Von der Idee zum Bild mit Andreas Pohl
Das Bild in seiner Grundidee hatte ich bereits im August 2014 im Kopf und das Selbstportrait dazu dann auch so bereits aufgenommen. Jedoch unterscheidet sich der damalige Ansatz deutlich von der jetzigen Umsetzung. Damals wollte ich ein Portrait umsetzen, das ein Foto vor meinem Gesicht als Blickfang nutzt, jedoch prinzipiell einen Ausschnitt des gleichen Moments zeigt, nur mit geöffnetem Auge.
Das Bild habe ich aber dann so nie veröffentlicht, da mir Selbstportraits immer zu persönlich erschienen und ich mich mit dem Gedanken bisher nicht so wohl gefühlt habe, Bilder von mir selbst anderen, mir unbekannten Menschen, zu zeigen. Außerdem gefiel mir in dieser Version der Gesichtsausdruck nicht wirklich.
Die Aufnahme habe ich in meiner alten Wohnung vor dem einzigen Fenster im Wohnzimmer gemacht. Da sich die Wohnung im Erdgeschoss eines Hinterhofs befand, gab es eigentlich immer nur passives und eher kühles Licht von draußen, was auf dem Originalfoto auch zur blauen Färbung der weißen Wände führte. Hier hatte ich schon einige Portraits von Freunden gemacht und wusste, dass der Ort ohne zusätzliches Licht eine sehr gleichmäßige Ausleuchtung erzeugt.
Also Kamera aufs Stativ (Canon 5D Mark II), passendes Objektiv gewählt (EF 50 mm f/1.4), Blende auf f/1.8, ISO auf 1250, Fernauslöser angeschlossen und drei bis vier Bilder aufgenommen. Um die Schärfe trotz der großen Blendenöffnung genau dort hinzubekommen, wo ich sie haben wollte, habe ich den Autofokus der Kamera verwendet und einen Fokuspunkt an die Position meines Auges gesetzt. Natürlich ist dazu ein wenig Austesten nötig, bis man die genaue Position für die Kamera und sich selbst gefunden hat, aber es geht trotzdem recht schnell und einfach. Man kann aber auch manuell fokussieren und sich nach und nach an den perfekten Fokus herantasten.
Um Ablenkungen im Bild zu vermeiden, habe ich mich damals entschlossen, das Foto ohne Shirt zu machen. Damit ich später die Illusion eines Fotos vor dem Gesicht erzeugen kann, habe ich ein Blatt Papier in ca. 15 x 10 cm Größe zurechtgeschnitten, etwas zerknittert und in der Aufnahme vor das Gesicht gehalten.
Die Idee, das damalige Bild nun zu ändern und doch zu veröffentlichen, kam mir durch Laura Zalengas Fotoprojekt #laurazalenga17weeks. Hierbei geht es darum, jede Woche zu einem anderen Themenschwerpunkt Selbstportraits zu erstellen, um dabei sich und anderen durch Inspiration und Kritik zu helfen und um sich weiterzuentwickeln. Da ich die Bilder von Laura seit vielen Jahren kenne und ich immer wieder von den unglaublichen Emotionen und Geschichten, die ihre Bilder erzählen, beeindruckt bin, habe ich mich entschlossen, in ihrem Fotoprojekt mitzuwirken.
Beim Wochenthema #time wollte ich die Vergänglichkeit unseres Seins darstellen und versuchte, dazu einige Bilder meines 10-jährigen Neffen mit der alten Idee meines Selbstportraits mit Foto zu kombinieren, um ein jüngeres Ich auf dem Foto im Foto zu zeigen. Jedoch konnte ich mich mit den Ergebnissen nicht so recht anfreunden und dachte, dass ein Foto, das das zukünftige Ich zeigt, mehr Emotion transportieren würde.
Deshalb fing ich an, Stockfotos nach passenden Portraits zu durchsuchen und bin letzten Endes auch fündig geworden. Für die Bearbeitung von Bildern verwende ich Photoshop, da es für mich die kreativsten Möglichkeiten bietet und schnell und einfach zu bedienen ist. Zuerst habe ich eine Einstellungsebene Schwarzweiß mit einer Deckkraft von 56 % verwendet, um die Farbsättigung, besonders in den Hauttönen, zu reduzieren. Teile der Sättigung im Gesicht wollte ich erhalten, dazu habe ich in der entsprechenden Ebenenmaske mit schwarz die gewünschten Bereiche grob ausgemalt.
Als nächstes habe ich mit Texturen experimentiert, um dem Ganzen einen träumerischen und gebrauchten Look zu geben. Ich habe mich für zwei verschiedene Texturen entschieden und diese mit dem Bild überlagert. Die dunkle Textur gibt dem Foto eine papierähnliche Wirkung, während die zweite die Kratzer und Staubpartikel ins Bild zaubert. Auf die zweite wende ich zusätzlich eine Schwarzweiß-Einstellungsebene an.
Das Foto des alten Mannes habe ich als nächste Ebene eingefügt, über die Transformationssteuerung perspektivisch angepasst und mit einer Ebenenmaske des Papierausschnitts eingeblendet. Mit zwei Gradationskurven habe ich die Farbe und den Kontrast an das Bild angepasst. Zuletzt habe ich mit einer Gradationskurve die Farben des gesamten Bildes, besonders der Hauttöne, verändert und leicht ins Grüne verschoben, um den etwas verträumten Look zu erhalten.
Das Thema Zeit in einem Foto zu verarbeiten, wäre mir ohne die alte Fotoidee sehr schwer gefallen. Mit dem Ergebnis bin ich schließlich ganz zufrieden. Ich mag den zufriedenen Blick auf dem Foto und die Ruhe, die das gesamte Bild ausstrahlt. Viele Gedanken über das Leben und die Zukunft gehen mir beim Betrachten durch den Kopf. Vielleicht hätte ich es im 3:2-Querformat belassen sollen, um links und rechts etwas mehr Raum zu schaffen, aber auch so bleibt es für mich besonders.