigestellten Tisch standen mir so alle Möglichkeiten offen.

Tisch mit allen Einzelteilen

Analy-Tisch

Um auf den Minimalistisch zurückzukommen: Es reicht nicht, einfach den Tisch zu schrumpfen und ihn dann wieder in den leeren Raum zu stellen, die Perspektive stimmt dann an keiner Ecke mehr. Ich habe also den Tisch zerlegt in Vorder-, Seiten- und Draufsicht, wie ein Schreiner. Dann habe ich jedes Teil für sich verzerrt, um die richtige Perspektive zu erhalten. Natürlich muss man dann auch den Schattenwurf anpassen und eventuell Spiegelungen verändern, sonst sähe es nicht „authen-tisch“ aus.

Im Laufe meiner Ideen habe ich irgendwann auch angefangen, mein 3D-Programm Vue-xStream miteinzubeziehen. Ich arbeite schon lange damit, um Hintergründe zu generieren. Dieses Mal war es aber umgekehrt: Ich habe mir den Tisch grob im 3D-Programm nachgebaut, mit dem Erfolg, dass ich ihn nun drehen und wenden konnte. Natürlich musste ich dann per Hand sämtliche Details nachbearbeiten, damit er dem Originaltisch wieder treu wurde.

Brennender Tisch

Apokalyp-Tisch

Tisch im Wasser mit Schiff darauf

Nau-Tisch

Der „Apokalyp-Tisch“ ist ein Beispiel dafür. Die Idee dazu kam mir bei Ausbruch des Krieges. Auch der „Despo-Tisch“ und andere Versionen haben einen direkten Bezug zu Geschehnissen, die mich bewegten. So ist der „Nau-Tisch“ entstanden, nachdem die verheerende Flutwelle auch uns erwischt und den ganzen Keller tischhoch geflutet hatte.

Meine Bilder sind alles Fotomontagen. Kreativ zu sein, ist ein regelrechter Urtrieb in mir. Ich sehe mich auch nicht als Konzeptkünstlerin. Die Idee steht nicht am Anfang, sondern sie entwickelt sich bei mir eher von hinten nach vorne.

Tisch in Schwarzweiß-Design auf Schwarzweiß-Fließen

Op-Tisch

Ich habe alle Bilder mit Nikfilter nachbearbeitet. Ich liebe die Nikfilter, weil man durch die U-PointTechnologie sehr gezielt bearbeiten kann. Den Hintergrund habe ich immer ziemlich hell gehalten. Erstens, um den Tisch hervorzuheben, aber auch um Imperfektionen – es war ja nur ein Handybild – kaschieren zu können.

Mittlerweile hat die Serie einen krönenden Abschluss bekommen: Sie wurde mit Erfolg in der Galerie ausgestellt, in der ich den Tisch fotografierte. Natürlich war der Originaltisch auch dabei und somit schließt sich der Kreis perfekt. Mein Computer nervt jedoch noch immer – mal mehr, mal weniger. Deshalb bin ich im Moment dann doch „analog“ unterwegs und bastele an Collagen aus Seidenpapier!

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