Strandkörbe vor der Seebrücke in Sellin unter einem blau bewölktem Himmel
02. Juli 2014 Lesezeit: ~4 Minuten

Fotografie zur blauen Stunde

Vor einiger Zeit habe ich mich in einem Artikel der Landschaftsfotografie zur Mittagszeit gewidmet. Hartes Licht und grelle Farben zeichnen diesen Tagesabschnitt aus. Die blaue Stunde bildet dazu einen starken Kontrast. Sie wird von indirektem Licht dominiert. Fotos, die dann aufgenommen werden, wirken oft mystisch und bekommen einen leicht bläulichen Farbstich.

Die blaue Stunde beginnt nach Sonnenuntergang und dauert in Europa je nach Jahreszeit zwischen 30 Minuten und einer Stunde lang. Wem diese Zeit nicht reicht, um das gewünschte Foto einzufangen, der hat morgens vor Sonnenaufgang noch einmal das gleiche Zeitfenster.

Noch vor ein paar Jahren war die blaue Stunde für mich eher eine Notlösung. Oft wartete ich auf einen glühend roten Himmel nach Sonnenuntergang, doch stattdessen musste ich mit tiefem Blau vorlieb nehmen. Nach und nach fand ich aber Gefallen an den resultierenden Fotos.

Das schöne an der blauen Stunde ist, dass man immer mit ihr planen kann. Egal ob bei klarem oder bewölktem Himmel und sogar bei Regen, es lassen sich immer tolle Fotos machen. Sofern man einen leicht mystischen, teils düsteren Look mag.

Warm erleuchtete Gasse unter einem dunklen, blauen Himmel

Städte

Am liebsten fotografiere ich Städte im Licht der blauen Dämmerung. Ich warte dann ganz gezielt auf den Moment, wenn das warme Licht der Straßenlaternen und das kühle Umgebungslicht die perfekte Balance bilden.

Die hell erleuchtete Karlsbrücke mit dem Blick auf die Prager Altstadt

Ein Stativ ist bei solchen Fotos Pflicht. Die Belichtungszeiten liegen bei f/11 und ISO 100 zwischen 15 Sekunden und einer Minute, wenn ich ein perfektes Histogramm erhalten möchte. Zudem mache ich immer mehrere Belichtungen, um zusätzlichen Spielraum bei der Bearbeitung der Fotos zu haben.

Meistens steht mein Stativ gute 30 Minuten an einem Fleck und ich mache über den Zeitraum der Dämmerung hinweg mehrere Fotos. So fange ich unterschiedliche Lichtstimmungen ein, teils mit weniger künstlichem Licht, teils mit mehr. Zuhause kann ich dann ganz bequem auswählen.

Mit Kopfsteinen gepflasterter Weg führt durch eine Gasse mit historischen Häusern

Landschaften

Während es mir bei Städten nicht schwer fällt, zur blauen Stunde zu fotografieren, ich diese Zeit sogar gegenüber Sonnenauf- und -untergang bevorzuge, muss ich mich bei Landschaften deutlich mehr anstrengen, um ein überzeugendes Foto zu erhalten.

Mir fehlt hier meist der Farbkontrast, das Blau beherrscht die komplette Szenerie und hat keinen Gegenspieler. Bei manchen Landschaften ist das aber gar nicht nötig. Das sind solche Landschaften, die von besonderen Formen und Strukturen dominiert werden. Oder wo die Linienführung im Bild den Reiz ausmacht und weniger das Licht.

Die markanten Felsen am Giant’s Causeway im blauen Licht der Dämmerung

Es sind solche Fotos, die auch gut in schwarzweiß funktionieren würden. Die sanften Kontraste der blauen Sunde und das fast schon monochromatische Licht erschaffen einen ausgeglichenen Bildeindruck.

Als Fotograf kann man sich voll auf die Komposition konzentrieren. Es gibt keine Ablenkungen und ich selbst kann an solchen Abenden oder Morgen die Landschaft viel intensiver genießen, als wenn ich mit meinen Fotos spektakulärem Licht nachjagen würde. Zur blauen Stunde ist weniger oft mehr.

Ein einsamer Leuchtturm an einer felsigen Küste

Über die Jahre habe ich gelernt, dass es für einen Landschaftsfotografen weit mehr gibt, als einen gelegentlichen spektakulären Sonnenuntergang oder eine glühende Dämmerung am Morgen. Ich kann mittlerweile mit fast jeder Lichtsituation etwas anfangen. Wichtig ist die geeignete Motivauswahl und etwas Flexibilität, um vorgefertigte Pläne auch mal über den Haufen zu werfen.

