Zwei Männer bedienen eine Kamera.
03. Oktober 2023 Lesezeit: ~41 Minuten

George Eastman und Kodak

George Eastman war das typische Beispiel eines amerikanischen „Self-made man“, der es binnen weniger Jahre vom Botenjungen über den Buchhalter zum Direktor eines multinationalen Konzerns von Weltgeltung schaffte. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend und ohne abgeschlossene Schulausbildung, gelang ihm dies mit unermüdlichem Fleiß, Erfindungsreichtum, Hingabe und unternehmerischem Geschick.

Sein Name und der des von ihm aufgebauten Konzerns Kodak ist dank einfach zu handhabender Kameramodelle mit der Entwicklung der Fotografie „für jedermann“ ebenso verbunden wie mit der Erfindung des Rollfilms, des analogen Kinofilms, des Tonfilms sowie des Farb- und des Diafilms. Als Multimillionär spendete er große Teile seines Vermögens für wohltätige Zwecke in den Bereichen Bildung und Gesundheit, hatte dabei aber auch seine dunklen Seiten.

Selbst Jahrzehnte nach dem Tod von Eastman war und blieb Kodak der unangefochtene Weltmarktführer auf dem Gebiet der analogen Fotografie, bis eine unternehmerische Fehlentscheidung den Absturz des Unternehmens in die fast völlige Bedeutungslosigkeit einleitete.

Hausfassade mit großem Schriftzug „Kodak“.

Kodak Building in der Clerkenwell Rd., London 1902.

Kindheit und Jugend

George Eastman wurde am 12. Juli 1854 als jüngstes von drei Kindern seiner Eltern George Washington Eastman und Maria Kilbourn auf der kleinen Farm der Familie in Waterville im US-Bundesstaat New York geboren, wo sein Vater eine Obstbaumschule betrieb.

Im Alter von fünf Jahren zog er mit der Familie nach Rochester, weil sein Vater beabsichtigte, dort mit dem Eastman Commercial College eine Wirtschaftshochschule zu gründen. Das Unternehmen scheiterte jedoch, da der Vater erkrankte und im April 1862 verstarb.

Um das wirtschaftliche Überleben der Familie zu sichern und den weiteren Privatschulbesuch ihres Sohnes zu ermöglichen, betrieb die Mutter ein Gästehaus. Als auch noch seine Schwester Katie an Polio erkrankte, brach der 14-jährige George Eastman vorzeitig die Schule ab und suchte sich eine Beschäftigung, um zum Familienunterhalt beizutragen.

Seinen ersten Job fand er als Botenjunge bei einer Versicherung, die ihm 3 USD pro Woche zahlte. Ein Jahr später wurde er Bürogehilfe bei einer anderen Versicherung. Nachdem er sich dort eigeninitiativ in das Ablagesystem und die Ausstellung von Versicherungspolicen eingearbeitet hatte, erhöhte sich sein Lohn auf 5 USD pro Woche.

Dies reichte jedoch noch immer nicht für den Unterhalt der Restfamilie aus. Eastman brachte sich deshalb im abendlichen Selbststudium Buchhaltung bei, um eine besser bezahlte Stellung antreten zu können. Diese fand er 1874 als Angestellter bei einer Bank in Rochester, wo er dann 15 USD pro Woche verdiente.

Portrait

George Eastman im Alter von 13 Jahren, unbekannte*r Fotograf*in. Courtesy by George Eastman Museum.

Portrait

George Eastman im Jahr 1890, Foto von Nadar. Courtesy by George Eastman Museum.

Aller Anfang ist schwer

Im Alter von 24 Jahren plante Eastman einen Urlaub in Santo Domingo. Auf Anregung eines Arbeitskollegen wollte er die Reise fotografisch dokumentieren. Er machte deshalb für 5 USD einen Fotokurs und kaufte sich eine Plattenkamera. Das Gerät hatte in etwa die Größe eines Mikrowellenofens und bedurfte für seinen Einsatz eines entsprechend stabilen und schweren Stativs.

Ferner musste sämtliches Zubehör erworben und mitgeführt werden, das seinerzeit benötigt wurde, um Nassplatten unmittelbar vor jeder Aufnahme mit einer lichtempfindlichen Emulsion zu bestreichen und sie sofort nach der Belichtung zu entwickeln und zu fixieren, bevor sie austrockneten. Außerhalb einer Dunkelkammer musste dafür ein lichtdichtes Zelt verwendet werden.

Außerdem mussten für einen Außeneinsatz sämtliche Chemikalien in Glasgefäßen sowie Wasser, Schalen für die fotografischen Bäder und schwere Plattenhalter mitgeführt werden. Die komplette Ausrüstung hatte nach Eastmans Schilderung den Umfang und das Gewicht einer ganzen Packpferdeladung.

Brücke über einen Fluss, am Ufer Gebäude einer Stadt.

Eine der ersten Fotografien von George Eastman, Blick auf den Genesee River, Ambrotypie, 1877. Courtesy by George Eastman Museum, Schenkung von George Dryden.

Ein Mann fotografiert.

George Eastman an Bord der S. S. Gallia, mit einer Kodak Nr. 2 fotografierend. Foto von Fred Church, 1890. Courtesy by George Eastman Museum.

Vom Erfinder zum Unternehmer

Eastman schaffte es zwar nicht nach Santo Domingo, aber sein nachhaltiges Interesse an der Fotografie war geweckt. So machte er sich daran, den bis dahin komplizierten Nassplattenprozess zu vereinfachen.

Aus englischen Zeitschriften erfuhr er, dass man zum Fotografieren mittlerweile eigene Gelatine-Emulsionen herstellen konnte, die den Vorteil hatten, dass man sie auch noch belichten konnte, nachdem sie getrocknet waren. Man konnte damit mehrere Glasplatten auf Vorrat beschichten und erst später in aller Ruhe damit Aufnahmen machen.

Mit einer Rezeptur, die er einem dieser Journale entnommen hatte, begann Eastman damit, eigene Gelatine-Emulsionen herzustellen. Tagsüber arbeitete er in der Bank und nachts experimentierte er in der mütterlichen Küche. Nach Schilderungen seiner Mutter war er dabei manchmal so müde, dass er es nicht mehr bis ins Bett schaffte, sondern sich vollständig angekleidet auf einer Decke neben dem Herd schlafen legte.

Nach drei Jahren gelang ihm um das Jahr 1880 herum der Durchbruch. Er hatte nicht nur ein neues Trockenplattenverfahren entwickelt, sondern gleich auch noch eine dazugehörige Maschine, mit der man eine große Anzahl von Glasplatten auf einmal vorbereiten konnte.

