Vulkanland – ein regionales Langzeitprojekt
Als ich 2014 die Idee zu diesem Fotoprojekt hatte, wusste ich sofort, dass es ein besonderes Projekt werden würde. Doch wie lange mich das Thema tatsächlich beschäftigen und was alles daraus entstehen würde, das stellte sich erst im Laufe der Zeit heraus. Um was es dabei geht, wie ich das Projekt umgesetzt und welche Erfahrungen ich dabei gemacht habe, davon möchte ich erzählen.
In der Vulkaneifel, wo ich aufgewachsen bin, dreht sich vieles um den Vulkanismus. Dabei sind nicht nur die bekannten Mineralwasserbrunnen, sondern auch die Landschaft mit den Maaren und Vulkanbergen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die grandiose Natur ist der Grund für den seit vielen Jahren andauernden Tourismusboom. Unbestritten ist der Vulkanismus für die Vulkaneifel identitätsstiftend.
Umso unverständlicher waren mir die Pläne, von denen ich 2014 erfuhr: Im Rahmen der neu aufzustellenden Regionalplanung war damals vorgesehen, die Abbauflächen für Basalt und Lava von 450 ha auf rund 2.150 ha zu erweitern. Zum Vergleich: Der Hambacher Forst hat eine Größe von rund 500 ha. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass ein großer Teil der landschaftsprägenden Berge davon betroffen sein würde. Die Region würde ihr Gesicht verlieren, die Eingriffe wären nicht mehr renaturierbar und angesichts der drohenden Katastrophe regte sich hier und da bereits Widerstand in der Bevölkerung.
Die Projektidee
Mir kam damals die Idee, meinen Ärger in positive Bahnen zu lenken und ein Fotoprojekt daraus zu machen: Ich würde die Vulkanberge – oder zumindest einige von ihnen – portraitieren. Dass das ein großes Thema ist, war mir sofort klar. Um ihm gerecht zu werden, habe ich mir gleich zu Beginn, noch bevor die Arbeit richtig losging, sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie die Serie am Ende aussehen sollte.
Es heißt ja, wenn man ein gutes Bild machen möchte, sollte man schon vor dem Auslösen eine Vorstellung davon haben, wie es hinterher aussehen wird. Dasselbe gilt natürlich auch für eine ganze Serie. Schließlich muss eine solche Arbeit am Ende inhaltlich und auch formal als ein in sich geschlossenes Werk daherkommen.
Die Bildsprache
Die erste Aufgabe war also, eine Bildsprache zu finden, die zum Thema passt und die dann auch konsequent beibehalten werden sollte. Wie sich auch schon aus dem Wortbestandteil „Sprache“ ableiten lässt, kommuniziert man über die Bildsprache mit dem Publikum. Wenn man also nicht nur für sich selbst fotografiert, so ist sie für das Gelingen eines Projektes von größter Bedeutung. Aber wie findet man die richtige Bildsprache?
In meinem Fall habe ich sie gleich im ersten Bild gefunden, das ich für die Serie gemacht habe und das später auch zum Titelbild werden sollte. Ich habe mir zunächst die Frage gestellt, ob das Ganze eher dokumentarisch und realistisch oder doch lieber gefällig daherkommen sollte. Außerdem, ob die Serie eher in Farbe oder in Schwarzweiß anzulegen wäre. Da ich die Leute erreichen wollte, brauchte ich ihre Aufmerksamkeit. Die bekommt man nicht, wenn man den Menschen das Motiv so zeigt, wie sie es ohnehin tagein und tagaus sehen.
Folglich entschied ich mich für eine gefällige Darstellung in Schwarzweiß mit einer rotbraunen Tonung. Die Berge würde ich – es handelt sich schließlich um Portraits – in den Mittelpunkt stellen. Aus den Bildern wollte ich soweit möglich alles heraushalten, was die Berge in der heutigen Zeit verhaftet. Mit dem Projekt hatte ich ja schließlich eine Botschaft zu überbringen, nämlich:
Seht Euch diese Berge an, die hier zeitlos und erhaben seit einer Ewigkeit in der Landschaft stehen. Wollt Ihr wirklich zulassen, dass sie in wenigen Jahren weggebaggert werden?
