Veränderung versteckt sich in der Stille
Natürlich bin ich eine ernstzunehmende Fotografin des 21. Jahrhunderts und natürlich bestätigen mich meine Facebook-Freunde und Flickr-Beobachter in meinem Schaffen. So läuft das heutzutage eben. Daran müssen sich auch die Älteren langsam mal gewöhnen.
Scherz beiseite. Auch wenn darin natürlich immer ein kleiner Funken Wahrheit, aber vor allem ein großes Blitzgewitter an Selbstironie liegt. Die Aufklärung dazu folgt später im Text.
Ich habe es wieder mal getan. Ich habe die Dunkelkammer aufgebaut. Es ist mühsam, aber ich beschwere mich nicht oft darüber. Nach dem ganzen Aufbau hat man oft schon gar keine Lust mehr, dann noch Negative auf Papier auszubelichten. Ich muss meinen inneren Schweinehund immer besänftigen oder ablenken.
Aber gesagt getan, da stand ich im Dunkeln und musste mir jeden Handgriff ins Gedächtnis rufen. Es war niemand da zum Fragen, zum Kontrollieren und Bestätigen. Die ersten fünf Abzüge gingen schief. Aber ich hatte genug Kaffee intus und vorher genug gegessen, so dass meine Energiereserven nicht sofort aufgebraucht waren.
Also forschte ich nach den Ursachen, immer mit dem Gedanken in meinem Kopf: „Du kannst die Duka gleich wieder abbauen; es hat keinen Sinn, du kannst es einfach nicht.“ Aber ich hörte meinen Gedanken einfach nicht zu und machte weiter.
Nach drei Stunden war mir dann klar, dass die Negative, die ich ursprünglich zum Lithen rausgelegt hatte, sich dafür nicht gut eigneten.

Hier ging eindeutig etwas schief. Ich hatte den Abzug im Entwicklerbad nicht genug bewegt. Es entstanden merkwürdige Streifen. Doch dann wuchs mir plötzlich Kreativität aus dem Kopf und ich malte einige Punkte.
Ich nahm mir eine Stunde Zeit und suchte mir neue Negative raus. Ich entschied mich für einen Film von 2011. Ich hatte sie noch nie abgezogen und war gespannt. Und tatsächlich: es erschien mir wie ein Wunder. Nach fünf Stunden Dunkelheit und dem Einatmen von Chemie kann man schon mal an Wunder glauben.
Da war es! DAS Negativ! Der Grund, weshalb ich das alles aufgebaut hatte und warum sich das alles lohnen sollte. Ansel Adams und Susan Sontag standen hinter mir und nickten anerkennend. Natürlich sind die beiden nicht gerade Lith-Experten, aber das sagte ich ihnen nicht.
Ich benötigte noch einmal zwei Stunden um vom perfekten Negativ auch einen perfekten Lithabzug abzuziehen – oder sagen wir eher – einen, mit dem ich zufrieden war.
Aber das Spannendste an der Arbeit in der Dunkelkammer im Eigentlichen waren meine Gedanken während des Prozesses. Ich war fast sieben Stunden komplett allein in der Dunkelheit. Nur eine rote Glühbirne erleuchtete den Raum. Meine Gedanken und ich versammelt auf wenigen Quadratmetern.
Ich hinterfragte meinen Umgang mit meinen Bildern. Warum ich beispielsweise nach dem Entwickeln und Scannen meiner Negative, die gerade mal ein paar Tage alt sind, die Bilder immer schon gleich auf Flickr & Co hochladen muss?
Natürlich liegt eine Form der Selbstbestätigung darin, etwas zu können und sich von Anderen abzuheben, und gleichzeitig die Suche nach Gleichgesinnten. Also die Suche nach der fotografischen Identität.
Das ist nicht verwerflich. Aber als ich am Ende mit gerade mal einem wirklich, wirklich guten Abzug in der Hand da stand, wünschte ich mir auch Ruhe und Zurückgezogenheit. Ich wünschte mir fünf Jahre Leere, nur angefüllt mit Dunkelkammerarbeit, Essen und Trinken.
So eine Dukasession verändert Dich.
