Kreative Makrofotografie
Wenn das Wort Makrofotografie fällt, wird häufig an das Fotografieren von Insekten, Spinnen und kleinen Lebewesen gedacht, vielleicht auch noch an Blumen. Doch es gibt weitaus mehr Motive zu finden, als man vielleicht zuerst denken mag.
Wer sich mit diesem faszinierenden Bereich der Fotografie beschäftigt, wird um den technischen Teil, also alles, was es an Ausrüstung braucht, nicht drum herum kommen. Darüber gibt es bereits genügend Artikel, die einem helfen, die technische Grundlage zu legen. Dann gibt es noch viele hilfreiche Tipps und Tricks, die man sicher auch alle kennen sollte. Ob es um das Fotografieren mit dem Stativ geht bis hin zu speziellen Einstellungen an der Kamera wie der Spiegelvorauslösung.
Aber all dieses Wissen nutzt einem nicht viel, wenn man nicht mit offenen Augen durch die Natur wandert und an Motiven vorbei geht, ohne die vielen Chancen zu nutzen. Die Chance, ein Bild mit nach Hause zu nehmen, das dem Betrachter zuerst ein Rätsel ist oder einfach nur ein Staunen auslöst.
Bei meinen Makrotouren habe ich gelernt, langsam und fokussiert spazieren zu gehen. Den Blick schweifen lassen und ab und an auch einmal stehen zu bleiben und bestimmte Äste, Blätter oder Bachläufe auf mich wirken zu lassen.
Es geht also um die Entdeckung – es dann richtig in Szene setzen und den Schatz dann mit nach Hause zu nehmen. Denn was ist ein Bilderarchiv mit interessanten und abwechslungsreichen Bildern anderes als ein Schatz?
Die meisten Motive finden sich nicht direkt auf Augenhöhe, so ist der Blick nach unten oft der richtige Weg. Es folgt dann die Wahl der Perspektive und des Bildschnitts und mit den richtigen Einstellungen an der Kamera wird dieser Moment dann festgehalten. An einem eigenen Beispiel möchte ich meine Herangehensweise erklären und dem einen oder anderen vielleicht eine Anregung für neue Blickwinkel geben.
Gefangen im Eis
Bei einer Fototour mit einer befreundeten Fotografin zu einem kleinen See lag es nahe, viele Naturbilder zu machen. Vorrangig der See in verschiedenen Perspektiven. Beim Gang entlang des Ufers habe ich dann das gefrorene Eis beobachtet und an einer Stelle eine Wasserblase unterhalb der Eisdecke entdeckt. Und genau dazwischen noch ein kleines Stück Holz. Für mich eine tolle Entdeckung!
Nun ging es darum, die passende Perspektive zu finden und es war schnell klar, dass es nur wirken würde, wenn es frontal von oben fotografiert wird. Gesagt, getan! Makroobjektiv aufgeschraubt und direkt ans Ufer ran und auf den Boden gelegt mit dem Oberkörper über der Eisfläche mit der Blase und dem Holzstück.
Ein paar Probeschüsse waren nötig, um den Fokus richtig zu setzen und die passende Schärfe zu erhalten. Aber im heutigen digitalen Zeitalter kann man vor Ort so viel experimentieren, wie man möchte und am Rechner später das passende Material behalten und den Rest einfach löschen.
Die Optimierung
Meine weitere Leidenschaft, die Bildbearbeitung, ermöglichte mir dann, das Bild so zu optimieren, dass es meinen persönlichen Vorstellungen immer mehr entsprach. Heute hängt das Bild bei mir im Gang zu meinem Studio und es gefällt mir auch nach vielen Jahren immer noch sehr und erinnert mich an diesen Fototag.
Meine Familie und auch Besucher haben sich anfangs mit dem Bild beschäftigen müssen, um zu sehen, was es eigentlich ist und waren am Ende einfach nur begeistert. Und ist es nicht eines der wichtigsten und schönsten Ergebnisse, wenn ein Bild eine Geschichte erzählt oder zum Nachdenken anregt?
