Im Gespräch mit Victor Hamke von Muse & Mirror
Die klassischen und eleganten Hochzeitsfotos von Muse & Mirror verfolge ich schon länger. Hinter dem Künstlernamen stehen Victor Hamke und Ronja Joy Waßmuth. Als die beiden den aktuellen Hasselblad Masters Award in der Kategorie „Hochzeit“ gewonnen haben, nutzte ich die Gelegenheit, Victor einige Fragen zum Award und der Hochzeitsfotografie zu stellen.
Erst einmal herzlichen Glückwunsch! Ihr habt gerade den Hasselblad Masters Award gewonnen, dabei seid Ihr noch gar nicht lange im Hochzeitsfotogeschäft. Wann und wie kam es überhaupt dazu, dass Ihr gemeinsam Hochzeiten fotografiert?
Hallo Katja und vielen Dank – wir sind noch immer überwältigt. Ich leistete mir damals meine erste Kamera während des Studiums. Zweck war, mir ein Werkzeug zu geben, mit dem ich kreativ werden konnte, da ich mich bis dahin – zu meiner Schande – nie künstlerisch erprobt hatte. Dann ging alles zunächst einen recht gewöhnlichen Lauf. Ich fotografierte Bekannte, also vorwiegend Portraits, war aber schon nach kurzer Zeit motiviert, mehr zu lernen und experimenteller zu arbeiten.
Ich verbrachte viel Zeit damit, mich mit digitaler Bildbearbeitung auseinander zu setzen: Kompositionen, Konzeptfotografie oder wie man es auch nennen möchte. Ich habe einen starken Hang dazu, etwas fast schon obsessiv zu verfolgen, wenn ich wirklich Begeisterung empfinde. Und so war es auch mit der Fotografie, deshalb machte ich technisch sehr schnell Fortschritte.
Etwas Sinnstiftendes zu tun, wird aber – zumindest für mich – irgendwann nötig, um mich weiter voranzutreiben, und Fine-Art-Fotografie (im Sinne von Fotografie zum Selbstausdruck) war mir irgendwann nicht mehr genug. Ich realisierte, dass ich Bilder kreiere, die vielleicht vielen gefallen, aber niemanden zu Tränen rühren oder eine wahrhaftig tiefe emotionale Bedeutung haben. Diese Erkenntnis führte dazu, dass ich eine neue Herausforderung brauchte.
Und ich wusste, dass die Hochzeitsfotografie massenhaft solche Herausforderungen an mich stellen würde. Bereiche, in denen man als Hobbyfotograf*in meist keine Kompetenzen hat wie Marketing, Kundenkommunikation, Logistik, Corporate Identity, Batchediting oder Arbeit mit Menschen, die vollkommen kameraunerfahren sind.
Inmitten dieser Denkprozesse wurden Ronja und ich ein Paar. Sie war von Anfang an an all dem interessiert und lernte schnell alle Grundlagen der Fotografie, sodass wir uns wagemutig darum kümmerten, die ersten Hochzeiten zu fotografieren. Learning by doing – etwas, das ich jedem ans Herz legen kann. Das Aufbauen eines Portfolios durch inszenierte Shoots und kameraerfahrene Modelle führt zwar schnell zu guten Ergebnissen, aber stärkt nicht unbedingt die Kompetenz auf realen Hochzeiten. Das alles ist jetzt ein paar Jahre her – verrückt, dass es überhaupt kam, wie es kam.
Die prämierten Bilder sehen auch tatsächlich mehr nach Fine-Art-Fotografie aus und nicht nach den typischen Hochzeitsportraits. Sind sie bei diesen inszenierten Hochzeiten für das Portfolio entstanden oder bei echten Hochzeiten?
Zwei der prämierten Bilder sind mit einem befreundeten Paar außerhalb von Hochzeiten entstanden und eines bei einem Konzeptshoot. Wir machen die gleiche Sorte von Kunstwerken auch mit Bildern vom tatsächlichen Hochzeitstag. Das ist eine größere Herausforderung, weil man meist nur sehr wenig Zeit zum Experimentieren hat.
Für den Wettbewerb war das allerdings nicht maßgeblich, da es lediglich um das visuelle Thema Hochzeit geht, nicht aber darum, dass die Bilder auf einer Hochzeit entstanden sind. Das ist auch der Grund für die Diversität in der Finalrunde. Wir haben die Auswahl der eingereichten Bilder also nach kohäsiven Gesichtspunkten getroffen oder anders formuliert: Wir fanden, dass das Dreiergespann von Bildern eine schöne Einheit bildet.
