Ubermütiger Filmanfang & andere verquere Dinge
Bevor ich im nächsten Jahr unsere provisorische Dunkelkammer etwas intensiver benutze, dachte ich mir, zum Jahresende passt es doch, ein paar filmische Querschläger als leichte Kost zu offenbaren.
Da hätten wir zum einen den übermütigen Filmanfang, der entsteht, wenn man den Film zu früh belichtet. Dann bekommt man nämlich ein halbes Bild geschenkt. Der untere Teil ist sichtbar und der obere Teil verschwindet in neblig zerfaserndem Weiß. Es erinnert ein bisschen an das Nichts aus der unendlichen Geschichte oder aber – wie beim unteren Bild – an ein Wolkengebilde, das ganz zufällig mit den Tropfen auf der Scheibe harmoniert.
Und da ich mir dachte, dass es sicherlich nicht nur mir so geht, habe ich einige Fotografen gefragt, was sie in ihren Negativordnern an kleinen Ungereimtheiten haben. Und ich freue mich sehr, Euch nun auf eine kleine persönliche Reise durch die fotografischen „Unfälle“ mitzunehmen. Und vielleicht entdeckt Ihr im Unperfekten kleine „Ahhs“ und „Ohhs“.
Foto: Oliver
Im Falle von Olivers Bild finde ich diesen Zufall sehr passend. Glühbirnchen und das zerfasernde Nichts darüber. Da könnten einem so einige philosophische Betrachtungen einfallen.
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Filmklammerkunst
Besonders hübsch sind aber auch Filmklammerlöcher. Wenn auf den Mittelformatfilm statt 12 doch 13 Bilder draufpassen, aber dann kein Platz mehr für die Aufhängung zum Trocknen des Filmstreifens ist, dann bekommt man dieses schöne Ergebnis.
Foto: Susann Probst
Nach dem Entwickeln und Herausnehmen des Films hat man nicht mehr viele Möglichkeiten des Aufhängens. Der Filmstreifen ist nass und je länger er in der Hand und an der Luft ist, desto eher kann sich Staub verfangen.
Also kneift man schnell am oberen Ende des Films die Klammern rein und ärgert sich dann vielleicht später, wenn das Bild doch eines der guten ist. Anderen ist das aber auch egal. Filmlöcher können ja manchmal auch rocken.
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Verschnitt
Wenn man seine Bilder bei Großlaboren entwickeln lässt, kann es auch schon einmal vorkommen, dass die Bilder an der falschen Stelle zerschnitten werden. Herr Beckmann war erfinderisch und setzte zwei falsche Filmteile einfach zu einem zusammen. Genannt hat er es: „Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Teile.“ (Der Titel bezieht sich auf das rechte Bild.)
Fotos: Rüdiger Beckmann
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Chemieunfall
Verstörend können kleine Chemieunfälle wirken. Wenn beim Entwickeln oder Abziehen einfach mal was daneben geht oder man irgendwas falsch gemacht hat. Der Zufall spielt dabei wieder eine große Rolle dafür, ob man danach völlig deprimiert oder verwundert ist. Unikate sind es dann in jedem Fall.
Foto: Nancy Eichler
Foto: Susann Probst
Foto: Rüdiger Beckmann
Das folgende Bild wirkt gar nicht wie ein Chemieunfall, sondern wie gewollt, aber auch hier ist etwas schief gegangen. Nach dem Entwickeln und vor dem Fixieren wurde der Deckel des Entwicklertanks aus Versehen ganz kurz geöffnet und danach fixiert.
Beim Wässern gab es dann eine Überraschung. Die oberste Schicht des Films und die Finger waren schmierig-silbrig und durch den Versuch, nach dem Trocknen das Schmierige noch mit Filmreiniger zu entfernen, sind dann diese hübschen Sternschnuppen entstanden.
Was genau der Grund für diesen Unfall ist, das Öffnen des Deckels oder ob der Film selbst nicht in Ordnung war, das lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Aber dass hier zufällig alles passt, Motiv und Struktur eine Gesamtheit bilden, das ist glückliche Fügung.
Foto: Marcel Pommer
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Lichteinfall
Holga-Besitzer kennen das „Problem“ und rechnen natürlich damit. Immerhin wird beim Verkauf der Holga oft schwarzes Tesa mitgeliefert, um die Filmklappe zu befestigen, da diese doch meist undicht ist und auch gerne mal aufspringt. Ich habe meine Holga nach solch einem Vorfall übrigens meiner Mitbewohnerin geschenkt.
Foto: Rüdiger Beckmann
Aber auch bei guten Kameras kann so etwas passieren, wenn die Kamera nicht dicht ist, man beim Filmeinlegen die Klappe nicht richtig verschlossen hat oder einem die Kamera runterfällt und die Klappe kurz aufspringt.
Beim unteren Bild war der Fotograf nicht dicht, weil er in dem Glauben, in der Kamera wäre kein Film, die Klappe öffnete. Einem gefühlt zu langem „Ähh..“ folgte hastiges Schließen. Wir danken dafür. Denn das Ergebnis ist hübsch. Redscale der anderen Art.
Foto: Marcel Pommer
Meiner Meinung nach haben solche Resultate gerade wegen des Unbeabsichtigten ein Kreativitätspotential. Ich überlege mir zum Beispiel, ob ich die halben Filmanfänge nicht mal absichtlich komponiere, muss aber zugeben, dass ich meine Chemieunfälle aus der Dunkelkammer unmittelbar danach direkt dem Mülleimer übergebe, um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, was ich da fabriziert habe. Aber vielleicht sollte ich solche Sachen demnächst einfach mal scannen.
