Landschaften
Wir haben die Natur entzaubert oder meinen es jedenfalls. […] Es ist heute gefährlicher, ein Glied der Gesellschaft zu sein als den Naturgewalten preisgegeben zu sein.1
Auf dieses Zitat des Theologen Hans Joachim Iwand stieß ich während einer Hausarbeit im Fach evangelische Theologie. Es ließ mich über meine eigene Fotografie und mein Verhältnis zur Natur nachdenken.
Ich stehe in einer Kölner Altbauwohnung, eine hippe Party mit hippen Leuten. Uwe gesellt sich zu mir: „Sag mal, was machst Du denn so für Fotos?“
Ich überlege kurz, passenderweise müsste ich jetzt so was antworten wie: Retro-Analogfotografie, experimentelle Portraits oder Straßenfotografie, um ein anerkennendes Kopfnicken zu bekommen. Stattdessen nuschele ich etwas beschämt: „Naja, so Landschaften, weißte, nix Dolles.“
Dabei ist es ganz einfach so: Ich fotografiere Landschaften, weil ich gern draußen bin. Und das ist gelogen, denn ich bin nicht einfach nur gern „draußen“.
War ich zu lange in der Stadt, zu lange in meiner Wohnung, zu lange umgeben von Beton und Menschen, dann habe ich das Gefühl, den Bezug zur Realität zu verlieren.
Umgeben von Menschen spüre ich ständig die Zwänge, die sich wie Blei auf die Seele legen. Die Verbote und Verpflichtungen, denen ich hier unterworfen bin, führen zu klaustrophobischen Zuständen.
Draußen bin ich befreit.
Draußen kann ich einfach sein.
Draußen fühlt sich mehr nach Leben an.
Draußen bekomme ich den Wechsel der Jahreszeiten mit.
Jeder Monat fühlt sich anders an.
Jeder Tag ist etwas Besonderes.
Mit jeder Stunde verändert sich die Stimmung, die Temperatur und die Menge des Lichtes. Draußen wird man nass, man friert, man steht mit dem Gesicht im Wind und wird von der Sonne gewärmt und getrocknet.
Wenn ich ein Bild von einer „schönen“ Berglandschaft mache, dann stehe ich in keiner kitschigen Postkarte, ich stehe vor einem massiven Berg, dessen Anblick in mir Ehrfurcht im wahrsten Sinne des Wortes hervorruft.
Wenn ich mir am Ufer eines Sees einen Sonnenuntergang ansehe, komme ich nicht zur Ruhe. Ich bin aufgeregt, ich versuche, so stark wie möglich dort zu sein, anwesend zu sein, dem Schauspiel beizuwohnen, alles in mich aufzusaugen und nichts von diesem kostbaren Moment zu verschwenden.
Die Kamera wird in diesem Moment zur Konservendose, in die ich möglichst viel von diesem Moment füllen möchte, um ihn zu konservieren.
Denn habe ich mich eine zeitlang den Elementen der Natur ausgesetzt, muss ich wieder zurück. Ich werde wieder zu einem Glied der Gesellschaft. Die Mauern und Regeln stumpfen den Geist nach und nach ab. Das einzige, was bleibt, sind die Konserven, die ich mitbringen konnte.
Von Zeit zu Zeit mache ich sie auf und erinnere mich an den Moment, den ich dort abgefüllt habe.
Ich sehe noch einmal die Landschaft, erinnere mich an die wärmende Sonne auf meiner Haut, an den Geruch nach Himbeeren im Nebelwald, an die Kraft von Wind und Wasser, die zwischen Segel und Ruder auf meinen Körper wirken, an die Angst, die ich in der Steilwand hängend überwinden muss und die Ruhe, die einen beim ersten Kaffee am Morgen vorm Zelt durchströmt.
Ich mache Landschaftsfotos und ich hoffe, sie schmecken!
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„Ich mache Landschaftsfotos und ich hoffe, sie schmecken!“, eindeutig ja, sie schmecken.
Fantastische Landschaftsaufnahmen werden uns hier präsentiert und oben drauf gibt es noch sehr treffenden Zeilen zu lesen.
Klasse!!!
Es lohnt sich auch mal den Fotostream bei Flickr anzuschauen, viele lohnende Werke warten da um betrachtet zu werden.
Gruß,
Andreas
Der junge Mann spricht mir aus der Seele! Danke. Bin schon wieder auf dem Weg raus, den frischen Morgen aufsaugen und den freien Tag genießen ;)
Oh wie schön. So viele wahre Worte! Herrlich. Ich kann es aus tiefsten Herzen nachvollziehen! Vielen Dank. You made my day.
So einfach kann es sein. Und die Begründung finde ich auf den punkt. Super
Hier stimmen Bilder und Text. Danke für’s Zeigen.
Wow, Bilder und Text ziehen mich in den Bann und überzeugen total, ein großartiger Artikel!!
Danke dafür und frohes Schaffen weiterhin!! :)
Toll, der Text inhaltlich wie auch von den Aufnahmen – absolute Zustimmung!!! :-)
Mir schmeckt´s – absolut superb!!!
Mich würde interessieren, welche Brennweiten Du in der Natur-/Landschaftsfotografie bevorzugt nutzt.
Grüße,
Martin
Wunderbarer Text – und was bin ich froh, daß ich nicht mehr in der großen hippen Stadt lebe, sondern mitten in dieser Natur, die ich jeden Tag neu entdecke – auch immer wieder durch die Kamera.
Sehr tolle Stimmungsvolle Fotos. Gefällt mir wirklich sehr gut.