Er erkannte auch die geschäftlichen Möglichkeiten, die sich ihm boten, wenn er die gebrauchsfertigen Platten an andere Fotograf*innen verkaufen würde. Eastman reiste deshalb nach London, wo sich damals die Zentren der Fotografie und der Geschäftswelt befanden und ließ sich dort seine Plattenbeschichtungsmaschine patentieren. Ein Jahr später erhielt er darauf auch das amerikanische Patent.

Katalogseite mit Illustration einer Kamera.

Seite aus einem illustrtierten Katalog mit Preisliste der Eastman Dry Plate and Film Company, 1886. Internet Archive

Werbeanzeige der Eastman Dry Plate and Film Company.

Werbeanzeige der Eastman Dry Plate and Film Company.

Im April 1880 mietete er in Rochester die dritte Etage eines Geschäftshauses an und begann damit, Trockenplatten in größeren Stückzahlen herzustellen und zum Verkauf anzubieten. Von seinen ersten Einnahmen schaffte er für 125 USD eine gebrauchte 2-PS-Antriebsmaschine für die Produktionsanlage an, die anfänglich überdimensioniert war. Eastman bewies jedoch schon damals unternehmerischen Weitblick: Die Maschine war günstig gewesen und er baute darauf, dass sich das Geschäft noch ausweiten werde. Er sollte Recht behalten.

Der Erfolg des Trockenplattenverfahrens hatte die Aufmerksamkeit des Geschäftsmanns Henry A. Strong geweckt, der deshalb Geld in das aufstrebende Unternehmen investierte. Am 1. Januar 1881 gingen Eastman und Strong eine Partnerschaft ein und nannten die Firma „Eastman Dry Plate Company“. Strong wurde bis zu seinem Tod im Jahre 1919 ihr Präsident, Eastman Schatzmeister sowie Geschäftsführer.

Ende desselben Jahres kündigte Eastman seinen Job bei der Bank, um sich von nun an vollständig um die neue Firma und ihre Geschäfte zu kümmern. Dabei beschränkte er sich nicht auf die Geschäftsführung, sondern setzte daneben seine Forschungsarbeiten fort, um die Fotografie für die Anwender*innen weiter zu vereinfachen.

Kurzzeitig drohte das Unternehmen in eine frühe Insolvenz zu schlittern, als durch eine unzureichende Verpackung zahlreiche Fotoplatten beim Versand an die Kund*innen unbrauchbar wurden. Der Fehler konnte aber noch rechtzeitig behoben werden und von da an lief das Geschäft.

Patentzeichnungen eines Filmrollenhalters.

George Eastmans und William H. Walkers Patent eines Rollenhalters für fotografischen Film, 1885. Google: Patent US317049

Flexibel muss es sein

Eastmans weitere Bemühungen zielten darauf ab, die vergleichsweise schweren und zerbrechlichen Glasplatten durch ein leichteres und flexibles Trägermaterial für die lichtempfindliche Emulsion zu ersetzen. Sein erster Ansatz war es, Papier damit zu beschichten und dieses dann in einen Rollenhalter zu laden, der anstelle der Glasplattenhalterung hinter die Kamera montiert werden konnte.

1883 überraschte Eastman den Fachhandel mit der Ankündigung eines Films in Rollen, dessen Halterung sich an nahezu alle damals auf dem Markt befindlichen Plattenkameras anpassen lassen sollte. Folgerichtig firmierte das Unternehmen 1884 unter der erweiterten Bezeichnung „Eastman Dry Plate and Film Company“ und hatte bereits 14 Anteilseigner.

1885 wurde bereits die nächste Generation des „Rollenfilms“ mit höherer Empfindlichkeit angekündigt und damit beworben, sie böte nicht nur einen vollwertigen Ersatz für Trockenplatten, sondern eigne sich auch für den Einsatz außerhalb eines Fotostudios, also ohne künstliche Beleuchtung. Im selben Jahr erwarb Eastman das entsprechende Patent.

Patentzeichnungen einer Kamera.

George Eastmans Patent der Kodak Nr. 1, 1888. Google: Patent US388850A

Das neue fotografische Verfahren unter Verwendung von Rollenhaltern war sofort erfolgreich. Jedoch erwies sich Papier als Trägermaterial nicht als ideal, weil seine Oberflächenstruktur auf den Abzügen zu erkennen war. Eine Lösung für dieses Problem hatte glücklicherweise William Walker erfunden:

Sie bestand darin, das Papier zunächst mit einer Schicht aus reiner, wasserlöslicher Gelatine zu überziehen und erst darauf die wasserunlösliche, lichtempfindliche Gelatineschicht aufzutragen. Nach der Belichtung und Entwicklung wurde die Filmschicht vom Trägermaterial abgelöst, auf eine neue Schicht aus reiner Gelatine übertragen und mittels Kollodium damit verklebt.

Auf diese Weise erhielt man einen stabilen aber flexiblen Negativ-Film (sogenannten „Stripping-Film“). Eastman kaufte Walker dessen Erfindung für 40.000 USD ab und meldete sie zusammen mit ihm zum Patent an. Das war die Geburtsstunde des transparenten „Eastman American Film“.

Nachdem er dieses Verfahren sowie die Rollenhalterung weiter verbessert hatte, stellte Eastman die gesamte Ausrichtung des Unternehmens darauf um. Er ging davon aus, dass Rollfilm alsbald das immer noch gebräuchliche Trockenplattenverfahren vollständig ablösen würde, sah sich in dieser Annahme jedoch zunächst enttäuscht.

Kamera

Kodak Nr. 1, 1889–1895. Courtesy by George Eastman Museum.

Kamera mit Filmrollenhalter

Kodak Nr. 1 mit Filmrollenhalter, 1889–1895. Courtesy by George Eastman Museum.

Filme und Apparate für jedermann

Eastman erkannte indes schnell, dass die weitere Entwicklung des Unternehmens maßgeblich davon abhing, die Fotografie massentauglich zu machen. Fotografieren musste nach seiner Vorstellung zu einer „alltäglichen Angelegenheit“ und der Gebrauch einer Kamera „so selbstverständlich wie der Umgang mit dem Bleistift“ werden.

Dafür bedurfte es außer des Rollfilms auch eines Fotoapparats, der kostengünstig, einfach zu bedienen und leicht überallhin mitzunehmen war. Kodak weitete deshalb sein Geschäftsfeld auf die Herstellung von Kameras „für jedermann“ aus. Die berühmte „Kodak No. 1“ kam 1888 auf den Markt und war so ein Gerät.

Die Kamera war leicht zu tragen, „narrensicher“ in der Bedienung, konnte aus der Hand, also ohne Stativ, benutzt werden, kostete nur 25 USD – damals etwa der Monatslohn eines Fabrikarbeiters – und war beim Kauf bereits mit einem Film geladen, der 100 Aufnahmen ermöglichte.

