Krieg Lagerszene
01. April 2022 Lesezeit: ~10 Minuten

Wer war Mathew Brady?

Mathew Brady nutzte die noch junge Fotografie, um neben berühmten amerikanischen Persönlichkeiten auch den Amerikanischen Bürgerkrieg möglichst umfassend zu dokumentieren. Obwohl er so zum Vater der Promi-Fotografie und des Fotojournalismus wurde, endete sein Leben einsam und tragisch.

Nicht zuletzt, da Geburtsurkunden in den USA erst im Laufe des 20. Jahrhunderts regulär ausgestellt wurden, sind ein paar Eckdaten von Mathew Bradys Leben unklar. So etwa, wann genau im Zeitraum 1822 bis 1824 er geboren wurde, ob dies in Lake George in New York oder noch in der Heimat seiner Eltern, die aus Irland eingewandert waren, geschah und ob er tatsächlich den zweiten Vornamen Benjamin trug oder sich das Mittelinitial „B.“ nur zum Schmuck zugelegt hatte.

Mathew Brady

Mathew Brady ca. 1860 (links) und 1875 (rechts)

Mathew Brady

Auch über weitere Details seiner Kindheit und Jugend ist nichts bekannt. Im Alter von ca. 16 Jahren ging er jedenfalls nach New York City und studierte dort zunächst Malerei bei dem bekannten Portraitmaler William Page. Dieser wiederum hatte die Kunst von Samuel F. B. Morse erlernt, mit dem der junge Mathew Brady dann auch schnell bekannt wurde.

Morse, unter anderem auch zu etwa dieser Zeit Erfinder des Schreibtelegrafen („Morseapparat“), hatte ebenfalls einige Zeit lang versucht, seinen Lebensunterhalt als Maler zu verdienen. Im Jahr 1839 hatte er in Europa die Daguerreotypie von Daguerre höchstpersönlich erlernt und die Technik in die USA gebracht. Dort machte er sich um ihre Verbreitung verdient und gab das technische Wissen dazu an viele Schüler weiter – unter ihnen Mathew Brady.

PortraitPortrait

Obwohl viele Originalfotos auf Glasplatten in einem bedauernswerten Zustand sind, ist die überragende technischne Qualität der Aufnahmen deutlich erkennbar.

Bereits im Jahr 1844 eröffnete er sein erstes eigenes Fotostudio. Im Laufe seines Lebens sollten es insgesamt vier Studios werden, die er auf der Höhe seiner Karriere parallel betrieb: Zwei in New York und zwei weitere in Washington. Brady hatte die Idee, möglichst viele bekannte Amerikaner*innen zu fotografieren. Dies waren die ersten fotografischen Arbeiten, die ihm schon ab 1845 zu Anerkennung verhalfen und die er so erfolgreich ausstellen und vermarkten konnte.

Um das Jahr 1850 lernte er Juliet Handy kennen und heiratete sie. Das Paar blieb kinderlos, kümmerte sich aber um Juliets Neffen Levin, der nach Mathew Bradys Tod auch dessen Geschäfte übernahm und weiterführte. Daher befindet sich der Nachlass der Studios heute auch unter dem Namen „Brady-Handy Collection“ in der Library of Congress.

PortraitPortrait

Nachdem Brady zuerst die Daguerreotypie erlernt hatte und auf dieser fotografischen Technik sein Geschäft aufgebaut hatte, blieb er weiterhin auf dem Laufenden, sodass er in den 1850er Jahren Ambrotypien erstellte und schließlich auch den Albumindruck verwendete, mit dem es möglich war, von Glasnegativen Papierabzüge zu erstellen.

Im Verlauf der 1850er Jahre kamen die bekannten Cartes de Visite auch in den USA in Mode. Die handlichen Portraitfotografien lockten Prominente ebenso wie die kleinen Leute in die Fotostudios, wo sie zum Verschenken Fotografien von sich selbst oder der Familie erstellen ließen oder auch fertige Karten mit dem Konterfei bekannter Menschen kauften.