Was das Thema Fine Art oder nicht betrifft: In der Hochzeitsindustrie wird der Begriff gern verwendet, um ein Statement über die Güte der Bilder zu machen, während es damit ursprünglich nicht in Verbindung steht. Also würde ich es so formulieren, dass wir neben unserer marktwirtschaftlichen Situation definitiv immer und unbedingt auch eine persönliche Leidenschaft für unsere Arbeit empfinden. Ohne sind wir, glaube ich, nicht fähig, gute Arbeit zu machen.
Inszenierte Shoots für das Portfolio sind in der Hochzeitsindustrie mittlerweile sehr gängig. Wo seht Ihr die Vorteile und Nachteile solcher Bilder für Euch?
Nur, um eine Fehlannahme auszuschließen: Wir haben unser Portfolio quasi ohne inszenierte Shoots aufgebaut, da wir damals als Genreneulinge nicht einmal wussten, dass es so etwas gibt. Stattdessen sind wir mit beiden Beinen ins kalte Wasser gesprungen und haben unserem Portfolio vor allem dadurch schnell zu einer gewissen Güte verholfen, dass wir mit der Veröffentlichung von Bildern sehr selektiv waren.
Wenige Inhalte, aber gute Inhalte – jedenfalls war das der Vorsatz. In unserer Laufbahn hatten wir ein einziges richtiges Styled Shoot und weniger als eine Handvoll Shoots mit Paaren außerhalb von Hochzeiten. Daher sind 95 % der Bilder, die man in unserem Feed sieht, tatsächlich von echten Brautpaaren, auch wenn oft anderes vermutet wird. Das schließt übrigens konzeptionelle Kunstwerke ein.
Zum Thema Styled Shoots habe ich eine ambivalente Antwort und ich fange mal mit dem Positiven an: Die meisten konzipieren solche Projekte so, dass möglichst viele Dienstleister*innen integriert werden und mitwirken. Das hat zwei entscheidende Vorteile: Der eine ist, dass alle beteiligten Personen die Bilder verwenden und die Fotograf*innen entsprechende Namensnennungen bekommen, also potenziell viele Menschen über diese direkte Weiterempfehlung auf die Fotograf*innen aufmerksam werden können.
Der zweite Vorteil ist, dass Blogs immer nach Details und Produkten schauen. Das ist der Grund, weshalb einige der talentiertesten Fotograf*innen der Branche Blogs ignorieren – es geht hier nur zweitrangig um Emotion oder Kunst und das Geschichtenerzählen steht weit hinten an. Stattdessen sind Blumenstrauß, Ringe, Dekoration, Papeterie usw. wichtig. Blogs sind Inspirationsquellen für Bräute und gestalten die Inhalte auch mit diesem Vorsatz. Um sich schnell nach oben zu arbeiten, sind Styled Shoots also – ich nenne es mal „effektiv“.
Die zweite Antwort wäre, dass es mittlerweile genug, auch bekannte, Fotograf*innen gibt, die ein von außen betrachtet schönes Portfolio haben, das aber durch Styled Shoots aufgebaut wurde. Nicht selten sind die wirklichen Fotoreportagen dieser Fotograf*innen dann aber zum Beispiel mangelhaft erzählt, schlecht komponiert oder kontextlos. Ein Styled Shoot und eine Reportage sind zwei Paar Schuhe. Deshalb empfehle ich den Fotograf*innen, ihr Handwerk zu meistern und den Paaren, sich längere Fotostrecken zeigen zu lassen.
Und zu guter Letzt als kleine Ergänzung: Freie Shoots, die man auch zu „inszeniert“ zählen könnte, können auch ein künstlerisches Ventil sein und man hat die Möglichkeit, bestmöglich der eigenen Vision und Ästhetik zu folgen. Es wird dann interessant, wenn man was tatsächlich Neues erschafft, aber in den meisten Fällen wird hier kopiert und imitiert.
Einige wenige Fotograf*innen erschaffen aber wirklich außergewöhnliche Bilder. Für mich sind solche Shoots dann interessant, wenn sie den typischen Rahmen von Styled Shoots weit hinter sich lassen – die Chancen auf Veröffentlichung sind aber wesentlich geringer.
Wieviel Zeit nehmen sich Brautpaare am Hochzeitstag für die Paarfotos in der Regel? Und zu wieviel Zeit ratet Ihr ihnen?
Brautpaare nehmen sich in der Regel zwischen 15 und 60 Minuten Zeit für die Paarportraits, mit Ausnahmen in beide Richtungen natürlich. Wie viel Zeit man braucht oder wünscht, ist sehr unterschiedlich, so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Manche brauchen eine ruhige Aufwärmphase vor der Kamera, während andere eher nervös werden, je länger sie von ihrer Gesellschaft getrennt sind.