Ich bewunder immer Fotografen, die es schaffen eine solche Stimmung bei Landschaftsfotos einzufangen.
Mir will das nie so recht gelingen ;-).
LG
Björn
*irony ON*
Dann guck dir mal in YouTube „Photoshop“ Tutorials an mit den Stichworten „HDR“, „Lichtstrahlen malen“, „Nebel simulieren“, „einen Schatten erzeugen“, „Dream Effekt Filter“, „Sturm und Regen erzeugen“, „Herbstlook erzielen“ etc.
*irony OFF*
Vor diesem Hintergrund ist es in der Digitalfotografie umso bemerkenswerter, wenn einem puristischen Naturfotografen solche stimmungsvolle Aufnahmen gelingen und nicht etwa Photoshop & Co.
Björn, versuch mal Dein Glück zur richtigen Uhrzeit (1-2 Stunden vor und nach Sonnenauf- und Sonnenuntergang) und/oder bei interessanter Wetterlage. :)
Klasse Bilder und klasse Text. Danke fürs Zeigen.
Grüße
Nora
Tolle, stimmungsvolle Bilder und ein sehr treffender Text! Gefällt mir!
Also ganz ehrlich – ich hab schlicht und ergreifend ne Gänsehaut. Was ich da lese, habe ich bisher unterbewußt gespürt…habe es aber nie in Worte kleiden können. Mir ist, als ob ein Schleier gefallen ist. Das trifft so dermaßen den Punkt bei mir – tausend Dank dafür Daniel!
Text und Bild harmonieren wunderbar – ganz nach meinem Gemschmack!
Klasse!
Bilder und Text harmonisieren perfekt und machen Lust, selbst rauszugehen
Sehr schön geschrieben (so wie ich es selbst empfinde) und großartige, stille Aufnahmen. Hip sein ist etwas flüchtiges, dem man ruhig etwas entgegensetzen sollte…
Hi Daniel,
schöne Gedanken zur Landschaftsfotografie. Das Gefühl kann ich zu 100% teilen. Ich bin gerne draußen, ich liebe die Natur, ich liebe die Fotografie – ich liebe die Landschaftsfotografie. Und ich habe oftmals das Gefühl, ich müsse mich dafür rechtfertigen „nur“ Landschaftsfotografie zu betreiben. Eine Stadt erschlägt mich. Viele Menschen sind mit zuwider. In der Natur bin ich bei mir.
Nur deine Fotos gefallen mir nicht. Da kann ich die Begeisterung meiner Vorredner leider nicht teilen.
Grüße
Stefan
Da bist du nicht allein. Ich teile diese Begeisterung auch nicht.
Dem schließe ich mich an.
Wobei ich zugeben muss, dass mir hier viele gehypte und gelobte Fotos nicht besonders gefallen. Ich finde sie oftmals zu „normal“, was gleichbedeutend mit „langweilig“ ist. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur ein Kretin, der die Kunst darin nicht sieht und versteht?
Gerade an einem Tag wie heute wirst du vielen aus der Seele sprechen. Doch auch im Herbst und Winter zieht mich der Wald magisch an. Genau wie auf deinen Bildern. Toll!
Der Text und die Fotos sind ganz wunderbar! Was für eine feine Arbeit mit leisen Tönen…
LG Tina
Danke für all die netten Kommentare, ihr seid toll :)
P.s.:
Martin: Ich nutze meist das 18-55 an meiner Canon Eos 550D
Vielen Dank, Daniel!
VG, Martin
Wunderbar, du sprichst mir aus der Seele. Seit einiger Zeit versuche ich selbst immer wenn es geht der Stadt zu entfliehen und draußen neues zu Entdecken. Aus genau den gleichen Gründen wie du: Raus aus dem Käfig. Ich kann deinen Text wirklich sehr gut nachvollziehen.
Die Bilder, die due dabei machst sind einfach fantastisch!
Dein Text hat mich sehr berührt und bewegt. Danke für die Einsicht in deine Gedanken und dass du deine wertvoll gesammelten Konserven mit uns teilst.
Andrea
Das sind mal andere Landschaftsfotos, Das ist nicht so der Mainstream, der mir schon durch jaworsky etc. gezeigt wird. Das sind richtig geile Fotos!
Du schreibst mir aus der Seele. Man muss sich öffnen und einen Sinn für sowas haben. Nicht jeder kann das verstehen, wie wir ticken, wenn wir den ganzen Tag bei Kunstlicht eingesperrt sind und vom Einkaufsradio wie in einem schlechten ScFi Film vollgedudelt und weichgekocht werden.
Wenn ich draußen bin, spüre ich, dass ich Lebe!
Die Konservendosen voller Erinnerungen habe auch ich.
Grüße
Raik
Also die Fotos haben durchaus Atmosphäre. Aber was soll denn das:
„Wir haben die Natur entzaubert oder meinen es jedenfalls. […] Es ist heute gefährlicher, ein Glied der Gesellschaft zu sein als den Naturgewalten preisgegeben zu sein.“ Das ist doch sinnfreier hipper fatalistischer Käse. Und das von jemanden der mit Behinderten arbeitet, Menschen die eben ohne „die Gesellschaft“ auf sich allein gestellt wären.
Oder muss man jetzt seinen Arbeiten unbedingt mit dramatischen Blödsinn einen Rahmen geben?
Anm. der Redaktion: Gelöscht. Bitte konstruktiv bleiben.
vielen Dank für diesen Beitrag und die Gänsehaut, die ich bekam als ich Wort für Wort meine eigenen Gefühle und Gedanken las….