PortraitPortrait

In dieser Zeit – sehr lange vor dem Internet, lange vor dem Fernsehen und noch einige Zeit vor Erfindung des Radios – hielt mit diesen Karten im Visitformat die Fotografie Einzug in den Alltag der Menschen. Die Möglichkeiten, die die noch junge Fotografie bot, erkannte unter anderem ein bis dahin relativ unbekannter Lokalpolitiker aus dem Norden – Abraham Lincoln.

Kurz vor dem Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs ließ er sich zum ersten Mal von Mathew Brady fotografieren und nutzte seine markante Wiedererkennbarkeit auch zur Vermarktung der eigenen Person im Präsidentschaftswahlkampf von 1860, den er – vielleicht auch durch die Macht der Fotografie – schlussendlich gewann.

Abraham Lincoln

Abraham Lincoln am 27. Februar 1860 zu seiner Rede vor der Cooper Union.

Abraham Lincoln

9. Februar 1864

Lincoln ließ sich rund vierzig Mal von Mathew Brady fotografieren. Da die Bilder auch als Vorlage für Lincolns Portraits auf Briefmarken und der 5-Dollar-Note dienten, wurden die Fotografien so im doppelten Wortsinn zu den bekanntesten Bildern von Abraham Lincoln und auch Mathew Brady.

Als der Amerikanische Bürgerkrieg begann, konnte Mathew Brady sich zunächst darüber freuen, dass viele junge Soldaten, die in den Krieg geschickt wurden, vorher noch bei ihm fotografiert werden sollten. Im Fall des Falles wollte die Familie ein Andenken haben. Es klingelte also in der Kasse des Fotostudios – doch Mathew Brady hatte noch eine Idee.

Illustration Fotostudio Galerie

Mathew Bradys Studio nach einer Illustration von Albert Berghaus, 1861.

Edgar Allan Poe

My wife and my most conservative friends had looked unfavorably upon this departure from commercial business to pictorial war correspondence, and I can only describe the destiny that overruled me by saying that, like Euphorion, I felt that I had to go. A spirit in my feet said “go”, and I went.

Mathew Brady hatte sich in den Kopf gesetzt, diesen Krieg in geradezu epischer Breite fotografisch zu dokumentieren. Er stellte das Vorhaben Präsident Lincoln vor, der ihm genehmigte, zum Fotografieren an der Front zu sein. Allerdings unter der Bedingung, dass der Fotograf das Unternehmen selbst finanzierte.

Walt Whitman

Walt Whitman

Henry Ward Beecher

Henry Ward Beecher

Er verlegte also sein Fotostudio aufs Schlachtfeld und fotografierte den Alltag der Soldaten, die Vorbereitungen sowie Augenblicke kurz vor den Schlachten und auch den teilweise drastischen Zustand der Leichen auf den Schlachtfeldern nach dem blutigen Aufeinandertreffen der Truppen. Lediglich die Schlachtszenen als solche konnten mit den damals noch nötigen, langen Belichtungszeiten nicht festgehalten werden.

Als sich abzeichnete, welche geografische Breite und zeitliche Länge dieser kriegerische Konflikt haben würde, beschäftigte Mathew Brady mehr als 20 Assistenten, die er mit mobilen Dunkelkammern ausstattete und zu den vielen Orten der Auseinandersetzungen schickte.

Mann am Ufer eines Flusses

drei Männer

Anfangs war Brady oft noch so nah am Geschehen, dass er selbst unter Beschuss oder beinahe in Gefangenschaft geriet. Bald schon blieb er jedoch den überwiegenden Teil der Zeit in Washington, koordinierte von dort aus den Einsatz seiner Assistenten und kümmerte sich um die Publikation der Aufnahmen.