Lasst Euch also nicht entmutigen, wenn der Himmel am Abend zuzieht und das erhoffte Lichtspektakel ausbleibt. Wartet noch ein bischen länger und nutzt das Licht der blauen Stunde, um ein Foto zu machen, bei dem die Landschaft im Vordergrund steht. Oder wechselt zu einem Motiv, das einen schönen Farbkontrast mitbringt.

17 Kommentare

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  1. Deiner Meinung kann ich nur Zusitmmen Michael, seitdem ich die Balue Stunde und die Langzeitbelichtung für mich entdeckt habe hat sich ein ganz neues fotografisches Feld für mich geöffnet. Die blaue Stunde vor Sonnenaufgang ist übrigens auch nicht zu verachten – das Licht ist deutlich verschieden zum Licht der abendlichen blauen Stunde und hat auch einen ganz besonderen Reiz.

    • Ja das mit vor Sonnenaufgang meinte ich mit dem „morgens vor Sonnenaufgang noch einmal das gleiche Zeitfenster“. Auch meine Fotos sind nicht nur nach Sonnenuntergang sondern auch vor Sonnenaufgang entstanden ;-) Da ist es wenigstens schön ruhig, auch an gut besuchten Orten wie z.B. dem Giants Causeway

  2. Interessanter Artikel. Ich verstehe bloß noch nicht, wie das Licht morgens „anders“ sein soll als abends. Die Astrophysik ist da doch ziemlich symmetrisch und welchen Einfluss der tagsüber veränderte Zustand der Atmosphäre haben soll, erschließt sich mir nicht. Morgen geht’s aber erstmal an die Nordsee, da werde ich auch die blaue Stunde ausführlich mit der Kamera begleiten. Ist das Titelfoto zufällig auch von dort?

    • Ich gebe Dir völlig recht Yves, allerdings ist das der Blauanteil im Licht (zumindest gefühlt) wesentlich geringer, darüber hinaus empfinde ich die Farben morgends häufig etwas pastellartig mit leichteren Gelb-, Orange- und sehr geringen Rottönen.

      • Kann die eigene Empfindung vor Ort aufgrund des eigenen Tagesablauf evtl. von dem abweichen, was der Betrachter nachher noch sieht, weil er das Bild ja zu einem ganz anderen Zeitpunkt sieht? Mal schauen, ich bin dann mal weg… :-)

  3. Hallo Michael,

    danke für den interessanten Einblick. Bislang erfreue ich mich selbst eher an den Sonnenauf und -untergängen, aber dank deines Artikels werde ich mich demnächst mal zur blauen Stunde auf die Jadg nach Fotos machen.

    Viele Grüße
    marv

  4. Die Blaue Stunde ist schon faszinierend, ganz alltägliche Szenarien sehen dann plötzlich ganz anders aus. Ein schöner Artikel.

    „Als Fotograf kann man sich voll auf die Komposition konzentrieren. Es gibt keine Ablenkungen und ich selbst kann an solchen Abenden oder Morgen die Landschaft viel intensiver genießen, als wenn ich mit meinen Fotos spektakulärem Licht nachjagen würde. Zur blauen Stunde ist weniger oft mehr.“

    Das kann ich unterschreiben, das stimmt.

  5. Moin Michael,

    wieder ein schöner Bericht von Dir!

    Wurden bei den Bildern GrauverlaufsFilter benutzt, und wenn ja welche Stärken?

    Darauf bist Du leider nicht in Deinem Bericht eingegangen.

    Grüße aus Hamburg

    Tom

  6. Hallo Bärbel, ich
    bin Hobby-fotogr. und erst ganz am anfang. würde gerne besondere Bilder einfangen
    aber ich kann nicht mitder Technik umgehen. canon D6 – bin oft am velrzweifeln,
    weil ich motive hab und nicht die richtige einstellung hinbekomme.
    Sag mir, wie ich das mit dem langzeitbelichten hinkreige und die ,,blaue stunde,, einfangen kann.
    es sind z.b. bei mir um die Ecke im gespensterwald an der küste motive, die unendlich schön sind.

    danke für deine Infos.
    senden auf r.heinrich12@freemet-de

  7. Blogartikel dazu: Samstagsplausch {39.16} | karminrot-blog.de

  8. Blogartikel dazu: Samstagsplausch {39.16} – test.alltagsgarten.de