Canon 50 mm L vs. Sigma 50 mm Art
An einem warmen Sommertag haben Samuel Kümmel und ich uns damit befasst, welches Premiumglas unter den 50-mm-Linsen den Weg in unsere Fototaschen finden wird. Wir arbeiteten bislang beide mit dem 50 mm f/1.4 von Canon, jeweils an der 5D Mark II. Beide dachten wir an einen Wechsel auf ein anderes 50-mm-Objektiv.
Samuel war ohnehin mit seinem Modell nicht zufrieden, besonders was Schärfe sowie Genauigkeit des Autofokus betrifft. Es kann natürlich sein, dass er ein Montagsmodell erwischt hatte, denn meines arbeitet in diesen Punkten zufriedenstellend.
Aber natürlich lässt es Platz nach oben, was mir nach Ausprobieren des 50 mm f/1.2 L* noch einmal bewusst wurde. Ich hatte mich eigentlich bereits gedanklich darauf festgelegt, bald auf dieses bewährte Vorzeigemodell von Canon umzusteigen.
Samuel besitzt bereits das 35 mm f/1.4 Art von Sigma und ist begeistert von der Leistung des Objektivs, vor allem bei Offenblende. Damit entspricht seine Meinung weitgehend dem Konsens, der an Bewertungen und Tests über das erste Objektiv dieser Serie zu finden ist.
Das legte natürlich nahe, sich mit dem 50 mm f/1.4 von Sigma zu befassen, mehr noch, da Sigma angab, an den Spitzenreitern von Canon und Nikon ohnehin vorbei ziehen und sich am Zeiss Otus* messen zu wollen, das nun einmal die Messlatte auf ein ganz anderes Niveau anhebt.
Da das 50er von Sigma auch erheblich günstiger ist, habe ich meine Begeisterung für das Flaggschiff von Canon noch einmal gebremst und mich mit einigen Tests und Reviews zur Sigma-Alternative befasst. Die Fülle an Messwert-Tabellen und Testfotos zu Schärfe- und Bokeh-Vergleichen war schnell gesichtet, allerdings fehlte es mir an wirklich alltagstauglichen Erfahrungsberichten.
Ich wollte wissen, was ein Fotograf aus dem Objektiv rausholen kann, anstatt abfotografierte Kontrasttabellen zu betrachten. Ich arbeite hauptsächlich in Shootingsituationen irgendwo im Nirgendwo, Tests unter Laborbedingungen sind daher für mich nur bedingt hilfreich. Samuel geht es genauso, daher haben wir uns kurzerhand beide Linsen ausgeliehen, um sie unter unseren „Normalbedingungen“ gegeneinander testen zu können.
Wir haben uns dazu mit der wunderbaren Janina zu einem Portraitshooting verabredet. Samuel hatte dabei das Canon 50 mm f/1.2 L drauf und ich das Sigma 50 mm f/1.4 Art*, nachdem wir uns die Tage zuvor schon mit dem jeweils anderen ausgetobt hatten. Wichtig war uns dabei neben der Bildwirkung der beiden Objektive vor allem, die Schärfe und Genauigkeit des Autofokus in verschiedenen natürlichen Lichtsituationen zu beobachten.
Wir haben uns nun nachträglich noch einmal zusammen gesetzt, um uns über die jeweiligen Erfahungen auszutauschen. Den dabei entstandenen Dialog gibt es nun hier zu lesen.
Chris: Nachdem ich ein paar Tage mit dem 50 mm f/1.2 L von Canon gearbeitet hatte, konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass die Leistung des Objektivs und meine Begeisterung dafür übertroffen werden können. Es hält durchaus, was es verspricht, Canon liefert mit ihrem Spitzenmodell die Qualität, die man erwartet.
In Punkto Schärfe hielt ich die Ergebnisse, die ich damit erzielte, für das maximal Mögliche, ich war es ohnehin gewohnt, für die beste Schärfeleistung ein wenig abblenden zu müssen. Mit dieser Grundregel, die mir in Fleisch und Blut übergegangen war, hat Sigma aber nun gebrochen. Das war ja bei dem 35er schon so, Du hattest deshalb bereits recht hohe Erwartungen an das neue 50er, oder?