Unser kleiner Ausflug durch die Welt der charmanten bis abstrusen Filmunfälle ist hiermit leider zu Ende. Ich hätte gern noch viel mehr gezeigt, denke aber, hier eine gute Auswahl getroffen zu haben.
Jetzt frage ich Euch: Bewahrt Ihr auch das eine oder andere Missgeschick in einem Ordner auf, weil es trotz oder gerade wegen einem kleinen Unfall etwas Besonderes geworden ist? Zeigt es uns!
Ein Dank geht an Susann Probst, Nancy Eichler, Oliver, Rüdiger Beckmann und Marcel Pommer für das Zeigendürfen ihrer kleinen Filmunfälle.
sehr schöner Artikel, Danke für die morgendliche Lektüre :)
oh das ist mir auch schon passiert, bzw. dem labor…
ich hatte da schon grosse feuer, die die portraitierten verbrennen, zeit-raum-blasen, die am 13ten mf bild die struktur durchbrechen und falsch geschnittene hatte ich erst richtig oft. meistens aergert man sich ersteinmal drueber, weil man denkt, es haette ja so perfekt sein koennen. aber naja, ich arbeite mit film. da sollte man (zumindest im anfang) vom unperfekten ausgehen. aber oft haben die bilder dann auch ihren reiz!
schoener artikel! du solltest wirklich lieber scannen statt wegwerfen! :)
Mir wurde dieses Jahr mal eine ganze Ladung Filme durch einen technischen Defekt im Labor zerkratzt, zerknittert, zerschreddert.
Als Entschädigung gab’s die Entwicklung umsonst, neue Filme, Gutscheine – und u.a. Ergebnisse wie dieses:
http://www.flickr.com/photos/derohlsen/5730014673/
für zerschredderte filme gibt es einen ersatz. ich mach dann lieber selbst den fehler, nur bei diafilmen bin ich auf großlabore angewiesen. bei nem zerschredderten film müssten die so einiges tun um mich ruhig zu stellen.
keinen. ich meine KEINEN ersatz.
:-)
Buongiorno, ein…zwei Espressi, dieser schöne Artikel, George Michael’s „Praying For Time“ und mein Tag fängt einfach perfetto an!!! ;-)
bei den Bronica filmen bringt es das Labor immer fertig, zum trocken die Klammern in das erste negativ zu hauen…
http://www.flickr.com/photos/ghostwriterd/4733970202/in/set-72157623402697661
aufgehende Holga:
http://www.flickr.com/photos/ghostwriterd/2179231632/in/set-72157600455293555
Rollfilm der sich plötzlich vor dem einlegen selbst abgerollt hat:
http://www.flickr.com/photos/ghostwriterd/4832378886/in/set-72157600455293555
Lichteinfall durch nicht antsändig aufgerollt hat und dann oben und unten übder den Plastikrahmen stand:
http://www.flickr.com/photos/ghostwriterd/3801486869/in/set-72157600455293555
einen noch vergessen, eingerollter Schaumstoff aus der Holga:
http://www.flickr.com/photos/ghostwriterd/5269949184/in/photostream/
Sehr schöner Unfall
was für schöne bilder!
von chemieunfällen und klammerlöchern kann ich leider nicht berichten. wohl aber von lichteinfällen, geöffneten kameradeckeln, verwirrten laboren bei mf-filmen (weil ich nicht vollständig bis zur nächsten nummer weiter gedreht hab) oder verhauten filmanfängen bzw. -enden.
ich brings jedenfall nicht über mich die verunglückten bilder einfach wegzuwerfen. ich scanne sie ein und freu mich immer wieder dran.
vg
natalie
Einmal alles zusammen, Lichteinfall, Entwicklung die daneben ging und und massiver Staub in der feuchten Emulsion:
http://www.flickr.com/photos/volzotan/6553291945/
„Glücklicherweise“ alles selbst vermurkst, das Fachlabor hat bisher noch nie Gründe zum Beanstanden gegeben.
ich hab leider keine Rechte, das Bild zu sehen…
Hier eine ungewollte Doppelbelichtung.
Das erste Bild ist die Beleuchtung der Tanzfläche und das zweite Bild ist dann von meinem Kumpel, dabei hab ich dann den Blitz verwendet. Zwischendurch hab ich vergessen den Film weiter zu drehen. Die gute alte HOLGA eben.
http://www.flickr.com/photos/arne-h/5800069772/in/photostream/lightbox/
Sehr schöner Beitrag und ganz nach meinem Geschmack.
Was die Holgas angeht, meine ich mich zu erinnern, dass solche mit Lichteinfall sogar teurer gehandelt werden, als intakte.
Folgend meine bescheidenen kleinen Unfälle, die ich gerade zur Hand habe:
Filmanfang und Lichteinfall: http://fav.me/dw6t2m
Lichteinfall: http://fav.me/d412sfw
Transportschwierigkeiten: http://fav.me/d412sdc
das holgas mit fehler teurer gehandelt werden als ohne ist mal wieder so typisch :D ich muss immer schmunzeln, wenn man mehr geld für so etwas ausgibt. ähnlich verhält es sich ja bei der original lomo. mehr als ein fünfer wäre mir sowas nicht wert :)
hübsche lichteinfälle!
lichtleck (rückwand kurz geöffnet)
http://www.flickr.com/photos/martin_jaeger/6207525325/in/photostream
spruch ins negativ geritzt:
http://www.flickr.com/photos/martin_jaeger/6150175929/in/photostream
also nix zufälliges ^^
ui, ins negativ hab ich noch nix geritzt.
einige dieser „Chemieunfälle“ haben auf jeden Fall ihren eigenen Reiz