Bank am Feld
18. Mai 2021 Lesezeit: ~4 Minuten

Die Ästhetik der Stille

Begleitet und beschützt von „Treff“, dem Hund meines Opas, erkundete ich schon vor meiner Schulzeit allein den Wald, die Gebüsche, die Wiesen und den Wildbach rund um unser Anwesen; damals mit Mühle, Sägewerk, Steinbruch, Landwirtschaft und einem Wirtshaus.

Spielkameraden gab es nicht, das nächste Dorf war zu weit entfernt. Die Erwachsenen hatten wenig Zeit – so war ich meist mir selbst und meiner Neugier überlassen. Vermutlich hat mich die Stille und Einsamkeit draußen in der Natur schon früh geprägt.

Wald

Noch heute, über 50 Jahre später, streife ich gerne meist allein durch die Wälder hier im Bayerischen Wald. Die Fotografie entdeckte ich zuerst Anfang der 1980er Jahre. Mit einer kleinen Kompaktkamera dokumentierte ich das immer sichtbarer werdende Waldsterben und wie Schnellstraßen die sanften Hügel meiner Heimat zersägten.

Den Weg zur überwiegend analogen Fotografie mit Einrichtung einer eigenen Dunkelkammer fand ich über die Beschäftigung mit berühmten Fotografen wie August Sander, Josef Sudek, Irving Penn, Robert Frank, Sebastião Salgado und vielen mehr. Deren Bildsprache berührte mich viel mehr als die immer perfekter werdenden digitalen Fotos.

Person in einer GasseGasse

Über Fotoplattformen im Internet lernte ich Anfang 2010 zwei junge Fotografen kennen, die beide jeweils nur etwa 10 km entfernt wohnen. Beide sind analoge Fotografen und wurden auch bereits hier auf kwerfeldein vorgestellt: Bastian Kalous und Martin Waldbauer.

Bastian ist bekannt für seine Polaroidaufnahmen von Naturlandschaften des Bayerischen Waldes, die er meist mit einer Großformatkamera anfertigt. (Sie sind unter anderem auch im aktuellen Kinofilm „Der wilde Wald“ zu sehen). Mit ihm war ich einige Male auf Fototour im Grenzland zu Tschechien unterwegs.

Person an einer Steilküste

Den entscheidenden Anstoß, mich der analogen Fotografie und der Arbeit in der Dunkelkammer zu widmen, gab mir Martin Waldbauer. Martin ist inzwischen durch zahlreiche Ausstellungen und Medienberichte (zum Beispiel bei Cappricio) überregional bekannt.

Er bestärkte mich in der analogen Arbeit, gab mir wertvolle Tipps zur Dunkelkammerarbeit und zu den benötigten Materialien, insbesondere der Chemie und Fotopapieren. Schnell war meine Liebe zum „langsamen“ und nicht immer vorhersehbaren Lithprinting entbrannt.

BaumFelsen

Lithprints auf überwiegend mehrere Jahrzehnte altem Barytpapier entwickeln einen Zauber, der mit herkömmlichen analogen oder digitalen Techniken nicht zu erreichen ist. Das Zufällige, Nichtvorhersehbare reizt mich daran besonders, dadurch landen allerdings auch sehr viele Abzüge im Abfall.

Gelingt dann ein so nicht erwartetes Ergebnis, ist die Freude umso größer. Selten sind in meinen Bildern Menschen zu sehen. Ich mag die Melancholie und Einsamkeit, die menschenleere Landschaften vermitteln.

neblige Alle zu einem Haus

Meine Motive suche ich in der Regel nicht, sie finden mich. Das bedeutet, immer offen zu sein für das Unerwartete, das Besondere. Eine für mich anziehende Form der Ästhetik, die ich oft in vordergründig betrachtet gewöhnlichen, ja oft geradezu hässlichen Motiven entdecke.

Fotografieren ist für mich das Gegenteil von Arbeit: Kein Muss, Zeit haben, unproduktiv sein dürfen, keine Leistung bringen, keine Erwartungen erfüllen und, was mir besonders wichtig ist, nichts erklären müssen. Stille nicht nur beim Fotografieren, sondern auch danach in der Dunkelkammer und gerahmt an der Wand.

Baumgruppe auf einem Hügel

Ein gutes Bild muss für mich allein ohne Erklärung bestehen. Ich versuche deshalb noch stärker als früher, eine stimmige und spannende Bildkomposition zu finden. Heute strebe ich eine reduzierte Bildsprache an, die das Wesentliche betont. Doch Spannung und Ausgewogenheit zugleich gelingen selten in Perfektion.

Ich muss zugeben, dass ich oft erst nachträglich durch einen Beschnitt eine bessere Komposition finde. Mit Mittelformatnegativen sind trotzdem noch Drucke von Größen bis mindestens 30 x 40 cm möglich. Ich fotografiere mit einer Hasselblad 500CM, diversen analogen Kleinbildkameras, ab und zu mit einer Agfa Clack und einer Holga.

Baumgruppe auf einem Feld

In letzter Zeit habe ich auch von digitalen Bildern Lithprints über den Umweg einer als Negativ bedruckten speziellen Inkjetfolie bis zum Format DIN A3 angefertigt. Das funktionierte zu meiner Überraschung erstaunlich gut. Ich denke, dass ich das zukünftig öfter versuchen werde.

Die digitale Bearbeitung der Negative ist doch wesentlich einfacher als analog in der Dunkelkammer. Seit Kurzem fotografiere ich auch mit einer Nikon Z6. Vollformat bietet doch viele Vorteile, vor allem bei wenig Licht.

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