Unsere Aufgabe ist es, bestmöglich zu beraten. Wir sind aber nicht diejenigen, die letztlich entscheiden. Ob und wie lange ist immer Entscheidung des Paares. Fotograf*innen sind keine Rockstars und Starallüren sind daher unangebracht. Es geht da um Erwartungsmanagement und die richtigen Ratschläge.
Mit dem Hasselblad Masters Award habt Ihr nicht nur einen sehr guten Award mit viel Aufmerksamkeit, sondern auch eine Mittelformatkamera von Hasselblad gewonnen. Das führt mich zur Frage: Mit welcher Technik habt Ihr bisher gearbeitet und wird die neue Hasselblad bei Hochzeitsreportagen zum Einsatz kommen?
Wir haben früher Fujifilm genutzt und sind Ende 2016 auf Sony umgestiegen. Ich arbeite zu 95 % mit einem Sony Zeiss 35 mm f/1.4 und Ronja mit einem Sony Zeiss 55 mm f/1.8. Für die Portraits verwende ich gern ein Tele-Objektiv, momentan ein Zeiss 100 mm f/2.0 Makro Planar.
Ich bin der Meinung, dass man mit jeder Ausrüstung gute Bilder machen kann, aber gute Sensoren und vor allem gute Objektive erzeugen in der Bildwirkung definitiv eine besondere Magie und Plastizität, die auch an die Ausrüstung gebunden ist. Wir arbeiten, abgesehen von Partybildern am späten Abend, ausschließlich mit vorhandenem Licht. Rotes Licht darf rot sein und blaues Licht blau. Wir versuchen, die Situationen atmosphärisch festzuhalten, natürlich mit einem gewissen künstlerischen Spielraum.
Was die Mittelformatkamera von Hasselblad angeht, brennen wir schon darauf, sie zum Einsatz zu bringen. Wir werden in den nächsten Monaten ein Editorial für Hasselblad fotografieren und dürfen das Equipment dann das erste Mal ausprobieren, bevor wir im September unsere eigene Kamera bekommen. Wir wissen bislang nur, dass es eine Mittelformatkamera ist, ich bin ein absoluter Technikgeek und sehr gespannt drauf.
Ich bin gespannt, was Ihr für Hasselblad macht. Gibt es aktuell Trends in der Hochzeitsfotografie, die Euch aufgefallen sind?
Oh, viele, viele. Die Hochzeitsfotografie ist dominiert von Trends. Jeder veröffentlich Presets und sie werden fleißig gekauft. Grundsätzlich nicht schlimm, aber dadurch fällt es natürlich vielen schwer, aus der breiten Masse herauszustechen. Generell wird der Markt immer dichter und ich weiß, dass einige Fotograf*innen, auch bekanntere und größere Namen, aktuell über einen Ausstieg nachdenken.
Ich denke, dass es nicht sonderlich hilft, zu viel zu schauen, was die Konkurrenz macht. Man muss seinen eigenen Weg finden und Inspiration schöpfen wir persönlich aus ganz anderen Bereichen der Kunst. Wir versuchen, unseren Feed möglichst frei von Trends und Schondagewesenem zu halten. Während ich diese Antwort tippe, merke ich, dass allein das gedankliche Auseinandersetzen mit Trends sich ermüdend anfühlt. Ich habe mich an den meisten Motiven unendlich satt gesehen. Wir versuchen, ihnen eher aus dem Weg zu gehen.
Dass viele auch sehr bekannte und scheinbar erfolgreiche Hochzeitsfotograf*innen in letzter Zeit aufhören, ist mir auch aufgefallen. Hast Du einen Tipp für Menschen, die gerade erst beginnen, in der Hochzeitsfotografie Fuß zu fassen?
Mein Tipp für Unerfahrene ist, sich eingehend mit Marketing und Kundenerfahrung zu beschäftigen. Klingt erst einmal abschreckend, aber die Materie ist wesentlich weniger trocken und weit sinnstiftender, als man vermuten würde. Das ist das A und O und das, was 95 % der Fotograf*innen im Hochzeitsgeschäft nicht beherrschen.
Knüpft reale Kontakte, gebt positive Energie nach außen und seht, dass hinter allem, egal ob Geschäft oder Hochzeitspaaren, Menschen stehen. Menschen mit Ängsten, mit Qualitäten und Schwächen, die in der Flüchtigkeit der heutigen Welt wahres Interesse wertschätzen werden. Instagram, Facebook und alle anderen Kanäle sind unzuverlässig. Nur reale Kontakte und Beziehungspflege sind wirklich nachhaltig.
Vielen Dank für das Gespräch!