War der Film voll, wurde er mitsamt der Kamera zu Kodak in Rochester eingeschickt, wo der Film entnommen, entwickelt und davon – natürlich auf Fotopapier von Kodak – Abzüge hergestellt wurden. Sodann wurde die Kamera mit einem neuen Film bestückt und wieder zurückgeschickt. All das für einen Pauschalpreis von 10 USD.

Kamera mit Kiste, Tasche und Filmen.

Kodak Nr. 1 mit Filmen, Tasche und Holzkiste als Verkaufs- bzw. Lagerverpackung, 1889–1895. Courtesy by George Eastman Museum.

Verpackung von Filmrollen

Verpackung von Filmrollen für die Kodak Nr. 1, 1889–1895. Courtesy by George Eastman Museum.

Kodak hatte damit – ähnlich wie jetzt etwa Apple – ein in sich geschlossenes Produkt-Universum geschaffen, innerhalb dessen der Konzern an allen Erzeugnissen verdiente. In schneller Folge brachte die Firma weitere Rollfilm-Kameras auf den Markt: Im Jahr 1900 war es die speziell für Kinder bestimmte „Brownie“, die für nur 1 USD verkauft wurde, während die Filme mit sechs Aufnahmen für jeweils 15 Cent zu haben waren.

Ungeachtet des Einstiegs in die Kameraproduktion erkannte Eastman, dass die besten Geschäfte weiterhin mit den Verkauf von Filmmaterial zu machen waren. Mit einem als „Razor and Blades“ bekannt gewordenen Geschäftsmodell warf er – begleitet von aggressiver Werbung – seine kostengünstigen Fotoapparate für Amateur*innen massenweise auf den boomenden Markt.

Dieses Geschäftsmodell – wie es heute unter anderem etwa beim Verkauf von Tintenstrahldruckern zu beobachten ist – basierte darauf, nach dem Verkauf günstiger Kameras die höchsten Gewinne mit dem Verkauf der zugehörigen Filme, ihrer Entwicklung und der Anfertigung von Abzügen zu erzielen.

Eastman verstand es zudem, auch andere Kamerahersteller mit jeweils auf ihre Modelle abgestimmten, qualitativ hochwertigen, aber kostengünstigen Filmen zu versorgen und machte auf diese Weise mögliche Konkurrenzunternehmen de facto zu Geschäftspartnern von Kodak.

Werbeanzeige „The Kodak Camera“

Werbeanzeige „The Kodak Camera“, 1889. Duke University Libraries Digital Repository

Klappern gehört zum Geschäft

Eastman erkannte frühzeitig die Bedeutung der Werbung für seine Firma und ihre Produkte und verfasste deshalb anfänglich selbst die Texte für die Annoncen. Der geniale Werbeslogan „You press the button, we do the rest“ stammt von ihm und wurde innerhalb eines Jahres zum geflügelten Wort.

Er erschien in der Folgezeit zusammen mit dem ebenfalls berühmt gewordenen Logo von Kodak in jeder Werbeanzeige, an Plakatwänden, auf Leuchttafeln sowie in allen führenden Tageszeitungen und Magazinen. Gleiches gilt für den Spruch „It’s a Kodak Moment“.

Dieser wurde zum Inbegriff für ein persönliches Erlebnis, das es verdient, für die Nachwelt im Bild festgehalten zu werden. Entsprechende Momente bei Familienfeiern, Ausflügen, beim Picknick am Strand und bei Urlauben im Sommer am Meer oder bei Schnee in den Bergen fanden sich beispielhaft auf zahllosen Werbeplakaten wieder, um Anreize für den möglichst häufigen Gebrauch der Kameras von Kodak zu geben.

Die bevorzugten Adressaten dieser Werbekampagnen waren unter anderem Hausfrauen und Kinder, die ermutigt werden sollten, die Familiengeschichte im Bild festzuhalten. Die Botschaft war: Ein schönes Ereignis ohne Fotos war undenkbar, so als hätte es gar nicht stattgefunden.

Werbeanzeige für Kodak.Werbeanzeige „The Kodak Girl“

Werbeanzeigen mit „Kodak Girl“. Links: 1911. Rechts: 1914, Duke University Libraries Digital Repository

In der Nähe fast aller Sehenswürdigkeiten in den USA wurden Hinweistafeln in Form eines Bilderrahmens mit dem Logo von Kodak aufgestellt, um den Besucher*innen den idealen Ort und die beste Perspektive für die Aufnahme von Fotos zu vermitteln.

Kodak mietete auf allen größeren Verbrauchermessen und -ausstellungen sowie bei den großen Weltausstellungen Stände an. Dort ließ man das ebenfalls berühmt gewordene „Kodak Girl“ mit seiner jährlich wechselnden, sorgfältig inszenierten Kleidung und einer Kamera in der Hand eifrig lächelnd herumspazieren. Sie sollte das interessierte Publikum von den Vorteilen und der Einfachheit der Fotografie mit den Produkten des Konzerns überzeugen.

Auch der Firmenname „Kodak“ stammt von Eastman, der ihn zusammen mit seiner Mutter unter Verwendung eines Anagramm-Sets entwarf. Es handelt sich dabei entgegen landläufiger Annahme nicht um ein Akronym, sondern um ein reines Kunstwort, das mit dem von Eastman sowohl wegen seiner typografischen Anmutung wie auch wegen seiner Aussprache als „stark“ empfundenen Anfangs- und Endbuchstaben „K“ ausprobiert wurde. Dabei war es ihm wichtig, dass dieser Name in allen Sprachen leicht und nahezu gleichklingend auszusprechen und nirgendwo mit negativen Konnotationen verbunden war.

1897 funkelte der Schriftzug von Kodak erstmals von einer elektrischen Anzeigetafel am Londoner Trafalgar Square. 1888 wurde er in den USA als Markenzeichen registriert.

Bürogebäude

Büro von Eastman Kodak in der State, Street, Rochester, 1891. Courtesy by George Eastman Museum.

Bürogebäude

Bürogebäude von Kodak in Rochester, New York, USA, mit großem Schriftzug, 1960er Jahre.

Nationale und internationale Expansion

Dank seiner zahlreichen Patente, vieler Firmenzukäufe sowie seiner geschickten Markstrategie gelang Kodak ein rapides Wachstum. Bereits 1896 – nur 16 Jahre nach seiner Gründung – war das Unternehmen zum weltweit führenden Lieferanten von Filmmaterial geworden.

Aus der rapide wachsenden Eastman Dry Plate Company wurde 1889 die börsennotierte Kapitalgesellschaft „Eastman Company“, die 10.000 Aktien zu je 100 USD ausgab. Nach einer weiteren Kapitalerhöhung erfolgte am 23. Mai 1892 die Umfirmierung in „Eastman Kodak“.

1901 wurde unter dem Namen „Eastman Kodak of New Jersey“ ein Tochterunternehmen in jenem Bundesstaat angesiedelt, das bis 1936 neben „Eastman Kodak of New York“ existierte, bis letzteres aufgelöst und in dasjenige in New Jersey inkorporiert wurde. Gleichwohl verblieb das Firmenhauptquartier in Rochester.

