Der Wandel der Steppe
Zeit ihrer Geschichte war das Nomadentum ein wesentlicher Bestandteil der mongolischen Kultur. Gegenwärtig aber bedroht die fortlaufende Zersetzung des Ökosystems der Grassteppe die traditionelle Lebensweise der Nomaden.
Einer Studie der mongolischen Regierung zufolge sind inzwischen etwa 850 Seen und 2000 Flüsse und Bäche ausgetrocknet. Der Verlust des Wassers trägt zu einer fortschreitenden Wüstenbildung in der Mongolei bei; 25 % des Staatsgebietes hat sich in den vergangenen 30 Jahren in Wüste verwandelt.
Drei Viertel des Territoriums der Mongolei sind potenziell durch Wüstenbildung gefährdet. Diese Umweltveränderungen führen zur Austrocknung der Weidegründe und zum Sterben der Herden. Das Nomadentum steht an der Schwelle zu seinem Untergang.
Aufgrund einer Folge von harten Wintern und des Mangels an ausreichend Weideland sahen sich in den vergangenen Jahren Tausende Hirten gezwungen, ihre jahrhundertealte Lebensweise aufzugeben und sich für einfache Arbeiten in den Städten zu verdingen.
Die hügeligen Hänge rund um die Landeshauptstadt Ulaanbaatar, einst grün und menschenleer, sind inzwischen bedeckt von einem Teppich aus Jurten, die eine permanente Einwohnerschaft entwurzelter Nomaden beherbergen.
Dort leben sie ohne fließendes Wasser und ohne konkreten Nutzen ihrer Fertigkeiten, die sie in der Steppe benötigten, um zu überleben. Die Überlieferung der nomadischen Tradition von Generation zu Generation findet nicht mehr statt.
Meine Arbeit „Futuristic Archaeology“ wurde ursprünglich von den ethnologischen Ausstellungen angeregt, die zuerst im Europa des späten 19. Jahrhunderts aufkamen und die heute oft nur noch als leblose Dioramen in Naturkundemuseen zu sehen sind.
Die Arbeit veranschaulicht den Gedanken, dass die veralteten Traditionen der Mongolei bald verschwinden und nur noch in Bildern und als anthropologische Schaukästen fortbestehen werden.
Viele Kulturen und Gesellschaften, die zerstört wurden, werden heutzutage ironischerweise von genau den Staaten konserviert und ausgestellt, die sie ruiniert haben.
Durch das Verschwinden der Gemeinschaften, zu denen das kulturelle Erbe einst gehörte, hat seine Zurschaustellung ihre Funktion und Bedeutung verloren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Nomadentum der Mongolei künftig dasselbe Schicksal erleiden wird.
Deshalb habe ich beschlossen, es schon jetzt wiederherzustellen, bevor es in der Realität verschwindet. Für die Gestaltung meines Berichtes habe ich zuerst meine Kamera auf grüne Landschaften in der mongolischen Steppe gerichtet und eine Auswahl einiger weniger noch verbliebener saftiger Weidegründe dokumentiert.
Diese Fotografien wurden dann nacheinander auf große Tafeln gedruckt, in bereits von der Wüste eingenommenen Landstrichen aufgestellt und mit samtenen Seilen abgesperrt.
Jedes Bild zeigt echte frühere Nomaden, die ich mit Hilfe der koreanischen NGO Green Asia Network anheuern konnte. Vor den einander kontrastierenden echten und fabrizierten Landschaften führen sie gewöhnliche Hirtentätigkeiten vor.
Durch die Nebeneinanderstellung des natürlichen Schauplatzes und der fiktiven musealen Darstellung wird ein Fenster in die mongolische Landschaft geöffnet, das die bedenkliche Situation der langsam sterbenden Steppe veranschaulicht.
Die beste Weise, um dieses kulturelle Erbe und diese Lebensweise zu bewahren, ist die Erhaltung der Gemein- und Gesellschaft. Mit „Futuristic Archeology“ mache ich mit echten Menschen jetzt und an diesem Ort darauf aufmerksam und stelle die Frage nach der Zukunft der nomadischen Bevölkerung.
Der Artikel wurde von Robert Herrmann für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.