Die vergängliche Kunst von David Catá
David Catá ist ein Performancekünstler, Maler und Fotograf. Schmerz, Nostalgie, Erinnerung und Vergessen sind Themen, die seine Kunst kennzeichnen. Seine erste Einzelausstellung „Dandelions“ findet derzeit in Berlin statt. Zu diesem Anlass habe ich mit David Catá gesprochen.
David Catá kombiniert Fäden und Fotografie. Anders als Künstler, die Bilder mit Nähten verzieren, nutzt David Catá seine Haut als Leinwand.
Die Stiche auf seine Handflächen sind eine Metapher für eine dauerhafte Symbiose zwischen Zeit und Vergessen. Cata näht Gesichter geliebter Menschen in seine Handflächen. Wenn die Fäden entfernt werden, verbleiben Einstichstellen in der Form des Portraits in seinen Händen.
David Catás Arbeiten lassen niemanden unberührt. Von Liebkosungen der Löwenzahnsamen bis zur Brutalität von Stichen reichend, ist sein Werk von einer tiefen Innenansicht geprägt – einem verzweifelten Versuch, Erinnerungen festzuhalten und sich mit dem Schmerz des Vergessens zu konfrontieren.
Hast Du das Nähen für Deine Projekte gelernt oder konntest Du bereits vorher mit Nadel und Faden umgehen?
Die Wahrheit ist, dass mein Interesse am Nähen, oder besser gesagt dem Nähen auf der Haut, erst vor fünf Jahren während meines Masterstudiums auftauchte. Vorher habe ich noch nie genäht, ich wusste noch nicht einmal, wie man Knöpfe befestigt. Aber als Kind habe ich immer mit Nadeln meiner Mutter experimentiert und versucht, sie durch meine Haut zu stechen. Meine Mutter hat oft nächtelang genäht.
Wie hat Deine Familie reagiert, als sie bemerkte, dass Du ihre Portraits auf Deine Handinnenflächen nähst?
Sie waren erstaunt und besorgt. Aber meine Familie ist heute froh, Teil des Projekts zu sein, weil sie den Sinn dahinter verstehen.
Wie viel Zeit musst Du zwischen zwei Performances verstreichen lassen?
Ich warte immer solange, bis sich die Haut vollständig regeneriert hat. Das dauert in der Regel vier Wochen. Das heißt aber nicht, dass ich alle vier Wochen ein Portrait in meine Hände steche. Ich mache das nur, wenn ich ein Bedürfnis danach verspüre.
Welche Rolle spielen Schmerzen bei der Art und Weise, wie Du Deine Familie portraitierst?
Obwohl meine Arbeit schmerzhaft zu sein scheint und wie ein aggressiver Akt gegen meinen Körper wirkt, spreche ich immer von emotionalen (und nicht körperlichen) Schmerzen. „Overexposed Emotions“ ist ein Projekt, das von Schmerz spricht, aber vor allem davon, wie die Menschen, die ich auf meiner Haut portraitiere, mein Leben geformt und eine Spur hinterlassen haben.
Welche Technik hast Du benutzt, um die Löwenzahnsamen auf Deinen Modellen zu befestigen?
Die Löwenzahnsamen klebe ich vorsichtig auf Menschen und Objekte. Das ist eine heikle Vorgehensweise, weil die Samen so zerbrechlich sind. Mein Projekt nutzt Löwenzahnsamen als Metapher für die Vergänglichkeit des Lebens, weil sie einerseits die Überreste einer verdorrten Blume und andererseits der Beginn einer neuen Pflanze sind.
Deine Arbeit ist sehr intim und zart, aber auch brutal und schockierend zugleich. Glaubst Du, dass dieses Spannungsverhältnis den Reiz für Dein Publikum ausmacht?
Meine Arbeiten spielen mit Gegensätzen: Liebe und Schmerz, Vergessen und Erinnern, Bindung und Verlust. Und das erzeugt eine gewisse Spannung beim Betrachter. Einerseits will man nicht hinschauen, andererseits kann man nicht wegschauen. Ich will Gefühle mit meinen Bildern auslösen.
Was sind Themen, mit denen Du normalerweise arbeitest? Glaubst Du, dass Kunst eine Waffe für politische Veränderungen sein kann?
Die Themen, die mich bewegen, umkreisen Erinnern, Vergessen, Schmerz und Beziehungen. Diese Themen beschäftigen mich zunehmend. Ich glaube, dass Kunst ein emotionaler Defibrillator für Gefühle und soziale Interaktionen sein kann. Kunst regt uns zum Nachdenken an und stellt die Schwächen von Menschen zur Schau.
Warum hast Du Dich entschieden, nach Berlin zu ziehen?
Ich kam aus persönlichen und beruflichen Gründen nach Berlin. Ich möchte als Mensch wachsen und meine Arbeiten weiterentwickeln. Berlin ist eine Stadt, die ständig in Bewegung ist und das ist es, was ich derzeit brauche.
Mit welchen Projekten möchtest Du Dich in der Zukunft beschäftigen?
Gerade bereite ich mehrere Ausstellungen in Spanien vor, aber ich arbeite auch an meinem zweiten Fotobuch, das „In the skin“ heißen wird. Vor ein paar Wochen habe ich mein erstes Buch veröffentlicht, das „Let me fly“ heißt. In einem weiteren Projekt versuche ich, meine beiden Leidenschaften, die Fotografie und die Musik, miteinander zu kombinieren. Und ich beschäftige mich auch mit der Malerei.
Die von Ana Sanfrutos kuratierte Einzelausstellung von David Catá kann noch bis zum 15. Februar 2015 im Kleinen Salon, Manteuffelstrasse 46, 10997 Berlin besichtigt werden. Internetgaleriebesucher können sich auf David Catás Webseite umschauen.
Die englische Originalversion dieses Interviews wurde auf Sleek publiziert und für kwerfeldein von Kat Kapo für Euch ins Deutsche übersetzt.