14. Juli 2017 Lesezeit: ~5 Minuten

Wer bin ich?

Dieser Frage möchte ich mich nun einmal ganz offen stellen, denn sie ist für mich unmittelbar damit verbunden, diesen Artikel hier zu schreiben. Wer bin ich, dass ich hier schreibe? Worum geht es bei meinen Arbeiten und was möchte ich über sie erzählen? Ist Kunst nicht immer auch eine Form der Selbstverwirklichung?

Wie zurückversetzt in die 10. Klasse Philosophie sitze ich nun vor meinen Bildern und frage mich: Was könnte ich über meine Bilder erzählen? Was könnten sie über mich erzählen? Es geht darum, eine eigene Identität in der Fotowelt zu finden. Das, was alle Kunstschaffenden einzigartig macht. Jede*r ist anders als der*die Andere – aber was macht meine Bilder eben zu meinen Bildern? Eine Frage, die mir noch tagelang schwer im Magen liegen soll.

Frau mit Vogel

Mein erster Gedanke ist: Ich weiß es nicht. Ich habe mich selbst noch nicht gefunden und auf der einen Seite ist das ein erleichterndes Gefühl – frei von einem Stil zu sein. Auf der anderen Seite schaue ich erschütternd oft auf meine Arbeiten und scheine schlichtweg zu verzweifeln.

Wenn ich durch Flickr, Instagram und Co. schaue, brauche ich ab einem gewissen Punkt keine Namen mehr zu sehen, um viele Künstler zu erkennen. Nicht, weil ihre Arbeiten immer gleich wirken, sondern weil sie es schaffen, ihre ganz individuelle Ausstrahlung in sehr unterschiedliche Bilder zu verpacken.

Eine Frau liegt in einer Blumenwiese

Beneidenswert. Als würde ich durch ein Museum der Neuzeit wandern und gar nicht mehr auf das kleine verstaubte Schild schauen müssen, um zu wissen, dass hier besondere Fotografien vor mir hängen. Doch oft sind diese Künstler*innen, die ich um ihren Ausdruck beneide, selbst noch auf der Suche – auch wenn sie schon diesen einen Schritt voraus zu sein scheinen.

Braucht man einen Stil? Ein Markenzeichen? Eine Masche? Wenn ich länger darüber nachdenke, wird mir klar: Die Eindrücke, die ich mag, die mich berühren und beschäftigen – das sind die Dinge, die am Ende in mein Bild kommen und dadurch auch ein bisschen der Leitfaden für den eigenen, ganz persönlichen Stil sind.

Eine Frau mit Taucherhelm in der Badewanne

Doch stehe ich hier, weiß eigentlich, was ich bewundere, welche Elemente mich begeistern und welche Farben ich besonders ins Herz geschlossen habe und finde trotzdem meinen Hafen nicht. Schaue ich meine Arbeiten der letzten Wochen an, könnte ich mir die Haare raufen; bewusst, dass es Menschen gibt, die meine Werke mögen und auch ich irgendwie einen Platz für sie in meiner Galerie gefunden habe, es scheint immer etwas zu fehlen. Dieser letzte Schliff.

Doch so oft ich auch schreien mag über diesen fehlenden roten Faden, so oft sollte ich auch dankbar sein, umherzuwandern in der großen Frage: Wer bin ich und wo will ich mit meiner Arbeit hin? Ich sehe oft Fotograf*innen, bei denen man denken könnte, dass sie ab einem gewissen Punkt immer und immer wieder ein Bildelement wiederholen, weil sie gemerkt haben, dass es besonders beliebt ist und sie folglich anfangen, sich auf dem Moment der Schönheit oder einer Methode auszuruhen, eben weil es für sie funktioniert.

Eine Person mit Tränen aus Wachs

Hingegen weiß ich auch, dass Künstler*innen, die für ihren Stil gefeiert werden und für sich einmal etwas Neues ausprobieren möchten, mit Missgunst und Unverständnis vom Publikum kämpfen müssen. Einfach, weil es so „anders“ ist als ihre doch so geliebten Arbeiten.

Menschen sind so unterschiedlich, gehen so unterschiedlich an Dinge heran. Sind perfektionistisch, experimentell, provokant oder schüchtern mit ihrer Kunst und das Internet bietet eine so breite Masse aus Ideen, Publikum und Herausforderungen, dass man regelrecht erschlagen wird von Inhalten, die man täglich in sich verarbeiten muss. Wenn man sich diesem Meer der Reizüberflutung hingibt, ist es fast schon normal, dass es schwer fällt, sich selbst zu finden.

