04. September 2014 Lesezeit: ~7 Minuten

Über das „Davor“ und das „Danach“

Es scheint, als würden zur Zeit mehr und mehr solcher Bilder auftauchen. Bilder von Menschen, die an Krebs verstorben sind, Leidenswege fotografisch dokumentiert und berührende Bilder von einem totgeborenen Mädchen, die viral wurden auf Facebook. Und das sind nur Beispiele. Es gibt eine Menge Bilder dieser Art, wenn man Google fragt.

Im Netz tauchen sie auf. Im großen öffentlichen Worldwideweb. Dem virtuellen Vielfang, der nichts vergisst und in dem beinah jeder etwas Privates verbreitet. Etwas Privates?

Vor Kurzem entdeckte ich die Bilder von Nancy Borowick – speziell die Serie „Cancer Family“ – berührend echte Bilder, die neben der blanken Tatsache, dass Krebs nun einmal eine teuflische Krankheit ist, die in vielen Fällen zum Tode führt, auch zeigt, wie sehr eine solche Schreckensdiagnose Zusammenhalt in eine Familie bringen kann.

Eine Frau im Vordergrund lacht und ein Mann im Hintergrund macht eine lustige Verrenkung.

Cancer Family © Nancy Borowick

Ein Mann mit Schlafhaube wird von seiner Frau liebevoll geweckt.

Cancer Family © Nancy Borowick

Eine Offenheit, Freude und Ehrlichkeit an den gemeinsamen Momenten, die vielleicht die letzten sind. Die jeden Tag auf’s Neue die letzten sein könnten. Die trotz alledem aber bis über den Tod hinaus auch immer etwas Positives mitschwingen lassen. Es wird auch gelächelt und gelacht. Es wird gelebt. Auch, wenn einer geht.

Es werden gemeinsame, ganz intime Momente in solchen Serien gezeigt. Von Situationen, die man vielleicht nicht mal engen Freunden bildhaft erzählt oder erzählen kann. Durch eine Fotografie sind sie dann jedoch sehr real, unverschleiert festgehalten. Solche Bilder werden meist nicht retuschiert, verschönert oder mit Filtern überlagert. Ganz schön echte Fotos für unsere heutige Zeit. Obwohl sie nichts zeigen, was wir wirklich schön finden können oder wollen.

Eine Frau hält die Hand ihres Mannes.

Cancer Family © Nancy Borowick

Nahaufnahme des Händedrucks.

Cancer Family © Nancy Borowick

Weiter oben steht hinter dem „Privaten“ ein Fragezeichen. Warum?

Weil wir die Gewissheit des Todes seit dem Moment unserer Geburt haben. Wir alle. Keiner, egal woher, wie alt, wie jung, wie arm, wie reich, kann sich dem Tod entziehen. Dies ist wohl auch die einzige Gewissheit, derer wir uns wirklich sicher sein können. Da unterscheidet uns plötzlich nichts mehr.

Daher die Frage, wie privat diese Angelegenheiten sind. Da so weltbedeutend und bedeutungsschwanger für jeden Einzelnen.

Eine Frau steht am Sarg ihres Mannes.

Cancer Family © Nancy Borowick

Und welche Rolle spielt die Fotografie als Medium, das versucht, Zeit festzuhalten und Momente einzufrieren, die ja so doch nie wieder sein werden? Hilft sie beim Erinnern? Oder verschleiert sie Erinnerungen, da sie kein bewegtes Bild, kein Film ist? Keinen Ton hat, keine Gerüche? Helfen uns Bilder von anderen dabei vielleicht, im eigenen Umfeld besser mit solchen Situationen umzugehen, wenn sie uns dann ereilen? Wenn die Zeit naht, in der unsere Eltern altern und die Großeltern vergessen, ob wir gestern schon zu Besuch waren?

Meine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik ist auch nicht ganz zufällig passiert. Mir begegnen diese Bilder sicher nicht auf’s Geratewohl. Ich selbst habe am 9. Mai dieses Jahres meinen Vater viel zu früh an den Teufel namens Krebs verloren. Nach zwei Jahren intensiver Krankheitsphase und Leidenszeit für alle Beteiligten. Doch auch mit sehr vielen sehr schönen Momenten, die wir ohne den Krebs so vielleicht nie erlebt hätten. Sonst hat man das Ende nie so sehr im Fokus.