So bieten sich unendlich viele Möglichkeiten an Motiven, wenn man einfach die Augen offen hält und sich die Zeit nimmt. Zeit, um zu entdecken und sich auf diese Makrowelt einzulassen mit all ihrer Schönheit und Faszination. Dann wird ein verwelktes Blatt an einem Ast zur einzigartigen Schönheit und zum Symbol der Vergänglichkeit. Hat man in diesem Fall den passenden Winkel gewählt und einen ruhigen und im besten Fall dunklen Hintergrund, so steht allein dieses Blatt im Fokus und man befasst sich mit den ganzen Details, die sich plötzlich zeigen.
Ein gefundenes Motiv kann bei verschiedenen Fotograf*innen am Ende ganz anders herausgearbeitet werden. Die wichtigste Entscheidung nach dem eigentlichen Finden ist die Wahl der Perspektive. Bei der letzten Fototour haben wir ein Stück Eis auf dem zugefrorenen kleinen Teich gefunden. Hier sieht man, wie ich den tiefstmöglichen Standpunkt gewählt habe.
Für dieses Motiv musste ich nicht einmal das eigene Grundstück verlassen. Es ist Baumharz einer Tanne. An diesem Tag habe ich herzförmige Tropfen entdeckt und mich für das frontale Fotografieren entschieden. Jetzt musste ich nur noch den richtigen Winkel finden, um das sich in den Tropfen brechende Licht richtig einzufangen. Und das alles im eigenen Garten! Ohne große Ausrüstung, ohne Stativ.
Nun wäre die Gelegenheit da, noch eine ganze Reihe möglicher Motive zu nennen, aber viel besser ist es doch, selbst auf Makrojagd zu gehen und die persönliche Schatzsuche zu beginnen. Mit dieser Herangehensweise wagt man sich dann auch Schritt für Schritt näher ran an die kreative Fotografie und das Erlernen der passenden Einstellungen wird immer einfacher. Nicht immer wird es das technisch perfekte Foto ergeben, aber manchmal lebt ein Bild auch einfach nur vom Motiv selbst.
Die richtige Ausrüstung und das technische Verständnis sind also sicher hilfreich, jedoch bietet diese Art der kreativen Makrofotografie auch Anfängern die Möglichkeit, eigene kreative Ergebnisse zu erschaffen. Bei guten Bildern wird oft erst nach der Kamera und dem Objektiv gefragt. Eine gute Kombination hilft zwar beim technischen Ergebnis, aber vergesst Euer eigenes, das wichtigste, Werkzeug nicht! Eure Augen und Eure Fantasie.
Habt Spaß an der Fotografie und Liebe zum Detail. Geduld kann schneller zu den richtigen Motiven führen. Als Belohnung sieht man die Welt mit anderen Augen und kommt zur Ruhe. Viel Spaß und Freude auf der Schatzsuche und allzeit gutes Licht!
Super Artikel… gefällt mir gut.
Bringt mich direkt auf die Idee raus zu gehen, danke
Klasse! Ich habe zwei Makroobjektive, die ich selten benutze. Vielleicht sollte ich mal wieder …
P.S.
Den Unterschied von „unbearbeitet“ vs „bearbeitet“ finde ich schon ziemlich krass … zu viel Bearbeitung für meinen Geschmack.
Toller Beitrag, das letzte Bild gefällt mir am Besten.
Sehr schön! Zeigt was zu machen ist! Ja ich finde es schade dass die Makrofotografie meistens nur an Blumen und Insekten gedacht wird.
Makroaufnahmen im Winter funktionieren sehr sehr gut, ich habe mich letztens auch an das Thema gemacht und bin mit den Ergebnissen ganz zufrieden :-)
https://mikeschernbeck.wordpress.com/2017/01/01/frozen-plants-walimex-nikon-d810-ice-winter/
Ich danke Euch für Eure Kommentare zu meinem Artikel!
Es hat sehr viel Spaß gemacht :-)
Jan, ein schöner Artikel und ebenso wunderbare Bilder. Das Stück Eis mein ganz klarer Favorit.
Klasse Bilder. Echt was anderes. Da ruft das Makro, ich will raus.
Vielen Dank für den inspirierenden Artikel! Da möchte ich am liebsten gleich nach draußen gehen :)
Was hast du denn an dem Holzstück-Bild alles nachbearbeitet? Nur den Weißabgleich geändert?
Unser Favorit ist der Baumharz! Das sieht aus wie glitzernde Herzen! Wunderschön!