1898 wurde die Kodak Ltd. in Großbritannien gegründet. 1908 kam mit der Australia Kodak Ltd. eine Tochtergesellschaft in Australien hinzu. 1931 wurde die Kodak-Pathé in Frankreich gegründet.

Gebäude

Gebäude der Kodak Australasia Pty Ltd, George Street, Sydney, ca. 1930er Jahre. Courtesy of Kodak (Australasia) Pty Ltd, Museums Victoria.

Französische Werbeanzeige für Kodak

Französische Werbeanzeige für Kodak, 1921.

1921 gründete die in London ansässige Tochterfirma zusammen mit der Heidelberger Gelatine-Fabrik Stoess & Co. GmbH unter dem Namen Chemische Werke Odin GmbH in Eberbach das erste deutsch-amerikanische Joint Venture nach dem Ersten Weltkrieg. Die Firma wurde am Heiligabend 1939 aufgelöst, nachdem sie mit Beginn des Zweiten Weltkriegs unter Feindvermögensverwaltung gestellt worden war.

1927 übernahm Kodak auch den Filmhersteller Glanzfilm AG in Berlin-Köpenick sowie Ende 1931 das Kamerawerk von August Nagel in Stuttgart-Wangen. Dort wurde unter anderem die Kodak Retina 1b hergestellt. Das Stuttgarter Werk stellte 1940 auf Rüstungsproduktion um, während das Berliner Werk nach Erkenntnissen des American Jewish Committee in der Zeit des Nationalsozialismus auch Zwangsarbeiter*innen beschäftigte.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten biederte sich Kodak bei der deutschen Kundschaft mit Werbeslogans wie „Deutsch die Kamera“, Aussagen wie „1500 Volksgenossen Arbeit und Brot“ zu geben und „beste einheimische Rohstoffe“ zu verarbeiten an.

Werbeanzeige für Kodacolor-Film für Bewegtbildkameras

Werbeanzeige für Kodacolor-Film für Bewegtbildkameras, Großbritannien 1929. Internet Archive

indonesische Werbeanzeige für Kodachrome, 1940.

Indonesische Werbeanzeige für Kodachrome, 1940.

Es wird bunt

1904 begann Eastman, sich auch mit der Farbfotografie zu beschäftigen und stieß in seinem 1912 eigens dafür gegründeten, firmeneigenen Forschungszentrum entsprechende Entwicklungen an, die 1915 in den von John Capstaff erfundenen Zweifarbenfilm mündeten, der „Kodachrome“ getauft wurde.

1935 kam dessen von den beiden Musikern und begeisterten Hobbyfotografen Leopold Godowsky Jr. und Leopold Mannes ab 1920 im Auftrag von Kodak entwickelter Nachfolger „Kodachrome II“ – ein Dreifarben-Diafilm mit natürlicher Farbwiedergabe – auf den Markt.

Dieser wurde erstmals in drei unterschiedlichen Formaten vertrieben: Zunächst als 16-mm-Film für professionelle Filmkameras, ein Jahr später im 35-mm-Kleinbildformat sowie als 8-mm-Schmalfilm für Amateurfilmkameras.

Der Diafilm wurde bis 2009 produziert, zuletzt unter der Bezeichnung Kodachrome 64, und danach wegen ausbleibender Nachfrage eingestellt. Die letzte Rolle dieses legendären Films erhielt auf seine Bitte hin der Fotograf Steve McCurry, der zuvor mit seiner Aufnahme des Portraits „Afghan Girl“, aufgenommen auf Kodachrome, weltberühmt geworden war.

PortraitPortrait

Joseph DiNunzio (1865–1948). Portrait von George Eastman, 1914. Farbplatte, Montageprozess (2-Farben-Kodachrome). Courtesy by George Eastman Museum, Schenkung der Eastman Kodak Company.

1940 folgten die Diafilme mit dem Namen „Ektachrome“, die sich vom nur wenige Jahre älteren Kodachrome dadurch unterschieden, dass die benötigten Farbkuppler bereits im Film enthalten waren. Die organischen Farbstoffe wurden während der Filmentwicklung in den betreffenden Schichten gebildet und eingelagert. Dadurch ließ sich der Film nach dem einfacheren und schnelleren Eastman-Color-Farbumkehrverfahren (zum Beispiel E-6) verarbeiten, was ihn zum Urtyp des Diafilms machte.

1942 folgte mit „Kodacolor“ der weltweit erste Echtfarbfilm für Standbilder. Der schärfste Konkurrent auf dem europäischen Markt für Farbnegativfilme war die deutsche Agfa AG.

Besonderer Beliebtheit bei Amateur*innen erfreuten sich die 1963 passend zur gleichnamigen Kamera eingeführten Instamatic-Filme. Diese befanden sich bereits in einer passenden Kompaktkassette, die nur noch eingelegt werden musste, wodurch das richtige Einfädeln des neuen und das spätere Rückspulen des belichteten Films entbehrlich wurden.

Mit Super-8-Filmen für Amateurfilmkameras wurden ab Mitte der 1960er Jahre die Bilder auch lebendig. Daneben entwickelte Kodak Filmmaterial für Spezialanwendungen in Wissenschaft und Medizin, darunter Röntgenfilme mit höherer Empfindlichkeit, wodurch die Strahlenbelastung bei den einzelnen Aufnahmen deutlich gesenkt werden konnte.

Keinen Erfolg hatte Kodak hingegen mit der Herstellung von Sofortbildkameras (Kodak EK6) und den zugehörigen Filmen, weil Polaroid erfolgreich Patentrechtsverletzungen geltend gemacht hatte. Kodak musste deshalb seine Konkurrenzprodukte wieder vom Markt nehmen.

Werbeanzeige für Kodak Colorburst 100, 1978.

Werbeanzeige für die Sofortbildkamera Kodak Colorburst 100 aus dem Jahr 1978.

Werbeanzeige für Kodak Instamatic 133

Werbeanzeige für Kodak Instamatic 133. Hergestellt in Deutschland 1968–1970.

Das Geschäft mit Hollywood

Ein weiterer bedeutsamer Schritt in der Firmengeschichte war die 1889 patentierte Herstellung von Nitrocellulose-Film (Handelsname: Zelluloid-Film) in Zusammenarbeit mit dem Chemiker Henry Reichenbach.

Hierüber kam es zu langjährigen Rechtsstreitigkeiten mit dem Konkurrenten Ansco, der bereits 1887 ein Patent für derartige Filme angemeldet, dieses aber erst 1890 erteilt bekommen hatte. Kodak verlor nach zehnjähriger Verfahrensdauer den Prozess, der die Gesellschaft 5 Mio. USD kostete.