Eine Frau fährt sanft mit der Hand über die Wange ihres verstorbenen Mannes.

© Tabea Borchardt

Für mich ist die Fotografie als mein Medium treuer Begleiter in dieser Zeit „davor“, „währenddessen“ und „danach“ geworden. Diese Zeit hat nicht nur menschlich viel bei mir verändert, sondern auch fotografisch. Die Art, wie ich Bilder betrachte, speziell Bilder von Menschen, hat sich verändert. Ich nehme intensiver wahr und überfliege vermeintliche „Alltagsfotografien“ nicht mit nur einem Blick, sondern habe immer im Hinterkopf, dass dies ein wahnsinnig wichtiger Moment gewesen sein könnte.

Wer kann das später nachvollziehen und wem steht es zu, das zu beurteilen ohne Kenntnis der Situation? Fragen über Fragen in diesem Text, doch genau mit ihnen möchte ich Euch gern in Berührung bringen. Es kann meines Erachtens nach nicht schaden, sich frühzeitig auch mit den unangenehmen Seiten des Lebens auseinander zu setzen. Tut mir leid, wenn ich Euch darauf schubse.

Die Frau rückt die Bettdecke zurecht und schaut dabei nicht zu ihrem Mann.

© Tabea Borchardt

Neu sind Bilder von „davor“ und „danach“ übrigens nicht. Wir kennen die Post-Mortem-Fotografie aus dem 19. Jahrhundert, doch Dokumentationen aus jener Zeit bezüglich einer Krankheitsphase sind seltener. Oder ich habe keine gefunden.

Doch die frühere Post-Mortem-Fotografie hat sich nicht so enorm verbreitet, wurde nicht plakatiert oder abgedruckt. Es waren Erinnerungsstücke für die Familie, für den Kaminsims oder das Album. Ist es nur ein Merkmal unserer Zeit, dass wir das Private über das Öffentliche stülpen?

Am Totenbett eines Menschen.

© Tabea Borchardt

„Davor und Danach“ – es geht um Einschnitte. Einschnitte in Leben, die auf vielerlei Weise ein Ende finden können. Da es hier nicht nur um Krebs gehen soll, möchte ich zum Ende noch ein letztes Beispiel anbringen für die Fotografie eben solcher bewusster Einschnitte.

Die Frau von Seichii Furuya stürzte sich knapp vor dem Mauerfall aus dem Fenster. Suizid. Aus dem Leben gerissen. Ein abruptes Ende. Dies die knappe Zusammenfassung. Bereits zuvor hatte sie die Diagnose einer psychischen Krankheit bekommen. Es gibt viele, sehr viele Wege, aus dem Leben zu scheiden. Und somit auch mindestens genauso viele Wege, damit umzugehen. Nicht nur im fotografischen Sinne.

Furuya verarbeitete die gemeinsame Zeit vor und nach ihrem Tod in mehreren Büchern.

Dort sehen wir allerlei Bilder. Viele von Dingen, denen wir ohne das Wissen um ihre Geschichte gar keine so hohe Bedeutung beimessen würden. Alltagsgegenstände, gemeinsam besuchte Orte. Gemeinsam erlebte Momente. Bilder von ihr und dem gemeinsamen Sohn. Dabei, ganz zufällig entstand ein Dokument seiner Zeit, rund um die Mauer, aus der Ost-Sicht mit viel mehr politischem Hintergrund, als auf den ersten Blick auffällt.

Seine Bücher sind eine schöne Beschreibung dessen, was ich als das normale Leben neben dem gemeinsamen Alltag mit einer Krankheit beschreiben würde. Eine Beschreibung davon, wie Leben und Tod permanent koexistieren können, ohne dass wir daran zerbrechen. Denn uns bleibt keine Wahl. Es ist schon immer so gewesen und wird wahrscheinlich auch immer so bleiben. Doch vielleicht lernen wir dadurch ja, das Leben an sich mehr zu schätzen.