Eine Frau mit Haaren aus dem Mund

So viele Künstler*innen da draußen kämpfen mit dem gleichen Kummer. Egal ob Unerfahrene oder waschechte Profis: Irgendwann kauen alle auf dem Problem der Selbstfindung herum. Der ständige Vergleich, die tägliche Inspiration von allen Seiten und in alle Richtungen – plötzlich ist man Alice im Wunderland und weiß gar nicht mehr, welchen Weg man gehen soll.

So schreibe ich diesen Text und bin immer noch nicht schlauer, wer ich mit meinen Bildern bin. Höchstwahrscheinlich wird diese Frage auch noch lange an meiner Seite sein und unbeantwortet bleiben. Irgendwann, so hoffe ich, werde ich meinen Hafen finden. Bis dahin arbeite ich an mir selbst, reflektiere meine Werke und freue mich auf diesen Moment. Denn wie heißt es so schön? Der Weg ist das Ziel.

10 Kommentare

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  1. Künstler, die erfolgreich sind und sich selbst immer wieder kopieren, haben wohl eher kommerzielle Interessen (was völlig legitim ist), – für mich ist künstlerisch ambitionierte Photographie immer auch eine (vermutlich nie endende) Suchbewegung. In der Photographie kann ich dokumentarisch arbeiten, auf den Moment regieren, bestimmte Themen favorisieren, kurz: das Spektrum ist riesig! Es klingt banal, aber: es gibt nicht nur einen Weg. Es hat viel mit Ider eigenen Identität zu tun und damit, wie ich die Welt um mich herum wahrnehme. Die hier gezeigten Photos haben für mich einen poetisch-selbstreflexiven Charakter.

  2. … das Problem ist tatsächlich die Reizüberflutung.
    Wie viele Bilder sehen wir allein pro Tag – verbunden mit all den Empfindungen und Gedanken ?
    Auch die Wiederholungen sind ein Problem.
    Ich kann zu einem Gebiet so viele ähnliche Fotos finden dass es mir am Ende irgendwie Leid wird (geht mir gerade mit Konzertfotos so).

    Fotos die für mich besonders sind sind Fotos an die ich mich erinnern kann. Nach einer Stunde, nach einem Tag oder mein Leben lang.
    Das Foto des kleinen Mädchen welches nach einem Napalm-Angriff in Vietnam aus ihrem brennenden Dorf läuft ist so ein Foto was tief in mir verankert ist.

    Ich selber versuche authentische Fotos zu machen. Das befreit mich vom Druck selber kreativ und künstlerisch zu sein. Natürlich lege ich irgendwie eine persönliche Auswahl und Gestaltung zu Grunde, aber es sollte immer so sein. dass das Authentische erhalten bleibt. Wenn wir beide, also die Person die ich fotografiert habe und ich selber mit dem Ergebnis zufrieden sind, reicht mir das – alles andere kann ich eh nicht beeinflussen.

  3. Kann man sich denn heute noch selbst erfinden oder ist man nicht anhand der Bilder die man überall sieht nicht immer nur Kopie von etwas schon dagewesenen?

    Anderseits haben sich so auch die ganz großen Künstler immer weiterentwickelt. Eigentlich ist es ja eine individuelle Entwicklung.

  4. Ist doch schön, wenn nicht alle Fragen beantwortet werden. Das Suchen und Ringen ist doch das Spannende in der Kunst ,, und die Fragen lassen sich ja auch prima leben. Bilder die Fragen aufwerfen, lassen doch erst Geschichten im Kopf entstehen. . In so fern sehe ich alles im grünen Bereich :bei dir -)

    Lg Carsten

  5. Um ehrlich zu sein , machen einige der Bilder einen sehr verstörenden Eindruck auf mich. Perfekte Grundlage für einen Psychothriller. Dabei ist die Frage essentiell. Vllt fürchten wir uns einfach vor der Frage und der damit verbundenen Wahrheit. *grusel*