Der Weg ist das Ziel…
Habe mir „früher“ immer denn Stress gemacht gute Bilder produzieren zu müssen. Mittlerweile sehe ich das gelassener! Ich bin einfach Glücklich wenn ich Fotografiere, wenn hinterher 1-2 wirklich tolle Bilder übrig bleiben bin ich schon zufrieden.
Klar hört man gerne positives Feedback aber auch hier habe ich gemerkt das die ganzen Communitys die eigende Kreativität verschlucken können.
Hallo Mathias,
ich glaube, wenn man beginnt sich selbst Stress zu machen, dann läuft irgendwas immer schief. Deswegen ist es gut ab und an mal wieder zu reflektieren. Schön das du es so gelassen sehen kannst.
Vielleicht hat die Bestätigung bei Facebook und Flickr auch dazu geführt, dass man selbst viel anspruchsvoller und selbstkritischer wird. Wenn Bestätigung alltäglich wird, geht die Besonderheit verloren. Also wird die Suche nach dem Besonderen, dem wirklich wirklich guten Bild/Abzug/Negativ umso schwieriger. Von daher ist ein wenig Abstand von Flickr und Co. vielleicht gar nicht so schlecht. Und wenn man die Zeit dann in einer Dunkelkammer verbringt, umso besser.
Ich denke mir manchmal das flickr und co eben das Publikum ist, dass man sich Anfangs sucht. Einerseits um selbst nach Fotos zu schauen und anderseits sich beurteilen zu lassen. Eigentlich ja immer wieder sehr spannend. Man oder ich darf nur nicht in die Falle tappen plötzlich „liefern“ zu müssen weil es das Publikum so wünscht.
„Ich wünschte mir fünf Jahre Leere, nur angefüllt mit Dunkelkammerarbeit, Essen und Trinken.“ Der Wunsch kommt mir sehr bekannt vor. Zumindest für ein Jahr, und auch hin und wieder ein paar Freunde treffen :-). Ich hoffe, dass DU nicht einfach so für 5 Jahre in der DuKa verschwindest. Der Print ist sehr zart, wie ein Neugeborenes …
Vielleicht nicht 5 Jahre in die Duka aber vielleicht einmal 5 Jahre an einen abgeschiedenen Ort mit anderen tollen Menschen aber ohne Internet und Publikum, also ohne eine grosse beurteilende Masse. Das wäre doch was, hmm?
Das rote Licht, die totale Stille, nur unterbrochen vom regelmässigen Schwappen aus den verschiedenen Schalen + dem leisen Knacken von Schaltern und der Uhr, die volle Konzentration – das hat schon sehr, sehr viel.
Aber, wenn ich dann nach 4 Stunden fluchend ohne Ergebnis aus der Duka kam, oder bestenfalls mit einem „Notabzug“ und die ewigen Rüstzeiten… es war nicht nur ein wunderbares Vergnügen.
Obwohl ein s/w Barytabzug (wenn er denn mal plan liegt), dieser Karton und die Nuancierungen…
Hey Mitch,
ein planliegender Barytabzug, davon träum ich ja noch. Meine Ansprüche sind da noch recht unausgefeilt und ich bin froh wenn mir ein Lithabzug gelingt der mich von den Tönen und Farben auch überzeugt und passt und vom dem aus ich mich dann in Zukunft weiterhangeln kann.
‚ ….etwas zu können und sich von Anderen abzuheben‘
…bedeuted aber noch lange nicht, dass die Masse das auch so sieht.
Es stellt sich mir die Frage, möchte ich etwas erschaffen was meiner eigenen Persönlichkeit entspricht – ohne wenn und aber
oder
lasse ich mich darauf ein ‚guten Mainstream‘ zu machen, um die entsprechende Anerkennung zu gewinnen?
//Matz
Mhh, guten Mainstream zu produzieren kann ja auch nicht jeder und das zu können, das erlangt auch meine Bewunderung. Auch wenn ich mich damit nicht identifizieren kann. Ich finde es eher spanned via Netz an Leute zu kommen die ähnlich ticken wie ich. Gemeinsamkeiten sind manchmal nämlich nicht so verkehrt, denk ich mir oft.