So kam ich dann auch noch auf die Idee, mit Langzeitbelichtungen zu arbeiten. Die über die Berge hinwegziehenden Wolken würden die Zeitlosigkeit noch unterstreichen. Die Berge stehen fest und unverrückbar in der Landschaft, während die Zeit über sie hinweg streicht.
Die Umsetzung
Das umzusetzen sollte mich jedoch mehr Zeit kosten, als ich zu Beginn dachte. Obwohl ich fast jeden Berg in der Region kenne, waren dennoch im Schnitt zwei bis drei Besuche vor Ort erforderlich, bevor ich überhaupt einen geeigneten Aufnahmeort gefunden hatte. Auf dem Bild sollten ja nur der Berg, Himmel und ein möglichst unauffälliger Vordergrund zu sehen sein. Desweiteren war ich wegen der Langzeitbelichtungen und des Wolkeneffekts auf bestimmte Wetterbedingen angewiesen: Es musste aufgelockert bewölkt sein und ich brauchte Wind.
An einigen Bergen schien es unmöglich, einen geeigneten Standpunkt zu finden. Diese Probleme habe ich mit Nachtaufnahmen oder Nebel gelöst. Das bringt dann auch nebenbei etwas Abwechslung in die Serie. Besonders bei der Hohen Acht, dem höchsten Berg der Eifel, fand ich keine Komposition, um diesem stolzen Berg gerecht zu werden. Als sie (oder er) sich dann eines Morgens bei Sonnenaufgang ganz zart in einem Nebelmeer zeigte, wusste ich, dass dies genau das richtige und passende Portrait dieses Bergs ist.
Präsentation
So hatte ich wegen des Aufwands für das Fotografieren nach zwei Jahren gerade einmal 20 Bilder zusammen. Es wurde Zeit, an die Öffentlichkeit zu gehen und die Bilder auszustellen. Das war von vornherein das Ziel, da ich selbst drucke und für mich Bilder oder eine Serie erst dann abgeschlossen sind, wenn sie an der Wand hängen, vom Publikum betrachtet werden und wenn ich mich idealerweise auch mit den Leuten darüber unterhalten kann.
Die Projektinformationen einschließlich eines kurzen Pressetextes und dreier Bilder hatte ich in einen geschützten Bereich auf meiner Webseite eingestellt. Bis dahin hatte ich das Projekt aus Sorge, dass mir jemand bei diesem tollen Thema zuvorkommen würde, geheim gehalten. Die Flyer und Ausstellungsplakate hatte ich selbst entworfen. Das Design habe ich später für weitere Ausstellungen in der Region beibehalten, so dass das Material irgendwann einen hohen Wiedererkennungswert hatte. Das Projekt hatte somit eine Art Corporate Design.
Anlässlich der Ausstellung habe ich dann noch bei einer Buchbindermeisterin eine maßgeschneiderte Portfoliokassette anfertigen lassen. Diese enthält 20 Drucke im Format A3. Sie ist mit einer zweiseitigen Inhaltsübersicht, Pergaminpapier und Baumwollhandschuhen ausgestattet und auf 20 Stück limitiert. Das Titelbild ist auf Hahnemühle Museum Etching gedruckt und im Deckel der Kassette in einer Art Sichtfenster eingearbeitet.
Für die Kassette und auch in den Ausstellungen habe ich übrigens für das interessierte Publikum zu jedem Bild die GPS-Daten des Berges und des Aufnahmestandortes angegeben. Außerdem ist der Aufnahmestandort in einer kurzen Beschreibung festgehalten. Einheimische und Urlauber*innen fanden dies sehr hilfreich, um selbst vor Ort auf Erkundungstour zu gehen.
