Das Ende einer Ära
1977 wurde in den USA die erste kommerzielle Videothek eröffnet. Mitte der achtziger Jahre gab es auch in der BRD schon an die 1000 Verleihe. Die Kinobranche sah sich bedroht durch dieses neue Phänomen, das inzwischen selbst dem Niedergang geweiht zu sein scheint.
Videotheken boten als Depots für zahllose Leihfilme Material für Abertausende Stunden an seichter oder aufreibender bis hin zu anstößiger Abendunterhaltung. Ob bombastischer Blockbuster, schmierige Schnulze oder schmutziger Porno – die Filmverleihe bedienten nahezu jeden vorstellbaren Geschmack quer durch die Gesellschaft.
Schon immer waren sie Orte, an denen Angehörige unterschiedlicher Teile der Gesellschaft sowie unterschiedlicher Generationen aufeinander treffen. Lokalzeitungen berichten inzwischen wiederholt, wie die Zahl der Videotheken in Deutschland abnimmt. Im Jahr 2007 gab es insgesamt 4173, 2011 waren es nur noch 2218. Ein deutlicher Abwärtstrend zeichnet sich ab, der durch die Verbreitung von Abo-Diensten im Netz weiter zunehmen wird.
Video on Demand boomt, denn es ist bequem, direkt am heimischen Gerät zu wählen, was man schauen möchte, wobei sich zudem sogleich manche Scham- oder Altersgrenze mit überwinden lässt. Heute noch existierende Videotheken bauen ihr Angebot durch ein umfangreiches Sortiment an Snacks und Utensilien für den „perfekten Videoabend“ aus, um auf diese Weise Umsatzeinbrüchen entgegenzuwirken.
Der Fotograf Ben Kuhlmann sieht in dem Untergang einer Branche Stoff für eine Dokumentation. Dabei gehe es ihm aber nicht um die Menschen, die dort verkehren, sondern viel mehr um die Formulierung eines subjektiven Blickes auf diese Einrichtungen, ihre Gestaltung und Atmosphäre.
Ihn interessiere vor allem auch die Verortung der Videotheken im Stadtraum. Kann jenseits der städtischen Randlagen, wo einst die Hauptverkehrsrouten die Filialen mit motorisierten Kunden fütterten, heute eine zentralere Position im Stadtbild die eine oder andere Existenz weiterhin sichern?
Ben Kuhlmann widmet sich ganz dem Fotografieren verbliebener Videotheken und hat deshalb eine Crowdfunding-Kampagne dafür gestartet. Ihn zu unterstützen lohnt sich; sein Projekt mündet in der Produktion eines limitierten Fotobuches, das möglicherweise schon in wenigen Jahren ein Zeitzeugnis vergangener Alltagskultur sein wird.
An den Läden hängen viele Erinnerungen von Sessions mit Freunden. Wobei ich hier kein Wehmut verspüre, sie sind anders als andere aussterbende Orte ja keine sozialen Treffpunkte.
Das Projekt ist interessant, die Fotos fesseln mich jetzt nicht so, außer dass vorletzte vielleicht, wo ich diese typische sterile Stille dieser Orte spüre. Geld würde ich da keines reinstecken.
Ben Kuhlmann hätte man aber auch verlinken könnten! :)
Danke für den Hinweis. Gesagt, getan.
Die Fotos erinnerten mich doch sehr an die Atmosphäre eines anderen Artikels. Und siehe da: http://kwerfeldein.de/2014/09/16/stadt-am-rand/
Ben Kuhlmann hat scheinbar ein Faible für den Charme des Lebens, welches sich am Rande der Be(ob)achtung abspielt . Die Homepage bietet noch mehr Beispiele.