Trotzdem wurde die um die Jahrhundertwende aufstrebende Filmindustrie in Hollywood zu einem der wichtigsten Abnehmer des Unternehmens im Profibereich. Nachdem Thomas Edison 1891 die erste Filmkamera entwickelt und 1908 mit anderen Filmproduzenten die Motion Picture Patents Company gegründet hatte, gelang es Eastman, Kodak als einzigen Lieferanten von mit seiner Beschichtung speziell darauf abgestimmtem Filmmaterial zu platzieren.

Arbeiterinnen in einem Dachgeschoss.

Mitarbeiterinnen von Kodak in einem Penthouse auf dem Dach der Fabrik in der State Street, 1890er Jahre. Courtesy by George Eastman Museum.

Das rief 1911 die US-Monopolkommission auf den Plan, die es in einem 1913 angestrengten und erst 1921 abgeschlossenen Gerichtsverfahren Kodak untersagte, die Preise für derartige Filme einseitig festzulegen und dem Unternehmen zudem vorschrieb, sich von einigen Geschäftsfeldern zu trennen.

Dennoch blieb Kodak auch weiterhin mit Hollywood gut im Geschäft. Nach dem Stummfilm kam der Tonfilm auf den Markt, dessen zugehörige Technik sowohl in den Kameras wie auch in den Kino-Projektoren ebenfalls von Ingenieur*innen bei Kodak entwickelt worden war.

Kinofilme, die mit Filmen von Kodak aufgenommen wurden, gewannen im Verlaufe der Jahre mehr als 80 Oscars. Die Firma Kodak selbst erhielt weitere neun Oscars für ihre wissenschaftlichen Errungenschaften auf diesem Gebiet und die technische Exzellenz ihrer Produkte.

Arbeiter*innen an Arbeitstischen in einer Fabrikhalle.

Arbeiter*innen montieren Faltkameras bei Kodak Camera Works, 1920. Courtesy by George Eastman Museum.

Unternehmerische Genialität

Mit dem wachsenden Erfolg des Unternehmens entwickelte sich Eastman zu einer Unternehmerpersönlichkeit von Format. Seine geschäftlichen Basisprinzipien, auf denen er sein Unternehmen aufbaute, waren Fokus auf die Kund*innen, Massenproduktion zu geringen Stückkosten, weltweite Verbreitung und extensive Werbung.

Er erkannte außerdem, dass diese Grundsätze eng miteinander verknüpft waren. Massenproduktion war nur in Verbindung mit einem entsprechend großem Absatzmarkt sinnvoll. Um einen solchen zu schaffen, bedurfte es intensiver Werbung. Der einzige Weg zum Erfolg eines Unternehmens ist es, mit den Produkten die Wünsche und Erwartungen der Kundschaft zu erfüllen.

Mit den steigenden Gewinnen kamen weitere Grundsätze einer erfolgreichen Firmenpolitik hinzu: Ständiges Wachstum und Fortentwicklung von Technologien durch stetige Forschung, Reinvestition von Gewinnen, um das Geschäft auszubauen, sowie ein fairer und respektvoller Umgang mit den Beschäftigten.

Letztgenanntes Prinzip setzte er unter anderem dadurch in die Praxis um, dass er noch vor der Jahrhundertwende damit begann, die Angestellten zusätzlich zu ihrem Lohn mit an der Höhe ihres jeweiligen Gehalts und den jährlichen Gewinnen des Unternehmens ausgerichteten Dividenden zu belohnen. Die erste Auszahlung nahm er 1899 aus seinem eigenen Vermögen vor.

1919 überschrieb Eastman ein Drittel seiner Firmenanteile im Wert von 10 Mio. USD auf seine Angestellten. Dem folgten später eine firmeninterne Altersrente sowie Lebens- und Arbeitsunfähigkeitsversicherungen, die jeweils auch mit Arbeitgeberanteilen finanziert wurden.

Arbeiterin an einer Maschine

Fabrikarbeiterin an einer Wickelmaschine. Kodak Rochester, New York, USA, 1939. Courtesy of Kodak (Australasia) Pty Ltd, Museums Victoria.

Durch ein System der „Familien-Rekrutierung“, bei dem Kinder von Arbeitnehmer*innen frühzeitig an das Unternehmen herangeführt und nach Abschluss der Schule ebenfalls eingestellt wurden, um dort ihren Eltern nachzufolgen, verstand Eastman es, ein generationenübergreifendes, familienähnliches Zugehörigkeitsgefühl zwischen der Firma und ihrer Belegschaft zu schaffen, wodurch negative Einflüsse von „außen“ weitgehend ferngehalten wurden.

Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass Eastman mit diesen Wohltaten auch andere Interessen verfolgte: Es ging ihm unter anderem darum, die mächtigen Gewerkschaften aus seinem Unternehmen herauszuhalten, indem er ihren sozialen Forderungen größtenteils zuvorkam.

Außerdem wurde die Kapitalgesellschaft durch die größere Streuung des Aktienbesitzes für Investor*innen interessanter, die zuvor dadurch abgeschreckt waren, dass Eastman die überwältigende Mehrheit der Anteile gehalten hatte. Auch konnte Eastman durch diesen Schritt Anti-Trust-Anwält*innen davon abhalten, sich das Unternehmen mit Blick auf dessen marktbeherrschende Stellung näher anzuschauen.

Schließlich partizipierte er dadurch wieder an den Wohltaten für seine Arbeitnehmer*innen, dass er unter anderem mit der „Eastman Savings and Loan“ in Rochester ein Bankinstitut gründete, das Beschäftigte von Kodak bevorzugt mit Finanzdienstleistungen versorgte.

Werbeanzeige „Let the Children Kodak“

Werbeanzeige „Let the Children Kodak“, 1909. Duke University Libraries Digital Repository

Mäzenatentum

Eastman war aber nicht nur ein genialer Unternehmer, sondern auch einer der größten Mäzene seiner Zeit in den USA. Zur Auswahl der von ihm begünstigten Einrichtungen erklärte er einmal:

Die Fortentwicklung in der Welt hängt nahezu vollständig von der Bildung ab. Ich habe eine begrenzte Anzahl von Empfängern ausgesucht, weil ich bestimmte Arten von Bildung abdecken wollte und das Gefühl hatte, ich könnte mit den ausgewählten Namen schneller und direkter Erfolge erzielen, als wenn ich das Geld breiter verteilen würde.

Schon als seine wöchentlichen Einkünfte nur bei 60 USD in der Woche lagen, spendete er 50 USD an das noch junge und um seine Existenz kämpfende Mechanics Institute of Rochester (jetzt: Rochester Institute of Technology), weil er das Potential dieser Einrichtung für die technische Fortentwicklung und die Ausbildung von Fachkräften erkannte, die er für sein Unternehmungen benötigte.