Eigentlich hatte ich 2016 nach der ersten Ausstellung mit dem Thema abgeschlossen. Als jedoch der Eifelbildverlag ein Buch daraus machen wollte, konnte ich nicht widerstehen, auch wenn das bedeutete, dass ich noch viele weitere Bilder machen musste. Es ist naheliegend, dass der 2018 erschienene Bildband der Höhepunkt des Projektes ist. Bei der Gestaltung und Ausstattung haben wir Wert auf kompromisslose Qualität gelegt. Das verwendete Papier erinnert in seiner Haptik an das Hahnemühlepapier Museum Etching, auf das ich die Bilder der Ausstellung gedruckt hatte. Auch im Buch sind die Bilder wie in einem Fotoalbum durch Pergaminpapier getrennt.
Erfahrungen und Resümee
Wie eingangs erwähnt, konnte ich 2014 nicht ahnen, was alles auf mich zukommen und wie lange mich das Projekt beschäftigen würde. Zuletzt wurden die Bilder noch im September dieses Jahres in der Tufa Trier ausgestellt.
Vier Jahre lang habe ich sehr viel Aufwand betrieben – für das Fotografieren, aber auch für das ganze Drumherum. Was treibt einen dabei an? Es war natürlich das Thema, mehr aber noch war es ein Gedanke, der mich schon zu Beginn fesselte: Dies war mein Projekt und egal, was dabei am Ende herauskäme – ob es gelingt oder nicht – so wäre es in jedem Fall etwas, das ich alleine geschaffen habe und niemand sonst.
Ich bräuchte keine Kompromisse einzugehen, keine Diskussionen um die Gestaltung von Plakaten oder die Auswahl des Titelbilds zu führen. Ich würde mir Meinungen anhören, aber ich würde selbst entscheiden, ob ich sie berücksichtige oder nicht. Das habe ich bis heute beibehalten, soweit es um dieses Projekt geht.
Bei all dem Aufwand gab es auch viele Phasen mit Frust und Ärger über verschenkte Urlaubstage, an denen ich aus den unterschiedlichsten Gründen doch kein Bild hinbekommen habe, über schlechte Bedingungen vor Ort und ewig langes Warten, dass sich der dichte Nebel lichtet, dass endlich mal etwas Wind aufkommt oder dass irgendetwas Interessantes passiert.
Aber es gab auch diese vielen Glücksmomente, die Ihr hoffentlich kennt: nämlich dann, wenn sich die Dinge fügen, wenn plötzlich alles für ein gutes Bild passt. In mir kommt dann eine gewisse Feierlichkeit auf, ein Gefühl tiefster innerer Befriedigung und Zufriedenheit mit mir selbst und allem um mich herum. Dieses Gefühl ist berauschend und die wenigen Minuten, in denen man das erlebt, wiegen all die vielen mühseligen Stunden voller Arbeit mehr als auf.
So möchte ich abschließend alle, die die Fotografie mit Leidenschaft betreiben und die es sich irgendwie einrichten können, ermuntern, sich dem hinzugeben – vor allem dann, wenn Ihr ein Thema gefunden habt, für das Ihr brennt und das Euch wichtig ist.
Was aus den Vulkanen wird
Was wird aus den Vulkanbergen? Die Proteste der Bevölkerung fanden Gehör und bei den Beteiligten ist Vernunft eingekehrt. Der Kreistag des Vulkaneifelkreises hat letztendlich eine Resolution verabschiedet, in der man sich gegen die Erweiterung der Abbauflächen ausspricht. Es deutet alles darauf hin, dass dies in der neuen Regionalplanung so berücksichtigt wird und dass die Landschaft erhalten bleibt.
Informationen zum Buch
„vulkanland“ von Eddi Meier mit Texten von Peter May, Dr. Franz May und Dr. Tim Becker
Einband: Hardcover
Sprache: Deutsch
Seiten: 200 Seiten
Maße: 24 x 29 cm
Verlag: Edition Bildperlen
Preis: 59 €
Das Buch kann auch direkt bei mir bestellt und auf Wunsch signiert werden. Schreibt dafür einfach eine E-Mail an: info@eddimeier.de