Rede mit uns
Prostitution wird in Deutschland fast ausschließlich mit Menschenhandel und Zwangsprostitution in Verbindung gebracht, obwohl Sexarbeit 2002 legalisiert wurde. Helena Falabino hat sich mit Prostituierten getroffen, die angeben, selbstbestimmt und freiwillig in diesem Beruf tätig zu sein. Im Rahmen ihres Abschlussprojektes an der Ostkreuzschule in Berlin ging es ihr darum, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und Vorurteile abzubauen.
Helena Falabino, eine italienische Fotografin, nahm im April an einer Veranstaltung über Prostitution des taz.lab im Berliner Haus der Kulturen teil. Dort sprach die Prostituierte Pye Jakobsson aus Schweden darüber, ihren Beruf bewusst gewählt zu haben und gern auszuüben.
Mit ihr diskutierte eine Mitarbeiterin des Karo e. V., einem Verein, der sich an den Grenzen Tschechiens gegen sogenanntes Human Trafficking (Menschenhandel) einsetzt. Karo e. V. (wie auch viele andere Organisationen) vertritt die Position, dass es nicht normal sein kann, dass Menschen ihren Körper verkaufen.
Prostitution ist nicht nur ein Job, der Gesundheitsrisiken mit sich bringen kann, sondern aus dem ein Ausstieg zusätzlich nicht einfach zu bewältigen ist. Was schreibt man in den Lebenslauf, welchen Beruf man die letzten Jahre ausgeübt hat?
Das Prostitutionsgesetz, das 2002 in Kraft getreten ist, sollte die Rechte der Sexarbeiterinnen stärken (z. B. Entgeldanspruch, Krankenversicherung). Stattdessen hat sich die Situation für viele Sexarbeiterinnen leider massiv verschlechtert.
Mit Einführung des Prostitutionsgesetzes schossen sogenannte „Flatrate-Bordelle“ aus dem Boden, in denen man für einen geringen Eintrittspreis sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen kann. Vor allem an den Grenzen Deutschlands, z. B. angrenzend an Frankreich, boomt das Geschäft mit der käuflichen Liebe.
Wie viele Frauen sich als Prostituierte betätigen, ist immer noch schwer zu ermitteln. Schätzungen schwanken zwischen einigen Hunderttausenden bis einer Million Frauen, die in Bordellen arbeiten.
Zirka 40 % der Männer sind mindestens ein Mal in ihrem Leben in einem Bordell gewesen. Der überwiegende Teil der Prostituierten sind Frauen mit Migrationshintergrund (exakte Zahlen können im Positionspapier von Terre des Femmes aus dem Jahr 2014 eingesehen werden).
Es gibt jedoch Frauen, die diesen Beruf aus freien Stücken ausüben und diese Sicht wollte Helena Falabino in ihrer Serie stärken. Sie hat sich mit Prosituierten getroffen und ihre Sichtweise erkundet. Helena sagt:
Meiner Meinung nach sollte die Entscheidung zur Prostitution respektiert werden, wenn zwei erwachsenen Menschen aufeinandertreffen und übereinkommen, Sex gegen Geld zu tauschen. Ich denke, dass man Menschen die Entscheidung selbst überlassen muss, ob sie sich auf so ein Geschäft einlassen wollen oder nicht.
Helena Falabino sagt, dass sie sich auch mit den negativen Seiten der Sexarbeit auseinandergesetzt hat. Ihr war es jedoch wichtig, die andere Seite zu zeigen. Alle acht portraitierten Frauen sprachen positiv über ihre Entscheidung für diesen Beruf. Das wichtigste Ziel von Helena war es, ein Projekt gegen die Stigmatisierung von Prostituierten zu entwickeln.
Während Vertreter vieler Parteien und Organisationen mittlerweile für eine Abschaffung der Prostitution plädieren, gibt es seit Februar 2015 eine Kondompflicht für Freier, eine Anmeldepflicht für Prostituierte sowie ein Verbot von Pauschal- und Gruppensexangeboten in Bordellen.
Dem Kunden, der auf ein verschüchtertes Mädchen trifft, muss dennoch klar sein, dass es diese Arbeit nicht freiwillig macht. Und auch, dass eine Stunde Sex keine 19,99 € kosten kann.
Prostitution ist ein komplexes Streitthema. Zwischen den Polen der Freiwilligkeit und des Zwangs gibt es viele Schattierungen. Der Titel des Projektes, „Rede mit uns“ (und nicht über uns), ist wegweisend für eine differenzierte Sicht auf die Thematik der Sexarbeit. Wer mehr über Helena Falabino erfahren möchte, findet Informationen auf ihrer Webseite.