Dankenswerterweise darf ich hier noch kurz auf eine Ausstellung hinweisen.„Von Treibgut, Ebbe und Flut“ beschäftigt sich mit der Zeit, dem „davor“ und „danach“ in vielfältiger Hinsicht. Eröffnung ist am 26.09.2014 um 20:00 Uhr in der outofmymind Galerie in Bremen. Ausstellende sind Tabea Borchardt & Myriam Borchardt.

28 Kommentare

Die Kommentare dieses Artikels sind geschlossen. ~ Die Redaktion

  1. Hi,

    ich bin da entschiedenst dagegen. Was ich wirklich selten bin.

    Es gibt Dinge, die müssen nicht veröffentlicht werden. Wahrscheinlich auch ein Grund, warum sich die „frühe Post-Mortem Fotografie“ nicht verbreitet hat. Aber jetzt kann ja jeder alles veröffentlichen.

    Ich finds vollkommen in Ordnung, wenn man diese Zeit des Abschiednehmens für sich selber dokumentieren möchte, wobei ich persönlich selbst das nicht machen würde. Aber für mich sind solche Bilder viel zu intim, um sie mit der Öffentlichkeit zu teilen. Mal ganz agbesehen davon, ob die sterbende oder gestorbene Person überhaupt in dieser hilflosen Situation gezeigt werden möchte.

    • Natürlich kann ich hier nur für mich sprechen – jedoch habe ich alle Bilder die ich gemacht habe in der Zeit der Krankheit meines Vaters mit ihm besprochen und angeschaut. Er hat für eine Ausstellung selbst Bilder ausgewählt und war stolz das ich das tue was ich tue und warum ich es tue. Es gibt in vielen Fällen ja länger die Möglichkeit der Kommunikation und des Abweges. Und natürlich kann und sollte man bei den Bildern die man zeigt selektieren und sich sehr bewusst sein was man dort zeigt und wo man es selbst anbringt. Letztenendes ist es denke ich immer eine persönliche Einzelfallentscheidung und hat viel damit zu tun wie die Familie und man selbst sich damit fühlt. Und ich denke man würde sich schlecht fühlen, wenn man diese Bilder zeigt und weiß das der Verstorbene Mensch es überhaupt nicht gemocht hätte.

      • Hi Tabea,

        ich wollt Dich auch gar nicht persönlich angreifen. Wie Du selbst schreibst, muss ja jeder selber entscheiden wie man sich damit fühlt. Dass Du die Fotos mit deinem Vater gemeinsam besprochen und ausgesucht hast, macht es für mich schon viel angenehmer.

        Alles Gute :)

    • wir können den tod nicht aus dem leben ausklammern, auch wenn er was „intimes“ ist, deshalb finde ich solche bilder gut, auch die geschichte des abschiedsnehmens muss erzählt werden, so meine sicht….

  2. Ich kann Holgers Bedenken gut nachvollziehen. Heute wünsche ich mir, ich hätte vergleichbare Fotos von meinem Vater, der vor 32 Jahren gestorben ist. Ich finde die hier gezeigten Bilder sehr Respektvoll. Sicherlich auch intim. Vor allem sehe ich Menschen.

    Ob man das teilen muss ist wohl eine Entscheidung der jenigen die die Bilder veröffentlichne und derjenigen, die sie betrachten. Ich sehe da kein prinzipielles Problem, mit dem Tod wird in dieser Gesellschaft für mein Empfinden viel zu verschlossen und befangen umgegangen. Das viele Menschen da nicht gerne hinsehen ist natürlich auch verständlich.

  3. Ich sehe solche Bilder auch mit gemischten Gefühlen.

    Einerseits sind die Aufnahmen respekt- und würdevoll, aber auf der anderen Seite stehe ich der Veröffentlichung solcher Bilder nicht positiv gegenüber.

    Warum?

    Nun, weil es sehr private und intime Einblicke in das Leben, bzw. das Sterben und den Tod sind und das sollte meiner Meinung nach auch privat bleiben. Man muss doch nun wirklich nicht alles mit der Öffentlichkeit teilen.

