Wer bin ich?
Dieser Frage möchte ich mich nun einmal ganz offen stellen, denn sie ist für mich unmittelbar damit verbunden, diesen Artikel hier zu schreiben. Wer bin ich, dass ich hier schreibe? Worum geht es bei meinen Arbeiten und was möchte ich über sie erzählen? Ist Kunst nicht immer auch eine Form der Selbstverwirklichung?
Wie zurückversetzt in die 10. Klasse Philosophie sitze ich nun vor meinen Bildern und frage mich: Was könnte ich über meine Bilder erzählen? Was könnten sie über mich erzählen? Es geht darum, eine eigene Identität in der Fotowelt zu finden. Das, was alle Kunstschaffenden einzigartig macht. Jede*r ist anders als der*die Andere – aber was macht meine Bilder eben zu meinen Bildern? Eine Frage, die mir noch tagelang schwer im Magen liegen soll.
Mein erster Gedanke ist: Ich weiß es nicht. Ich habe mich selbst noch nicht gefunden und auf der einen Seite ist das ein erleichterndes Gefühl – frei von einem Stil zu sein. Auf der anderen Seite schaue ich erschütternd oft auf meine Arbeiten und scheine schlichtweg zu verzweifeln.
Wenn ich durch Flickr, Instagram und Co. schaue, brauche ich ab einem gewissen Punkt keine Namen mehr zu sehen, um viele Künstler zu erkennen. Nicht, weil ihre Arbeiten immer gleich wirken, sondern weil sie es schaffen, ihre ganz individuelle Ausstrahlung in sehr unterschiedliche Bilder zu verpacken.
Beneidenswert. Als würde ich durch ein Museum der Neuzeit wandern und gar nicht mehr auf das kleine verstaubte Schild schauen müssen, um zu wissen, dass hier besondere Fotografien vor mir hängen. Doch oft sind diese Künstler*innen, die ich um ihren Ausdruck beneide, selbst noch auf der Suche – auch wenn sie schon diesen einen Schritt voraus zu sein scheinen.
Braucht man einen Stil? Ein Markenzeichen? Eine Masche? Wenn ich länger darüber nachdenke, wird mir klar: Die Eindrücke, die ich mag, die mich berühren und beschäftigen – das sind die Dinge, die am Ende in mein Bild kommen und dadurch auch ein bisschen der Leitfaden für den eigenen, ganz persönlichen Stil sind.
Doch stehe ich hier, weiß eigentlich, was ich bewundere, welche Elemente mich begeistern und welche Farben ich besonders ins Herz geschlossen habe und finde trotzdem meinen Hafen nicht. Schaue ich meine Arbeiten der letzten Wochen an, könnte ich mir die Haare raufen; bewusst, dass es Menschen gibt, die meine Werke mögen und auch ich irgendwie einen Platz für sie in meiner Galerie gefunden habe, es scheint immer etwas zu fehlen. Dieser letzte Schliff.
Doch so oft ich auch schreien mag über diesen fehlenden roten Faden, so oft sollte ich auch dankbar sein, umherzuwandern in der großen Frage: Wer bin ich und wo will ich mit meiner Arbeit hin? Ich sehe oft Fotograf*innen, bei denen man denken könnte, dass sie ab einem gewissen Punkt immer und immer wieder ein Bildelement wiederholen, weil sie gemerkt haben, dass es besonders beliebt ist und sie folglich anfangen, sich auf dem Moment der Schönheit oder einer Methode auszuruhen, eben weil es für sie funktioniert.
Hingegen weiß ich auch, dass Künstler*innen, die für ihren Stil gefeiert werden und für sich einmal etwas Neues ausprobieren möchten, mit Missgunst und Unverständnis vom Publikum kämpfen müssen. Einfach, weil es so „anders“ ist als ihre doch so geliebten Arbeiten.
Menschen sind so unterschiedlich, gehen so unterschiedlich an Dinge heran. Sind perfektionistisch, experimentell, provokant oder schüchtern mit ihrer Kunst und das Internet bietet eine so breite Masse aus Ideen, Publikum und Herausforderungen, dass man regelrecht erschlagen wird von Inhalten, die man täglich in sich verarbeiten muss. Wenn man sich diesem Meer der Reizüberflutung hingibt, ist es fast schon normal, dass es schwer fällt, sich selbst zu finden.
So viele Künstler*innen da draußen kämpfen mit dem gleichen Kummer. Egal ob Unerfahrene oder waschechte Profis: Irgendwann kauen alle auf dem Problem der Selbstfindung herum. Der ständige Vergleich, die tägliche Inspiration von allen Seiten und in alle Richtungen – plötzlich ist man Alice im Wunderland und weiß gar nicht mehr, welchen Weg man gehen soll.
So schreibe ich diesen Text und bin immer noch nicht schlauer, wer ich mit meinen Bildern bin. Höchstwahrscheinlich wird diese Frage auch noch lange an meiner Seite sein und unbeantwortet bleiben. Irgendwann, so hoffe ich, werde ich meinen Hafen finden. Bis dahin arbeite ich an mir selbst, reflektiere meine Werke und freue mich auf diesen Moment. Denn wie heißt es so schön? Der Weg ist das Ziel.