konstruiertes Waldbild
05. April 2022 Lesezeit: ~4 Minuten

Die Bescheidenheit des Unterholzes

Maura Jamiesons Serie „The Understory“ zeigt konstruierte Bilder, die die tief in unserer Kultur und Gesellschaft verwurzelten Vorurteile über Landschaft, Erinnerung und Schönheit des Waldes in Frage stellen. Hinter dem vom Menschen überromantisierten Ort stecken komplexe Artengemeinschaften, die gerade mit Blick auf den Klimawandel eine besondere Rolle spielen.

Das emotionale Band, das zwischen dem Wald und unserer menschlichen Psyche besteht, ist unbestreitbar. Es handelt sich um einen Ort, der gleichzeitig sowohl mit Zuflucht als auch Gefahr assoziiert wird. Das zeigt den Einfluss, den der Wald auf unsere Kultur und unsere Vorstellungskraft hat, und die Art und Weise, wie er sie seinerseits geformt hat, um unseren Bedürfnissen zu entsprechen.

aufgereihte Blumen

Schon das Wort „Landschaft“ selbst bezeichnet seit seinen etymologischen Anfängen ein vom Menschen geschaffenes Artefakt. Damit verbundenen waren immer auch kulturelle Wertschöpfungsprozesse – die „Landschaft“ ist eine lebendige Verbindung zwischen dem, was wir waren und dem, was wir geworden sind.

Wälder bieten einen wichtigen Schutz gegen den Klimawandel und sorgen für die Widerstandsfähigkeit der betroffenen Ökosysteme. Das Potenzial der Wälder, CO2 aus der Atmosphäre zu binden und gleichzeitig eine Vielzahl anderer Vorteile für die biologische Vielfalt und nicht zuletzt auch menschliche Gesellschaften zu bieten, wird zunehmend anerkannt.

Die Zerstörung von Wäldern und der Verlust von Lebensräumen bedrohen unsere Zukunft. Investitionen in die nachhaltige Wiederherstellung von Wäldern sind daher ein wesentlicher Bestandteil im Wettlauf zur Erhalt der biologischen Vielfalt auf dem Planeten Erde.

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aufgereihte Blumen

„The Understory“ basiert auf einer Reihe von Landschaftsfotos, die in den Surrey Hills und in Wester Ross in den schottischen Highlands aufgenommen wurden. Birkenwälder sind in Wester Ross bei weitem am häufigsten anzutreffen, Wälder aller Größen kommen in der Nähe von Bergkuppen und Küstenregionen vor.

Diese Bäume beherbergen dort wie überall auf der Welt eine Vielzahl von Insekten, Pilzen und Flechten. Diese lokalen Wälder bieten wichtige (Über-)Lebensräume für prioritäre Arten wie Tüpfelfliegenschnäpper, Gimpel und Singdrossel und auch für Schmetterlinge wie den Perlmutterfalter.

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aufgereihte Blumen

Mittels der Serie „The Understory“ möchte Maura Jamieson das Bewusstsein für bescheiden und unauffällig daherkommende Wildpflanzen schärfen, die so sehr von einem gesunden, vielfältigen Wald abhängig sind und sich ihrerseits wiederum auf die biologische Vielfalt auswirken können.

Vor allem die Buschwindröschen kommen nur in alten Wäldern vor. Ein Lebensraum, der dringend geschützt werden muss. „Das Unterholz“, das der Serientitel übersetzt bezeichnet, ist nicht nur das, was wir sehen, sondern kann auch eine neue Sichtweise sein, die dem Wald und den Pflanzen, die unter dem Kronendach wachsen, einen Wert zuschreibt.

konstruiertes Waldbild

aufgereihte Blumen

Die Technik der digitalen Collage bietet Maura Jamieson die Möglichkeit, die Welt neu zu interpretieren. Aus ihren Aufnahmen von Wäldern konstruiert sie eine neue, fantastische Version der realen Vorlage des Waldes, die unserer kulturellen Verklärung von Wäldern so auch einen Spiegel vorhält.

Sowohl kameralose als auch mit Objektiven arbeitende Fotografie, analoge und ebenso digitale Prozesse sind Teil von Maura Jamiesons Bildgestaltung. Landschaften, Erinnerungen, Portraits und die Auseinandersetzung mit Orten haben sich als vorherrschende Themen in ihrer fotografischen Arbeit herausgebildet.

konstruiertes Waldbild

Die Vorstellung von „The Understory“ an dieser Stelle geschieht gewissermaßen stellvertretend auch für die anderen Arbeiten von Maura Jamieson. Sie hat ein feines Gespür dafür, in konzeptuellen Serien Aspekte in den Verhältnissen des Menschen zu seiner Umgebung zu untersuchen – dabei rücken sowohl Naturräume als auch Behausungen in ihren Blick.

„Inverted“ etwa untersucht das sich verändernde Gleichgewicht zwischen der natürlichen Welt und unserem häuslichen Umfeld. In „Light Interiors“ überlagert sie projizierte Erinnerungsbilder auf gegenwärtige Zuhause. „Flotsam & Jetsam“ betrachtet das alltägliche Strandgut unserer Wohnungen unter dem Aspekt der schädlichen Langlebigkeit im Kontrast zu organischem Material.

aufgereihte Blumen

Maura Jamieson begann ihre Ausbildung in Glasgow und zog dann nach Plymouth, wo sie an der Plymouth Art School weiter Fotografie studierte. Heute lebt und arbeitet sie in London als lehrende sowie praktizierende Fotografin. Dabei jongliert sie ständig die vielfältigen Anforderungen ihrer Tätigkeit als Dozentin und ihre persönlichen Arbeiten.

Weitere von Maura Jamiesons Arbeiten findet Ihr auf ihrer Webseite oder auch bei Instagram.

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