  4. ich glaube nicht, dass man pauschal beurteilen kann, ob das in ordnung ist oder ethisch fragwürdig. solange der betreffende seine zustimmung gibt und man selbst nicht aus dem affekt der trauer heraus, sondern einigemaßen überlegt handelt, denke ich, kann das genauso ein weg sein, den faktor tod zu akzeptieren, vielleicht bis zu einem gewissen grad auch verarbeiten zu können.

  5. Ich kann zwar Holgers bedenken hier teilen, aaaaaber, auf der anderen Seite finde ich das das Thema Tod, Abschied, Trauer in unserer „Alles prima uns gehts super“ Gesellschaft leider immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Wir tendieren dazu diesen sehr fordernden und einschneidenden Abschnitt des Lebens zu verdrängen. Was auch dazu führt das immer mehr Bockmist in der Pflege läuft und immer weniger Geld dafür bereitgestellt wird. Wäre das Thema präsenter und in den Köpfen der Menschen dann währe es ein leichtes eine Lobby für mehr Geld in der Pflege auf die Beine zu stellen.

    • Das stimmt. Mir geht es da auch gar nicht so sehr darum, sich nicht mit dem Tod auseinander setzen zu wollen. Aber ich hab manchmal das Gefühl, dass es so einen allgemeinen Trend gibt, alles fotografisch zu dokumentieren.

      Sicherlich hat Tabea in dem Prozess viel Zeit gehabt, sich nicht „nur“ durch das Objektiv mit Ihrem Vater zu beschäftigen. Allein dadurch, dass Sie gemeinsam mit dem Vater die Fotos besprochen hat.

      Aber ich frag mich manchmal, ob man die Kamera nicht einfach mal liegen lassen sollte um selber mehr da zu sein. Vielleicht stehen wir Fotoleute demnächst im Kreißsaal und dokumentieren die Geburt des eigenen Kindes. Aber das ist vermutlich ein anderes Thema.

  6. Das Thema Sterben gehört zum Leben, und somit darf auch diese Geschichte erzählt werden. Die Serie von Nancy Borowick zeigt trotz der schwierigen Situation ja viel Lebensbejahendes und Positives. Passend finde ich auch den unaufgeregten, dokumentarischen Stil.

    Bei Reportagen aus Krisengebieten werden schon immer Bilder von leidenden oder toten Menschen gezeigt , wird das Sterben und der Tod eines Menschen in unserer Gesellschaft dokumentiert ist das seltsamerweise zu intim.

    Die Entscheidung ob und welche Bilder veröffentlicht werden, wurde von den Beteiligten wohl sehr bewußt getroffen, wie Tabea ja auch erklärt hat. Ich finde hier greift der Vorwurf mit der „teilungs- und like wütigen“ Gesellschaft dann nur wenig.

  7. Ich stimme Holger nicht nur zu- es ist in meinem Fall sogar noch schlimmer : Ich sehe die Bilder unwillkürlich im Zusammenhang mit den Hinrichtungsfilmen, die offenbar aktuell im Internet veröffentlich wurden und empfinde es daher mehr als unglücklich, dass diese Bilder ausgerechnet in diesen Wochen hier veröffentlicht werden. Dass das nicht das Gleiche ist, muß jetzt keiner erklären, aber die ungute Nähe der Themen sollte man nachvollziehen können.
    Unabhängig davon empfinde ich die Bilderschau auf einer Seite, deren Thema die Fotographie-rerei ist als nicht passend und könnte auch komplett darauf verzichten.
    Sích gegen die Allerweltsveröffentlichung privater Sterbebilder im Internet auszusprechen sollte nicht als eine Verweigerung der Beschäftigung mit dem Tod verwechselt werden.
    Nicht alles, was ein Tabu bricht, ist deshalb gut. Ich glaube, dass wir Tabus benötigen und unbewußt laufend verwenden. Das was wir so stolz als Errungenschaft und Freiheit herausposaunen hat mit der Wahrheit gelegentlich wenig zu tun.

