Black Gold Hotel
Im vergangenen Jahrzehnt ist die Wirtschaft der Mongolei mit beispielloser Geschwindigkeit gewachsen. In jedem Jahr stieg das Bruttoinlandsprodukt um mehr als zehn Prozent.
Das Wachstum des Landes rührt größtenteils aus einem Boom in der Bergbauindustrie, denn die Mongolei verfügt über große Vorkommen an Bodenschätzen wie Kupfer, Gold und nicht zuletzt Kohle. Globale Branchengiganten haben längst begonnen, enorme Summen in das zentralasiatische Land zu investieren.
Der italienische Fotograf Michele Palazzi hat über drei Jahre hinweg das Land mehrfach besucht und den wirtschaftlichen Auf- und den gesellschaftlichen Umschwung in der Mongolei dokumentiert.
Wie die unregulierte beschleunigte Entwicklung des Landes die traditionelle Lebensweise der viehtreibenden nomadischen Bevölkerung bedroht, zeigt er in seiner Arbeit „Black Gold Hotel“.
Viele mongolische Familien haben die traditionelle Lebensweise inzwischen aufgegeben und sind in große städtische Zentren gezogen, um Arbeit in der Industrie zu finden. Nicht selten führt sie dieser Entschluss jedoch in den finanziellen und sozialen Abgrund, nämlich dann, wenn sie aufgrund des immensen Zustroms an Gleichgesinnten keinen Job finden.
Der Fotograf begleitete die Nomaden auf ihrem Zug durch die Steppe, lernte die neuen Stadtbewohner kennen und verbrachte einige Zeit mit den Bergarbeitern. Nah ist er an den Menschen, einfühlsam und unaufgeregt zeigt er uns, wie sie leben.
All diesen Menschen gemein ist, dass sie bestmöglich versuchen, mit den Umständen umzugehen. Doch Umweltverschmutzung durch Müll, Kohlestaub und Industrieabfälle vergiften die Vegetation und machen denen, die wenig haben, das Leben schwer.
Inspiriert zu dieser sehr persönlichen Arbeit, so der Fotograf, habe ihn der Film „Die Geschichte vom weinenden Kamel“. In ihm stecke viel Poesie und auch ein nostalgisches Element, dem er nachgehen wollte.
Doch auch einen journalistischen Anspruch habe er an das Projekt gehabt, selbst wenn er sich selbst eigentlich nicht als Journalisten betrachte.
Sein politisches Interesse habe ihn 2009 nach seinem Studium an der Scuola Romana di Fotografia zum Bildjournalismus geführt, erzählte Michele Palazzi mir. Er habe stets den Drang, zu verstehen, warum etwas so ist, wie es ist und den Dingen auf dokumentarische Weise auf den Grund zu gehen. Doch erachte er seine Sichtweise keineswegs als absolut maßgeblich oder objektiv.
Der Modernisierungsprozess in der Mongolei habe ihn schier überwältigt. Als er das erste Mal die Hauptstadt Ulan Bator besuchte, habe er beim Anblick des Stadtbildes sehr gemischte Gefühle gehabt – eine ungare Mischung aus Chaos, Nostalgie und Ausweglosigkeit, die ihm übel aufstieß.
Dass sich die Modernisierung nicht einfach anhalten oder gar umkehren lässt, sei Michele bewusst. Auch wolle er keinesfalls etwas oder jemanden konkret verurteilen. Ihm sei es in erster Linie persönlich wichtig, zu dokumentieren, was ihn umtreibe.
Ohne Förderung, ohne Auftrag widmete er sich seinem Projekt und unternahm immer wieder auf eigene Kosten Reisen in die Mongolei, um seinem Thema auf der Spur zu bleiben.
Viele Menschen habe er kennengelernt, zeitweise bei ihnen übernachtet, ihnen bei der Arbeit geholfen, mit ihnen gegessen und mit den Kindern gespielt. Es beweist, dass er mit Hingabe bei der Sache ist. Er sammelt nicht nur Bilder ein, er lebt die Story.
Herausgekommen ist eine Reise in Bildern in den Alltag der Menschen im ganzen Land, von den Familien in der Wüste Gobi, die sich trotz aller Schwierigkeiten entschieden haben, den Traditionen der Steppe treu zu bleiben bis zu den Jugendlichen in Ulan Bator, die eher einen westlich orientierten Lebensstil führen.
Von den Kindern der Armen, die gezwungen sind, im Zivilisationsmüll nach Schutz und Essbarem zu suchen, bis hin zu denen, die auf der Suche nach dem Glück in der Stadt das Nomadenleben hinter sich gelassen haben und jetzt zwischen beiden Welten gefangen sind.
Wer sich weitere von Micheles Arbeiten anschauen möchte, dem empfehle ich an dieser Stelle einen Blick auf seine Webseite.