  6. Bilder und Worte, die Fragen aufwerfen. Etwas spät – das Rad der Zeit rädert –, mein Kommentar, aber vielleicht entsteht doch noch eine kleine Diskussion.
    Ich störe mich an dem Begriff des Künstlers und was sein Sein sein soll: Da ist dieses Sich-Ausruhen auf einer ›Methode‹ … was Anderes als Anerkennung, Wertschätzung ist der Lohn eines Künstlers!? Ist das nicht ganz banal, dem Weg, der einen – Endlich! Licht am Ende des Tunnels! – Horizont aufzeigt, weiterzufolgen!? Ist das wirklich ein ›Ausruhen‹? (Ein gutes Exempel ist mir Cervantes‘ Don Quijote; sein zweiter Teil wurde eine Dekade später veröffentlicht.) Ist das Sich-Wiederholende eines bestimmten Bildelements nicht gerade der rote Faden!? Das klingt mir – Pardon! – zu oberflächlich; zu sehr auf das ›Produkt‹, das man als Rezipient, gerade weil der innere Prozess des Künstlers, die Entstehung seines Produktes eher verborgen bleiben, reduziert. ›Funktion‹ – zumindest in Deinem Duktus; dass da emotional oder psychisch beim Künstler etwas geschieht – und ›Künstler‹ sind meiner Meinung nach ein Widerspruch, das klingt mir zu rational.
    Viele Künstler sind ›bekümmert‹ ob ihrer Selbstfindung!? Ist nicht gerade der von der von Dir erwähnte Der-Weg-ist-das-Ziel die Selbstfindung!? Die Künstler, die ich so kenne, oder auch nicht, weil die sind alle tot, also die historischen, die haben sich bis zuletzt im Sich-Gefunden verloren. Kämpfen Künstler mit Kummer, oder ist nicht eher der Kummer die eigentliche identitätsstiftende Motivation?
    Deine Photographien sind ansprechend, gewiss!, sie erzählen, aber in Anbetracht der Sintflut ähnlicher Bildpoesie, bleiben sie repetitiv. (– Und ja: das Thema mitsamt Kritik wird bleiben, solange diese Themen bekannt werden: Menschen, hauptsächlich junge halbnackte Frauen, irgendwie betroffen, schwermütig, irgendwie schön, vor, in und hinter abstrakten Kulissen, in symbolträchtiger Kleidung oder mit anderen eher untypischen Accessoires.) Diesbezüglich verstehe ich den Begriff der ›individuellen Ausstrahlung‹ nicht, klingt eher nach Anders‘ ›Masseneremit‹.

  7. Wow! Was für ein toller tiefgründiger Text. Ich bin beeindruckt. Du sprichst mir damit aus der Seele. Als ich anfing zu fotografieren habe ich wie viele andere auch alles ausprobiert. Hängen geblieben bin ich bei der Street Fotografie. Den Menschen ganz nah auf den Pelz rücken und natürlich den besonderen Moment einfangen. Aber warum mache ich das ständig? Was treibt mich an. Mit der Frage schlage ich mich auch schon lange herum. Aber müssen wir das wirklich herausfinden? Oder werden wir das jemals herausfinden? Warum ist das so wichtig für einen selbst? Fragen über Fragen

  8. „was macht meine Bilder eben zu meinen Bildern?“ Ganz einfach: Dass Du sie gemacht hast. Jedes Bild ist immer auch eine Reflektion des Bildschaffenden, in diesem Fall der Fotografin. Alles, was Du bist, zeigt sich also auch in Deinen Bildern. Ob das nun ein individueller Stil sein muss? Nö, warum? Ist heutzutage eh sehr schwer geworden, einen eigenen Stil zu entwickeln, den es nicht schon gibt.
    Desweiteren bist Du noch ziemlich jung – was wäre, wenn Du jetzt schon „Deinen“ Stil erarbeitet oder gefunden hättest? Würdest Du dann die nächsten 50 Jahre nur noch Fotos in diesem Stil machen? Wohl kaum. Also wird ein gefundener Stil sicherlich niemals endgültig sein, weil man sich ja immer weiter entwickeln möchte, immer etwas anderes umsetzen. Deshalb finde ich diese Jagd nach einem eigenen Stil völlig fehl am Platze.
    Auch bringen Vergleiche mit anderen Fotos und Fotografen selten konstruktives, zumindest wenn man sich daran misst; dann lieber Ideen von ihnen mitnehmen und in die eigenen Bilder einfließen lassen, aber bitte nicht kopieren.

  9. Blogartikel dazu: Vitrine der Fundstücke |0717 | hehocra