    OK – das war jetzt ein wenig allgemein, aber mir war danach.
    Grüße
    Andreas

  8. Schauen wir doch dazu mal in unsere Verfassung und sehen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Also nicht der Tod und auch keine Bilder von Sterbenden oder Toten, soweit sie dessen Würde nicht in Frage stellen. Es ist m.E. die Verantwortung jedes einzelnen Fotografen, was er oder sie am Ende publiziert und ob diese Bilder unseren ethischen Grundsätzen entsprechen. Und auch wenn sie es nicht zun, ist es ein Teil der Meinungsfreiheit. Wir sehen jeden Tag elende Bilder von Toten und Sterbenden aus Kriegs- und Krisengebieten und es gibt nicht wenige Fotografen, die dafür große Auszeichnungen erthalten. Man denke an James Nachtwey oder aktuell Christph Bangert mit seinen Bildern „warporn“. Das ist eben Teil der medialen Realität und keiner grundsätzlichen, sondern nur einer individuellen Haltung zugänglich.
    Ich finde, dass auf diesen Bilder auf jeden Fall angemessen würdevoll mit dem Vater umgegangen und er sogar in den Auswahlprozess miteinbezogen wurde.

  9. Die letzen beiden Bilder sind sehr gut komponiert.

    Die Diskussion sagt mir mehr über deren Teilnehmer, als über die Bilder. Und das ist intimer, als es die Bilder sind …

  10. Ein gewisser Trend, das Leid der Angehörigen auf die große Bühne zu bringen scheint mir schon zu existieren. Ob das wirklich gegen die Verdrängung des Todes aus dem Alltag hilft bleibt indes fraglich.
    Ich denke es ist einfach auch dieses Tabuthema dran, medial vereinnahmt zu werden, da werden sicher einige widersprechen, mir erscheint es aber leider nun einmal so. Abschließend möchte ich auf keine Galerie-Ausstellung hinweisen.

    • Du hast es halt als ein Schreckenszenario dargestellt, das noch kommen könnte. Meine Frau ist Hebamme und dadurch habe ich da einen Einblick. Und ich finde es nicht fragwürdig. Für die Eltern kann sowas ein tolles Geschenk und eine wunderbare Erinnerung sein.

  11. Sehr gern möchte ich auf den ein oder anderen Punkt noch eingehen.

    Danke für eure rege Kommunikation rund um dieses Thema! Das war mir u.A. ein Anliegen.

    Schon allein, dass so viele Kommentare auftauchen erweckt bei mir den Anschein das durch aus Gesprächsbedarf über die Thematik besteht – in welcher Form nun auch immer.
    Also zu erst ein mal @Holger: Ich fühle mich nicht angegriffen denn ich habe sehr bewusst überlegt die Bilder zu zeigen und habe mir natürlich im Vorfeld auch unterschiedliche Ansichten und Meinungen bereits anhören dürfen – finde es aber gut das du auch wenn du relativ strikt dagegen bist dich dennoch damit beschäftigst ohne einen Rüden Ton anzuschlagen.
    Anmerken muss ich nur, dass explizit diese Bilder mein Vater unmöglich hätte mit mir auswählen können (das bezog sich auf die Bilder insgesamt die ich in den 2 Jahren gemacht habe), da er auf den beiden letzten Bildern bereits verstorben ist.

    Marc v M. Einwurf mit der Pflege finde ich auch wichtig – ich habe unterschiedliche Hospize, Palliativstationen etc. während und nach der Krankheit meines Vaters kennengelernt und immens viele unterschiedliche Umgangsweisen mit dem Thema Tod, Leid und Sterben. Inner familiär aber auch gesellschaftlich medizinisch – und war geschockt darüber wie wenig Ahnung wir von etwas das neben der Geburt das einzige ist von dem wir wissen, dass es uns allen widerfährt haben.

    @Andreas V. – künstlich eine zeitliche Verbindung her zu stellen zu den Hinrichtungsfilmen wäre nun übertrieben in meinen Augen. Es leider sekündlich so, dass jemand stirbt. Aus den mannigfaltigsten Gründen. Es würde nie einen passenden Zeitpunkt geben wenn man so argumentiert. Unterschied ist nur das natürliche Tode wie in meinem Falle selten medial festgehalten werden.