Aus der gleichen Überlegung heraus war er ein Bewunderer und Förderer des Massachusetts Institute of Technology (MIT), aus dessen Absolvent*innen er mehrere seiner erfolgreichsten Mitarbeiter*innen rekrutierte. Im Verlaufe der Jahre spendete er dieser Einrichtung anonym als „Mr. Smith“ rund 20 Mio. USD.

Magazincover „The Kodak Salesman“Magazincover „The Kodak Salesman“

The Kodak Salesman, „An aid to the man behind the counter“, herausgegeben von der Canadian Kodak Co. Limited, Toronto, Kanada. 1917–1918.

Ein weiterer Förderschwerpunkt von Eastman waren die Gründung und der Betrieb von Zahnkliniken und Krankenhäusern, zunächst in Rochester, später auch in London, Paris, Rom, Brüssel und Stockholm. Dabei war ihm insbesondere die Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen ein Anliegen. Nach den Gründen dafür gefragt, äußerte er einmal:

Ich bekomme damit mehr für mein Geld als bei jeder anderen philanthropischen Maßnahme. Es ist eine medizinische Tatsache, dass Kinder mit gutem Aussehen, guter Gesundheit und mit größerer Vitalität bessere Chancen im Leben haben können, wenn man sich während der wichtigen Phase der Kindheit ausreichend um die Gesundheit von Zähnen, Nase, Kehle und Mund kümmert.

Eastman schaltete sich auch aktiv in die Stadtentwicklung von Rochester ein, indem er von Planungsbüros Konzepte für Parks, öffentliche Gebäude und Verkehrssysteme entwickeln und auf eigene Kosten umsetzen ließ.

An einem einzigen Tag des Jahres 1924 spendete er insgesamt 30 Mio. USD an die Universität von Rochester, das MIT, sowie an die Universitätsinstitute von Hampton und Tuskegee. Nachdem er die entsprechenden Schecks unterzeichnet hatte, legte er den Stift beiseite mit den Worten: „Jetzt fühle ich mich besser.“

Magazincover „Kodakery“Seite des Magazins „Kodakery“

Kodakery, „A magazine for amateur photographers“, herausgegeben von der Eastman Kodak Company, Rochester, New York. 1913–1932.

Befürworter der Rassentrennung und des gesellschaftlichen Klassensystems

Aus Schilderungen einer engen Vertrauten ist bekannt, dass Eastman ein strikter Gegner der sozialen Verbrüderung der gesellschaftlichen Schichten war. Trotz großzügiger Spenden an das Hampton- und das Tuskegee-Institut, zwei Universitäten, die auch Schwarzen Zugang gewährten, wandte er sich in Rochester strikt gegen jede Lockerung der dort praktizierten Rassentrennung.

Kodak beschäftigte zu Eastmans Lebzeiten keine Angestellten mit dunkler Hautfarbe, keine eingewanderten Katholik*innen und auch keine Jüdinnen und Juden. Selbst 1939 ergab eine entsprechende Erhebung im Bundesstaat New York noch, dass Kodak nur einen einzigen Schwarzen als Pförtner in seinen Diensten hatte. Die von Eastman gegründete Zahnklinik in Rochester lehnte die Behandlung schwarzer Patient*innen ab und in seinem Theater wurden schwarze Besucher*innen auf die Plätze auf dem Balkon verwiesen.

Staatliche Interventionen gegen diese rassistischen Ausgrenzungsmaßnahmen wurden von Eastman ebenso beharrlich ignoriert wie ein persönlicher Appell des Präsidenten der National Association for the Advancement of Coloured People (NAACP) Walter White im Jahr 1929.

Stattdessen unterstützte Eastman von 1925 bis zu seinem Tod die vorwiegend von reichen weißen Amerikaner*innen gegründete „American Eugenics Society“ mit jährlichen Spenden von 10.000 USD bei ihren „Forschungen“ zu den befürchteten Auswirkungen der Zuwanderung von (nicht-weißen) Ausländer*innen und der „Rassenvermischung“.

Magazincover “The Kodak Magazine“Seite eines Magazins

The Kodak Magazine, Unternehmens-internes Magazin für die Mitarbeiter*innen, herausgegeben seit 1920. Format und Name änderten sich bis in die 1990er Jahre mehrfach. CC BY-NC-ND 4.0

Meine Arbeit ist getan

Eastman, der in den Jahren 1900 und 1916 übrigens auch US-Präsidentschaftsbewerber war, jedoch beide Male unterlag, zog sich 1925 aus dem Tagesgeschäft bei Kodak zurück und gab sein Amt als Präsident des Unternehmens auf. Er blieb jedoch bis zu seinem Tod Aufsichtsratsvorsitzender.

1930 erkrankte er mutmaßlich an lumbaler Spinalstenose und litt erheblich unter den damit verbundenen starken Schmerzen und einer davon ausgelösten Depression. Angesichts des Schicksals seiner Mutter, die im hohen Alter an Krebs erkrankt war und die letzten beiden Jahre ihres Lebens im Rollstuhl verbracht hatte, nahm er sich am 14. März 1932 im Alter von 77 Jahren das Leben.

Seinen Abschied begründete er auf einem Zettel mit den Worten: „To my friends, my work is done – Why wait? GE.“ Seinen gesamten Privatbesitz vermachte er, zeitlebens unverheiratet und kinderlos geblieben, der Universität von Rochester. Sein luxuriöses Wohnhaus in Rochester beherbergt nach einem entsprechenden Umbau seit 1949 das „George Eastman House International Museum of Photography and Film“.

Wintergarten voller Pflanzen mit Sitzgruppe, Oberlicht und Elefantenkopf an der Wand

Fassade eines repräsentativen Baus mit Vorbau, getragen von vier Säulen

George Eastman House, errichtet 1902–1905. Seit 1949 Sitz des George Eastman House International Museum of Photography and Film. Fotos: Courtesy by George Eastman Museum.

Hochmut kommt vor dem Fall

Eingedenk des geradezu märchenhaft verlaufenen Aufstiegs von Kodak von einer kleinen Firma eines einzelnen Erfinders und genialen Geschäftsmanns hin zu einem auf allen Kontinenten tätigen multinationalen Großkonzern, muten die Gründe für seinen um die Jahrtausendwende beginnenden Absturz wie ein (trauriger) Treppenwitz an:

Der 24-jährige Steve Sasson, damals Ingenieur bei Kodak, hatte bereits 1975 den weltweit ersten Prototypen einer Digitalkamera entwickelt: eine seltsam klobige Apparatur mit einem Objektiv aus einer Super-8-Filmkamera, einer Audiokassette als Speichermedium und einem Fernsehbildschirm als Bild-Projektionsfläche.