Samuel: Ja, das 35 mm hatte ich bereits seit einem Jahr in Benutzung und war sehr gespannt darauf, ob die Leistung des 50 mm sich auf dem selben Niveau bewegen würde. Es kam mir deswegen sehr entgegen, als Du die Idee zu einem Vergleichs-Shooting hattest. Für mich muss sich ein Objektiv in der Praxis bewähren, da helfen Test-Charts gar nicht. Von dem 50er hatte ich beim Auspacken schon den Eindruck, dass es sehr hochwertig verarbeitet ist.
Chris: Warum das?
Samuel: Ich hatte in der Vergangenheit schon diverse Zeiss-Objektive in der Hand und das Sigma machte auf mich einen ähnlichen Eindruck. Rein vom äußeren Eindruck her, vom Gewicht und der Menge an Glas, bekommt man das Gefühl, eine ganz andere Kategorie von Objektiv in der Hand zu haben. Kein Vergleich zu meinem in die Jahre gekommenen 50 mm f/1.4 von Canon.
Chris: Das selbe Gefühl hatte ich auch beim 50 mm f/1.2 L von Canon, wobei das Sigma in Sachen Länge und Gewicht noch einmal mehr zum In-der-Hand-Halten bietet. Das Canon hält sich an der 5D gut und ausgeglichen in der Hand, während ich beim Sigma fast das Gefühl hatte, vornüber zu kippen, ähnlich als hätte ich ein 24 – 70 mm drauf.
Samuel: Wobei ich sagen muss, dass mir im praktischen Einsatz Größe und Gewicht immer egal waren. So viel reisen musste ich damit nie und schleppe bei Shootings sowieso eine ganze Tasche voll Glas mit mir herum. Ich lege einfach den größten Schwerpunkt auf die Bildqualität.
Chris: Auf Reisen willst Du aber sicher keine ganze Tasche voll Glas schleppen, da spielen Größe und Gewicht schon eine große Rolle. Mehr als zwei Objektive hast Du unterwegs auch nicht dabei. Ich ebenfalls nicht.
Wo mir bei Shootings, bei denen ich gern etwas Gewicht in der Hand habe, das Sigma sehr sympathisch ist, schreckt es mich ab, das große, schwere, klobige, schwarze Teil mit auf Reisen zu nehmen. Nicht nur wegen des Gewicht, sondern auch, weil ich damit an der 5D einfach ein auffälliges Teil dabei hätte, was ich in Situationen, in denen ich gern unauffällig bleiben möchte, ungeschickt finde. Wobei ich da natürlich schon mit der 5D nicht unbedingt als unauffällig durchgehe.
Samuel: Klar, das ist eben der Kompromiss, den Du für die Vollformat-Bildqualität eingehen musst, die es von den wenigsten Herstellen in kompakter Qualität gibt. Da gibt es noch große Lücken. Du hattest beim Shooting ja das Sigma im Einsatz, während ich parallel mit dem Canon fotografiert habe. Ich hatte den Eindruck, dass Dich die Schärfe schon überrascht hat, oder?
Chris: Absolut. Ich hatte mich zwar schon darauf eingestellt, mit dem Canon – abgeblendet bei f/1.6 – eine super Schärfeleistung zu bekommen, aber die ersten Bilder, die ich mit dem Sigma – offen bei 1.4 – gemacht habe, haben mich schon auf dem Kameradisplay überrascht. Da kann das Canon tatsächlich nicht mithalten.
Samuel: Als ich fotografierte, hatte ich auch das Gefühl, dass das Canon in Punkto Schärfe und Genauigkeit des Autofokus in manchen Lichtsituationen nicht optimal funktioniert.
Chris: Welche Situationen waren das?
Samuel: Vor allem im Gegenlicht und in kontrastarmen, dunkleren Lichtverhältnissen hatte es einige Aussetzer. Ich weiß, dass das für einen Portraitfotografen Jammern auf hohem Niveau ist, aber in der Reportagefotografie brauche ich ein Objektiv, das in möglichst jeder Situation sehr gute Ergebnisse liefert.
Gerade bei einem Objektiv, das deutlich über 1000 € kostet und unter dem Gesichtspunkt, dass ich meinen Kunden die bestmögliche Qualität bieten will. Außerdem fotografiere ich ungern und nur äußerst selten mit Live View.
Chris: Im Gegenlicht saß bei dem Sigma allerdings auch nicht jedes Bild, ich denke das kann man auch kaum erwarten. Wenn der Fokus aber saß, dann waren die Ergebnisse hervorragend. Im direkten Gegenlicht hat das Sigma aber einige Anläufe gebraucht. Mir ist aufgefallen, dass die Bildwirkung sich deutlich unterscheidet, mehr noch als die Schärfeleistung.