Hi, Marit,
auch mir ging es am Anfang meiner Dunkelkammerarbeit genauso, den „inneren Schweinehund zu besänftigen – zu überwinden“, obwohl mein Labor ständig in einem kleinen Keller aufgebaut war, denn wer geht schon freiwillig in einen schummrigen Raum, der auch noch nach Chemie stinkt. Mit der Zeit lernte ich, dass das ritualisierte Vorbereiten/Aufbauen mich auf den kreativen Prozess der Fotografie fokussierte und der innere Schweinehund verschwand. An dessen Stelle trat dann die Magie – vergessen waren die Krisen dieser und meiner Welt, die Rechnungen, die noch nicht beglichen waren usw. Magischer wird es noch, wenn du Großformat-Negative bei völliger Dunkelheit mit der Hand in der Schale entwickelst. Nun genug geschwärmt.
Scheitern (… ersten fünf Abzüge gingen schief …) ist ein wichtiger Teil des kreativen Prozesses – es bedeutet nur, du hast dein inneres Ziel (Meisterwerk) noch nicht erreicht, aber du weißt, das es da ist – also weiterarbeiten. Der kreative Prozess ist Arbeit und hat selten mit Spaß zu tun.
Nirgendwo steht, dass eine Labor-Session mit einem meisterhaften Abzug enden muss. Bei relativ Unerfahrenen ist es in der Regel erst mal ein richtig belichteter Probeabzug, der nicht gescannt und nicht in die Fotoportale gestellt werden soll, denn er ist noch nicht fertig (kein Meisterwerk). Wässere ihn, trockne ihn, hänge ihn an die Wand und lebe mit ihm – tagelang, wochenlang, monatelang (schaue zu unterschiedlichen Tageszeiten auf den Abzug, denn du bist nicht immer in der gleichen Verfassung), bis dir deine innere Stimme sagt, wie du die Tonwerte verändern sollst – wo nachbelichten, wo abwedeln, andere Kontraste, anderer Ausschnitt usw. Kommt keine Idee zur Verbesserung lege ihn für Monate in eine Schublade. Dein Unterbewusstsein wird an diesem Abzug weiterarbeiten und sich dann melden, wenn du mit diesem Abzug und neuen Ideen in die Dunkelkammer gehen sollst.
Ich glaube, dass fast alle großartigen Abzüge aus der Geschichte der Fotografie sind auf ähnliche Art und Weise so entstanden. Du bist auf den Weg dahin und fünf Jahre Dunkelkammer-Erfahrung wird deine technische Fehlerquote auf jeden Fall verringern, aber kontinuierlich fünf Jahre in so einem kreativen Prozess zu stecken, würde uns Menschen und dich überfordern, denn dieser Prozess ist ein einsamer, egal ob in der Fotografie, Literatur, Malerei oder Bildhauerei. Hin und Wieder brauchen wir den Kontakt zu anderen Menschen, einfach, weil wir soziale Wesen sind oder weil uns jemand sagt, haste jut jemacht.
Weiterhin harte Arbeit und Erfolg in der Dunkelkammer wünscht Harald
Hallo Harald,
das hast du sehr schön geschrieben und darin steckt soviel Wahrheit. Ich werde vieles davon beherzigen und daran denken, wenn ich wieder einmal in der Duka stehe und nichts klappen möchte.
Hab die Dunkelkammer nie vermisst und 5 Stunden für einen Abzug sind ja nicht notwendigerweise ein Indiz für Güte und Qualität. Überhaupt kann ich das ganze Retro-gerichtete nicht nachvollziehen, wo vieles zufällig und nicht reproduzierbar/bewusst steuerbar entsteht…
Hallo Michael,
Natürlich muss man nicht alles mögen und alles gut finden. Das ist dein gutes Recht. Aber ich glaube du ziehst da einiges gerade mächtig übers Schienbein. Nicht überall wo analog draufsteht, ist auch „retro“ drin. Ich glaube eher, es haben sich zwei Zweige in der Fotografie entwickelt mit vielen Zwischenstrassen darin, die viel Raum für kreatives Schaffen öffnen.
Wenn es um das Themenfeld Erwartungen, Publikum und Kunst, geht, ist folgende Lektüre außerordentlich empfehlenswert: „Die Seele des Menschen im Sozialismus“ von Oscar Wilde. Gibts für umme als e-book.
danke flo- bin dann mal weg zum lesen…
Sehr schöne Bilder und ein sehr charmanter und schön zu lesender Artikel. Danke!