Seine Vorgesetzten fanden indes keinen Gefallen an dieser Idee, die bei ihnen angesichts der im Vergleich zur analogen Fotografie noch mangelhaften Bildqualität nur Verwunderung und Belustigung hervorrief. Sie ließen das Gerät in der Schublade verschwinden und Sasson wurde zum Stillschweigen verdonnert. Trotzdem ließ die Firma die Kamera im Jahr 1978 vorsorglich patentieren.

Prototyp einer digitale Kamera

Prototyp der ersten digitalen Kamera von Steven J. Sasson, 1975. Courtesy by George Eastman Museum.

Erst als die US-Regierung 1987 eine für geheime Regierungsprojekte gebildete Spezialabteilung von Kodak damit beauftragte, rund um den im Jahr zuvor von der Firma entwickelten Megapixel-CCD-Sensor eine neuartige Filmkamera in Form eines unverdächtigen Fotoapparats zu bauen, wurden die alten Pläne wieder herausgeholt.

Den Techniker*innen gelang es, die aufklappbare Rückwand einer herkömmlichen Canon-Spiegelreflexkamera durch eine solche zu ersetzen, bei der anstelle der Filmandruckplatte der neue CCD-Sensor montiert war. Aus der Rückwand verlief ein unter dem Trageriemen verborgenes Flachbandkabel zur separaten Speichereinheit, die in einer normalen Kamera-Umhängetasche verstaut werden konnte.

Ausgehend von dieser Spionagekamera entwickelte die für professionelle zivile Digitalkamerasysteme zuständige Abteilung von Kodak eine Digitalkamera für den zivilen Gebrauch. Dies geschah mit Wissen und Billigung des Vizepräsidenten (!) Don Strickland bis 1991 in einem vor den übrigen Direktoren des Stammwerks in Rochester wegen deren weiterhin ablehnender Haltung geheim gehaltenen Projekt in einer firmeneigenen Entwicklungsabteilung im japanischen Yokohama. Das Gerät auf der Basis der damaligen F-3 von Nikon kam in wenigen Exemplaren unter dem Namen „Hawkeye II“ für 30.000 USD auf den Markt und war damit nur für absolute Profis erschwinglich.

kofferförmige Kamera mit Lederbezugkofferförmige Kamera

Die ersten Filmkameras „Ciné-Kodak“ kamen 1923 auf den Markt. Links: Ciné Kodak Model B für 16-mm-Film, Sonderedition in Straußenleder, 1927–1931. Foto von Joe Haupt unter Lizenz CC BY-SA 2.0. Rechts: Kodak Ciné-Kodak Eight Model 25, Normal-8-Filmkamera, 1933–1946. Foto von Marco Polimeni unter Lizenz CC BY 2.0.

Als Don Strickland 1992 vor dem versammelten Direktorium von Kodak von diesem Fortschritt berichtete und darlegte, dass man bereits an weiteren Modellen für den Massenmarkt arbeite, begegnete man ihm mit eisigem Schweigen. Man wollte sich durch die Entwicklung von Digitalkameras nicht das überaus lukrative Geschäft mit den billigen Schnappschuss-Fotoapparaten und dem analogem Filmmaterial verderben, das Gewinnspannen von bis zu 85 % ermöglichte.

Das Credo war: Eine Kamera kauft man nur einmal, Filme und Abzüge hingegen immer wieder. Dabei beunruhigte es das Gremium auch nicht, dass andere Kamerahersteller in Asien bereits auf den digitalen Zug aufgesprungen waren. Man hielt Kodak für „too big to fail“ und hatte für die „kleinen Konkurrenten“ nur ein abschätziges Lächeln übrig.

Strickland konnte sich mit dieser Sabotage seiner Arbeit nicht abfinden. Er verließ Kodak und wechselte zu einer damals noch kleinen Firma, die gerade den umgekehrten Weg beschritt: Apple. Dabei durfte er sogar seine Konzepte für die bei Kodak entwickelte Digitalkamera mitnehmen.

Apple war gerade knapp der Pleite entronnen und dabei, sich unter erneuter Führung des zurückgekehrten Steve Jobs vom reinen Computerhersteller zum breiter aufgestellten Produzenten digitaler Konsumgüter zu mausern. 1994 brachte Apple dank Stricklands Vorarbeiten mit der QuickTake 100 eine Digitalkamera für Amateure auf den Markt. Es war eine Weltneuheit.

Faltkamera in blauer FarbgebungFaltkamera in violetter Farbgebung

Links: Kodak Rainbow Hawk-eye No. 2A Folding Camera Model B. Fünf Sondereditionen verschiedener Modelle der Rainbow Hawk-eye waren jeweils verfügbar in schwarz und vier weiteren Farbvarianten, hier „blue“, 1926–1934. Foto von Steve Harwood unter Lizenz CC BY-NC 2.0. Rechts: Vest Pocket Hawk-Eye, hier Farbvariante „orchid“, 1927–1934. Foto von Schoony116 unter Lizenz CC BY-SA 4.0. Unten: Mehrere Exemplare aus den Sondereditionen „Beau“ der Kodak Brownie Nr. 2 bzw. Nr. 2A, aufgelegt in fünf Farbvarianten und mit von Walter Dorwin Teague gestalteter Art-Deco-Frontplatte, 1930–1933. Foto von Sailko unter Lizenz CC BY 3.0.

fünf Keramas in verschiedenfarbigen Ausführungen

Milliardenflop im Reich der Mitte

Kodaks Entscheidung, trotz der bekannten Entwicklungen auf dem Feld digitaler Kameras stur am Geschäftsmodell mit analogen Fotoapparaten und Filmen festzuhalten, sollte sich schnell als fatal erweisen. Der Managementfehler führte zu einem der dramatischsten Firmenniedergänge der Wirtschaftsgeschichte.

Erst als Canon, Sony, Panasonic und andere Konkurrenten dank fallender Produktionskosten in rascher Folge immer bessere Digitalkameras zu immer günstigeren Preisen auf den Markt brachten, gefolgt von Camcordern und neuen elektronischen Speichermedien, schrak man endlich auf und versuchte, das Ruder im letzten Moment unter Einsatz enormer Geldsummen noch herumzureißen. Doch es bereits zu spät.

Verzweifelt suchte das Unternehmen nach neuen, noch unerschlossenen Märkten für analoge Kameras sowie Filme und glaubte, einen solchen im wirtschaftlich prosperierenden China gefunden zu haben. Kodak investierte daraufhin im Reich der Mitte eine Milliarde Dollar in neue Fabriken für seine analogen Produkte.

Man glaubte, die „rückständigen“ Chines*innen würden auf dem Gebiet der Fotografie zunächst die gleiche Entwicklung durchlaufen, wie es in den USA der Fall gewesen war. Doch diese Annahme erwies sich bereits als nächster unternehmerischer Irrtum. Die Chines*innen hatten die Zeichen der Zeit erkannt – sie übersprangen einfach die analoge Vorstufe und stiegen direkt in die Digitaltechnik ein.

zweiäugige Kamerazweiäugige Kamera

Links: Kodak Reflex I, 1946–1949. Foto von Roberta unter Lizenz CC BY 2.0. Rechts: Kodak Duaflex IV, 1955–1960. Foto von Jesse Yardley unter Lizenz CC BY 2.0.