    Und allgemein die Frage – darf dann nur schönes, unpersönliches fotografiert werden?

    Danke auch für all das positive Feedback – ich weiß das sehr zu schätzen und kann aber nun schwer auf jeden einzeln eingehen.

    Tabea

    • Aber, aber , aber – es geht doch überhaupt nicht ums Sterben, sondern ums Präsentieren des Sterbens, ums journalisitsche exibionieren.
      Solange das in der Diskussion nicht getrennt werden kann, läuft alles durcheinander. Schade, zeigt aber, dass das Thema für einen kleine und schnellen Überflug, wie er hier nur möglich ist, viel zu schwierig und komplex ist.
      Grüße
      Andreas V.

      • Das würde mir ja unterstellen das ich die Bilder um meinetwillen zeige – aber wenn man Bilder zeigt sehe ich das nicht als eine Selbstdarstellung, speziell nicht in diesem Falle, sondern weil man etwas mit den Menschen die schauen teilen möchte, vermitteln möchte, Einblicke geben möchte, in diesem konkreten Falle Möglichkeiten sichtbar gemacht werden sollen, Gedankenanstöße gegebene werden sollen… etc.
        Mein vorheriger Kommentar war auch auf das „Präsentieren“ bezogen (genau lesen,…) es gäbe eben nie einen „guten“ oder „richtigen“ Zeitpunkt um den Tod im Bild oder das Sterben im Bild dar zu stellen – präsentieren finde ich das falsche Wort. Waren werden präsentiert – darstellen, oder abbilden tut man Menschen… zeigen tut man, was einem wichtig ist oder eben wie man gesehen werden will. Aber auch mit Letzterem hätte ich in diesem Falle kein Problem – denn wie schon erwähnt zeigen die Bilder immer auch etwas über mich, aber die Worte hier in den Kommentaren sicher noch um einiges mehr.

        Und ein kurzer Überflug ja ist hier nur möglich wenn man sich die Zeit nicht nimmt – nur weil man im Internet schneller weiterklicken kann, als man in einer Galerie den Raum wechselt, steht einem das Tempo selbst frei – die Tiefe übrigens auch.

        Es stimmt jedoch das es ein komplexes Thema ist – umso wichtiger ist die Auseinandersetzung in meinen Augen. Denn grade komplexe Themen kann man meist nicht nur auf einen schnellen Blick und nach einmaliger Beschäftigung mit einer Thematik bewältigen – viele Dinge brauchen Zeit.

        Tabea

  12. Jeder Mensch definiert seine eigene Grenze was er wahrnehmen will. Ich finde unsere vielschichtigen „Probleme“ und Berührungsängste mit dem Thema Tod, Sterben und Trauer rühren daher das es immer noch ein Tabuthema ist. Zum Trauern hat man gefälligst in den Keller zu gehen – darüber spricht man nicht (öffentlich)… ich hab mir solche und andere Sprüche anhören dürfen. Es hält mich aber bis heute nicht davon ab immer wieder über das Thema zu schreiben und veröffentlichen. Ich finde die Bilder wunderschön. Der Tod hilft uns erst das Leben wirklich zu verstehen.

    • Danke Carsten für die klaren Worte… ich werde mich auch nicht abhalten lassen – denn ich denke nicht das ich jemandem mit meinen Bildern und Worten Schaden zufüge… und wer nicht sehen mag kann ja wegsehen,…

      • aus der Ferne
        ich bin jemand der in der vergangenheit wenig bezug zu kunst und dessen wirkung in unserer gesellschaft (oder online diskussionen darueber) hatte und stosse hier zufaellig zu dieser diskussion hinzu, als sehr gute persoenliche freundin von Tabea die sich mal unerwartet zu wort medet.