Ich habe das Sigma als viel kontrastreicher empfunden, die Bilder wirken auf mich direkt aus der Kamera fast schon nachbearbeitet. Mir persönlich gefällt das gut, aber ich kann mir vorstellen, dass man die Farb- und Kontrastwirkung auch als unnatürlich empfinden kann. Aber was ist schon „natürlich“?
Samuel: Also ich mag den Look! Da ich jedes Foto nachbearbeite, ist es zwar fast egal, wie ein Bild aus der Kamera kommt, aber in das Bokeh, die Farbgebung und vor allem den Tonwertumfang der Sigma-Art-Objektive habe ich mich verliebt. Da ist Sigma echt ein großer Wurf gelungen – und für mich war gerade das ein Grund, auf sie umzusteigen.
Sie treffen mit diesem Stil bei mir einen Nerv. Ich bin gespannt, ob bald noch ein 24 mm oder 85 mm von Sigma in der Art-Serie kommt. Dass ich mir die kaufen würde, steht bereits jetzt ziemlich fest. Aber das 50er hat sich bei unserem Vergleichsshooting mehr als bewährt, finde ich. Ich merke bei den Fotos, die ich mit dem Canon gemacht habe, dass sie meinen Anspruch an Bildqualität nicht erfüllen.
Das heißt nicht, dass das Objektiv insgesamt qualitativ viel schlechtere Fotos abliefert. Das Sigma gewinnt aber beim Preis noch einmal, es ist fast 400 € günstiger. Und das ist am Ende auch für mich als Berufsfotograf ein Argument, nicht einfach den Originalhersteller zu nehmen. Marken sind Schall und Rauch.
Chris: Das geht mir ähnlich, aber wie Du schon sagtest, das ist Jammern auf hohem Niveau. Beide Objektive sind sauscharf, saugut verarbeitet, das eine etwas sauteurer als das andere. Vergleiche der Bildqualität zeigen das meiner Meinung nach auch. Ermitteln zu wollen, welches der beiden das „schönere“ Bokeh liefert, grenzt an Haarspalterei.
An Schärfe und Kontrast allerdings, und ich meine, auch was die Verzeichnung angeht, hat sich Canon da ganz schön in die Tasche stecken lassen. Ich bin aber ziemlich sicher, dass ich mit dem Canon nicht weniger zufrieden wäre. Die Unterschiede in der Bildqualität sind zwar deutlich erkennbar, aber ich glaube nicht so groß, als dass ich mit einem davon ein gewünschtes Ergebnis nicht oder nur erheblich schlechter erzielen könnte.
Das Canon 50 mm f/1.4, das ich bislang zufrieden nutze, ist ja auch keineswegs schlecht. Aber die Linsen der höheren Kategorie haben ihren Ruf und Preis nicht zu unrecht. Der Preis und die Ergebnisse in Sachen Schärfe und Bildqualität des Sigma sind starke Argumente, aber mich schreckt die Größe ein wenig ab.
Klar, die 13 verbauten Linsen zeugen von hoher Qualität und das Objektiv hat nicht den Anspruch, ein kompakter Reisebegleiter zu sein, aber für mich, der sich gerade kein spiegelloses Crop-Wunder zulegen möchte, ist es wichtig, mein Equipment in verschiedenen Einsatzgebieten nutzen zu können.
Samuel: Ich habe das Sigma nach unserem Test jedenfalls direkt gekauft und bin damit sicherlich die nächsten Jahre glücklich und zufrieden.
Chris: Sicher eine gute Entscheidung. Ich tendiere ja auch dazu. Wenn ich das 50 mm f/1.2 von Canon bereits in Benutzung hätte, würde ich vermutlich nicht extra umsteigen. Aber da ich gerade vor einer Kaufentscheidung stehe und das Zeiss Otus aus diversen Gründen für mich nicht in Frage kommt, hat das Sigma 50 mm f/1.4 Art wohl die Nase vorn.
Grundsätzlich sollte sich wohl jeder selbst eine Meinung dazu bilden, welche Objektive zur eigenen Fotografie am besten passen. Wir sind jedenfalls gespannt darauf, was Sigma mit der Art-Serie noch alles an den Start bringen wird.
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