Dabei war es nach Meinung der Analyst*innen weniger die Digitalfotografie als solche, die Kodak, das ja zahlreiche grundlegende Patente auf diesem Gebiet besaß, den Garaus machte, sondern der von vielen Anwender*innen dieser neuen Technologie veränderte Umgang mit ihren Aufnahmen.

Es wurde nicht länger fotografiert, um nachfolgend Papierabzüge von den Bildern anfertigen zu lassen und erst diese vorzuzeigen, sie zu rahmen, auf den Kaminsims zu stellen, sie an die Wand zu hängen, in Alben abzuheften oder in Schachteln unter dem Bett für künftige Generationen aufzubewahren.

Sondern die Aufnahmen wurden ganz überwiegend nur noch digital abgespeichert und dann auf dem Fernsehbildschirm, dem Computermonitor, in digitalen Bilderrahmen oder mittels Beamer auf einer Leinwand präsentiert. Damit war aber nicht nur die Herstellung von analogen Filmen und Kameras, sondern auch die ganze Labortechnik rund um die Entwicklung und Fertigung von Papierabzügen größtenteils entbehrlich geworden.

Analoge Fotografie war binnen kurzer Zeit zu einer winzigen Nische für einige wenige verbliebene Liebhaber*innen geworden. Die digitale Bildbearbeitung ersetzte weitgehend eine Heerschar von gelernten Fotolaborant*innen. Den endgültigen Todesstoß versetzte der analogen Fotobranche jedoch erst die Kamera im Mobiltelefon.

Stereo-Kamera

Kodak Stereo Camera, 1954–1959. Foto von John Nuttall unter Lizenz CC BY 2.0.

Kamera mit auffälligem Griff im Plastik-Gehäuse

Kodak Happy Times (Coca-Cola-Sonderedition der Instantkamera „The Handle“), 1978–1979. Foto von John Kratz unter Lizenz CC BY-SA 2.0.

Der Todesstoß durch die Handykamera

Überall und jederzeit dabei – und alsbald auch mit der Qualität von guten Digitalkameras – bot sich damit für Milliarden von Menschen die denkbar einfachste Möglichkeit, Fotos und Filme ohne jegliche Zusatzkosten nicht nur in nahezu beliebiger Menge aufzunehmen, sondern sie unmittelbar nach ihrer Entstehung oder sogar im Live-Stream mit demselben Gerät in Sekundenschnelle an sämtliche (vermeintliche) Interessent*innen zu versenden oder sie über diverse soziale Medien weltweit zu verbreiten.

Warum sollte man da noch umständlich, langsam und teuer Papierbilder anfertigen lassen und anschließend mit der Schneckenpost verschicken? Wieder war es Kodak, das die Zeichen der Zeit nicht erkannte und wohl auch nicht erkennen wollte, als dessen Chef der Digitalbildabteilung bereits 2000/2001 die Idee in den Raum stellte, in Mobiltelefone eine Kamera einzubauen.

Das große weltweite Geschäft mit Fotos und Filmen, das bis dahin praktisch Kodak gehörte, machen seither die Riesen der digitalen Bilderwelt: Facebook, Instagram, YouTube und Co. Der Markt für analoge Fotografie brach als Folge dieser rasanten Entwicklungen innerhalb weniger Jahre nahezu vollständig zusammen. 2004 traf es zunächst Ilford in England und Deutschland, 2005 folgte Agfa Photo und 2012 dann auch Kodak. Alle drei Konzerne rutschten in die Insolvenz.

Kodak musste im Verfahren nach Kapitel 11 des amerikanischen Insolvenzrechts 1.100 seiner Patente auf den Gebieten der analogen und digitalen Fotografie versteigern, um sich – ebenso wie Agfa Photo – nachfolgend mühsam als Druckspezialist und -dienstleister neu organisieren zu können. In Rochester und anderen Orten in den USA sowie in Frankreich mussten zahlreiche Fabrikationsstätten schließen. Die Gebäude wurden entweder veräußert oder abgerissen.

KameraKamera

Unter dem Namen „Brownie“ wurden unzählige Modelle und Editionen aufgelegt, die erste – „The BROWNIE Camera“ – kam 1900 heraus, die letzte – „BROWNIE FIESTA R4“ – war bis 1970 auf dem Markt. Links: Baby Brownie Special, 1939–1954. Foto von E. Magnuson unter Lizenz CC BY 2.0. Rechts: Kodak Six-20 Flash Brownie, 1940–1946. Foto von John Kratz unter Lizenz CC BY-SA 2.0.

zweiäugige KameraKamera mit großem Blitzmodul

Links: Brownie Reflex (Syncho Model), 1941–1952. Foto von Kevin Stanchfield unter Lizenz CC BY 2.0. Rechts: Brownie Starmite II, 1962–1967. Foto von E. Magnuson unter Lizenz CC BY 2.0.

Seither ist Kodak nur noch einen trauriger Schatten seiner selbst: Nach der Entlassung aus dem Gläubigerschutzverfahren wurde das Unternehmen 2013 in zwei selbständige Firmen aufgespalten. „Eastman Kodak“, das sich insbesondere auf Druckertechnologie, Druckerfarben, technische Folien, chemische Vorprodukte und medizinische Produkte spezialisierte, verblieb in den USA.

Daneben entstand „Kodak Alaris“ mit zunächst 3.500 Angestellten in 35 Ländern, das das klassische Kinofilmgeschäft unter Nutzung des alten Namens fortbetreibt. Außerdem verkauft Kodak an andere Unternehmen Lizenzen für den Gebrauch seiner Marke für alle möglichen Produkte, auch wenn diese nichts mehr mit Film oder Fotografie zu tun haben.

Einziger verbliebener Anknüpfungspunkt an die einst glorreiche Fotografie-Historie von Kodak ist die exklusive Herstellung von 70-mm-Spezialfilmen für analoge IMAX-Kamerasysteme – zuletzt eigens für den Film „Oppenheimer“ sogar wieder in Form von Schwarzweißmaterial.

Arbeiter gießen Metall.

Arbeiter gießen zurückgewonnenes Silber, Abbotsford, Victoria, um 1945. Courtesy of Kodak (Australasia) Pty Ltd, Museums Victoria.

Quellen und weiterführende Links

Zusätzliche Bildrecherche und -auswahl: Redakteurin Aileen Wessely

Titelbild: George Eastman und Thomas Edison demonstrieren eine Kamera auf der Kodacolor Party, 1928. Courtesy by George Eastman Museum.

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