So wurde er zu einem der wichtigsten Chronist des Bürgerkrieges und einem der ersten Kriegsfotograf*innen überhaupt. Dass seine Sehfähigkeit bereits in den 1850er Jahren nachzulassen begonnen hatte, dürfte einer der Gründe sein, weshalb er eher als Foto-Unternehmer agierte und darum bemüht war, den Namen Brady als Marke seines Studios zu etablieren.

Die Wichtigkeit der tatsächlichen Urheberschaft eines Bildwerkes im heutigen Sinne entwickelte sich erst später, doch auch zu Lebzeiten wurde Mathew Brady schon dafür kritisiert, all die von seinen Assistenten gemachten Aufnahmen ausschließlich unter dem Namen des Studio Brady zu veröffentlichen. Über diesen Streit verließen einige der Männer seine Dienste auch wieder und machten sich eigene Namen.

Offizier posiert vor einem Zelt

Soldat auf Pferd vor Zelten und Gebäuden

Warum Mathew Brady leider auch keine internen Aufzeichnungen darüber führte, welcher Fotograf welche Bilder wo und wann genau aufgenommen hatte, ist nicht bekannt. Möglicherweise war es Absicht oder mangelndes Interesse, es könnte aber auch sein, dass Mathew Brady Legastheniker oder sogar Analphabet war.

Im ersten Moment erscheint dies unwahrscheinlich, da er mehrere Studios sowie Dutzende Assistenten organisierte, doch wäre er nicht das erste erstaunliche Beispiel dieser Art. Allerdings ist es auch extrem ungewöhnlich für einen Mann seiner Position und seiner Zeit, keine Aufzeichnungen, Tagebücher oder Briefe zu hinterlassen. Gerade der postalische Austausch mit Kolleg*innen war gang und gäbe.

Nichtsdestotrotz hat Mathew Brady so eine der wichtigsten historischen Quellen zum Amerikanischen Bürgerkrieg geschaffen und half so der Öffentlichkeit und den Historiker*innen bis heute, diesen Abschnitt der amerikanischen Geschichte zu ver- und bearbeiten.

Soldaten in zerstörten Gebäuden

Lager mit Soldaten

Während der vier Kriegsjahre erstellte Mathew Brady (vor allem durch seine Assistenten) etwa 10.000 Aufnahmen und investierte in dieses Unterfangen über 100.000 Dollar – diese Summe entspräche heute deutlich über 1,5 Millionen Dollar. Er hatte fest damit gerechnet, dass die Regierung nach dem Ende des Krieges seine Fotos kaufen würde.

Doch es gab nur noch wenig Interesse an den Bildern. Die Öffentlichkeit wollte dieses dunkle Kapitel lieber vergessen, es existierten nur wenige Sammler und die Regierung wollte seine Bilder in dieser gesellschaftlichen Stimmung auch nicht erwerben. So war Mathew Brady gezwungen, sein Studio zu verkaufen und meldete Konkurs an.

zwei Soldaten

Kriegsszene

Aus diesem finanziellen Rückschlag konnte er sich nicht mehr herausarbeiten. Seine Verschuldung war so groß, dass auch die 25.000 Dollar, die der Kongress ihm zehn Jahre später dann doch für die 6.000 noch in seinem Besitz befindlichen Bilder des Krieges zahlte, ihm nicht helfen konnten, wieder auf die Beine zu kommen.

So war er deprimiert von seiner finanziellen Situation, durch den immer weiter fortschreitenden Verlust seines Augenlichts der verbliebenen beruflichen Möglichkeiten beraubt und auch noch mit dem Tod seiner Frau 1887 vom Schicksal weiter gebeutelt in die Alkoholsucht getrieben worden.

Leiche eines Soldaten

Schlachtfeld mit Leichen

1895 brach er sich beide Beine bei einem Straßenbahnunfall, von dem er sich nicht mehr vollständige erholte. Er starb einsam und verarmt Anfang des Jahres 1896 an den Komplikationen. Sein Begräbnis wurde von Veteranen finanziert.

 

Quellen und weiterführende Literatur