        ich bin ueberrascht, dass so viel stigmatisiert wird, wie eine grundsatzfrage: darf, kann, sollte man grundsaetzlich den Tot und persoenliche erlebnisse damit oeffentlich als kunstmedium darstellen?
        ich kannte tabea in der Krankheisphase ihres vater, und es waere unvorstellbar gewesen die fotografie aus dem prozess herauszuhalten, eben weil es unvorstellbar ist sie von tabeas alltag und herangehensweise ans leben herauszuhalten. und das ist genau die person die ihr vater ja als kuenstlerin kannte, kunst in einem so intensiv persoenlichen rahmen geschieht doch nur da wo auch kuenstler da sind um es entsprechend zu begleiten.
        eine von vorneherein der oeffentlichkeit gegenueber verschlossene familie wuerde vermutlich nicht auf die idee kommen sich so zeigen zu wollen. aber wer sagt, dass sie deswegen nicht die bilder anderer „betroffener“ (hier in „“ da es sogenannte-unbetroffene nun mal nicht gibt) sehen wuerden und von deren erfahrungen hoeren wollen wuerden, allein schon um sich nicht so alleine zu fuehlen in einer zeit die einsamkeit mit beschreibt, auch wenn das nicht so sein muss.
        diese art der persoenlichen und anregenden darstellung ist genau die lebensweise die der hier gezeigte norbert von seiner Tochter in all ihrem leben kennengelernt hat. es ist ja kein einfluss von aussen gekommen, der fremde menschen darstellt.

        persoenlich bin ich garnicht der meinung, dass in unserer gesellschaft zu wenig ueber das thema „tot“ oder „leiden“ – was ja nicht immer hand in hand gehen muss – gesprochen wird. es wird nur nicht darueber kommuniziert, nicht ueber die persoenliche ebene. auch nicht ueber den umgang von pflege, krankenhaus, palliativ oder buerokratie angestellten mit den angehoerigen.
        wir sind an fernes leiden gewoehnt, nachrichten, computer spiele, filme und tragoedien.
        ich selbst schreibe hier aus dem Senegal in West afrika wo ich seit fast 9 monaten reise und arbeite. ich sehe keine katastrophen bilder von kindern mit hunger baeuchen, aber die saecke mit sojamehl die im von USAID gebauten Dorf krankenhaus liegen und gegen unterernaehrung an Familien verteilt werden.
        ich sehe keine Ebola graeber, aber die angst in den Menschen als der erste Ebolafall aus Guinea in Dakar ankam, menschen die keine chance haben ihr land zu verlassen und nicht wissen wie schlimm es noch wird.
        ich sehe keine kriegsgebiete, aber jede woche ist eine weitere beerdigung von angehoerigen meiner kollegen auf den doerfern, menschen die sterben mit mitte fuenfzig und fast schon als „alt“ gelten; kinder die sterben; immer an krankheiten die keiner benennen kann weil es keinen arzt gibt der es diagnostiziert hat oder medikamente verschreibt. manchmal sterben sie vielleicht an Durchfall, Malaria ist seltener als man denkt, unnoetige todesfaelle deshalb nicht.
        und im moment sehe ich vorallem die regierung die bereits anfaengt reissaecke zu verteilen weil die regenzeit in diesem jahr nahezu ausgefallen ist und ein grossteil der bevoelkerung nicht weiss wie sie ohne die ernte das naechste jahr ueberleben sollen. das ist nicht nur hier; das ist in der gesamten sahel zone und betrifft millionen menschen, nur das sie noch leben, nicht wie viele der ebola patientien, daher gibt es davon noch keine bilder. nicht von menschen die nur dem hungertot in die augen schauen, aber eben noch im „davor“ stehen.

        wir sind bilder ueber diese themen gewoehnt, ueber die extreme. nur nicht ueber den alltag, weder „hier“ noch „dort“. auch wenn der alltag und die todesfaelle im senegal anders aussehen als in deutschland, haben sie doch gemeinsam dass sie fuer die angehoerigen immer realer und persoenlicher sind als alle anderen nachrichten. und dass es kaum beispiele gibt wirklich damit umzugehen, ueber welches medium auch immer, besonders nicht uber aspekte die durchaus positives am eigenen prozess in der familie und der gesellschaft bewirken koennen.

        vielen Dank Tabea :D