Max Herre und die Konzertfotografie vor der Bühne
Neben der Fotografie nimmt Musik einen großen Teil meines Lebens ein. Ohne Musik zu leben wäre für mich nur schwer vorstellbar. Konzerte habe ich daher immer gern besucht, schon weil live gespielte Musik noch einmal anders „lebt“ als Studioaufnahmen.
Zu beobachten, wie Musiker sich darstellen, sowohl als Akteure auf der Bühne als auch durch ihre Show, fasziniert mich. Fotografisch habe ich diese Erlebnisse bisher nur auf dem Smartphone festhalten können, meist aus weiter Entfernung von der Bühne, seltener aus einer der vorderen Reihen. Auch das kann durchaus zu guten Ergebnissen führen, wenn man die Möglichkeit hat, die Belichtungsmessung und den Fokus getrennt voneinander einzustellen und wenn der Winkel zur Bühne nicht zu ungünstig ist.
Als ich vor ein paar Tagen morgens einen Anruf erhielt, ob ich nicht einspringen wolle, um Max Herre und sein Kahedi Radio Orchestra vom Fotografengraben aus zu fotografieren, zögerte ich nicht lange. Unsicherheit kam nur auf hinsichtlich der Kameras und Objektive, die ich verwenden wollte. Nach kurzer Recherche entschied ich mich, zwei DSLR-Bodies mitzunehmen. Auf dem einen ein Weitwinkel-Zoom 18 – 105 mm für die Totalen, auf der anderen Kamera auch ein Kit-Objektiv, 55 – 200 mm, für die Nahaufnahmen.
Am Veranstaltungsort angekommen, konnte ich noch Fetsum, der als Support auftrat, fotografieren, dabei gleich ausprobieren, mit welchen Brennweiten welche Resultate zu erzielen waren und wie ich ISO und Blende einzustellen hatte. Ungewöhnlich für eine „Vorband“ war, dass Fetsum mit seinem Gitarristen vom Publikum frenetisch gefeiert wurde, was mich immer freut, weil der Support oftmals keine schlechtere Vorstellung abliefert, aber vom Publikum in der Regel stiefmütterlich behandelt wird.
Die übliche Regel bei Konzertfotografie limitiert die Dauer für Fotografie auf drei Songs, normalerweise ohne Blitz, so auch hier. Nachdem sich mit mir insgesamt vier Fotografen am vereinbarten Treffpunkt neben der Bühne gefunden hatten, standen wir mit dem Fotografenbetreuer des Veranstalters seitlich von der Bühne.
Faszinierend war es, das Publikum von vorn zu sehen, erst die gespannte Erwartung und dann die ausbrechende Begeisterung in den Gesichtern zu sehen, als die Musiker die Bühne betraten und die Musik einsetzte.
Dieser Moment, wenn dem Publikum klar wird, dass es losgeht, ist für mich in jedem Konzert ganz speziell, mir erscheint das Publikum wie ein Organismus, der von einem kollektiven Rausch ergriffen wird. Die Tatsache, dass es sich hier um ein Zusatzkonzert handelte und die Musikarena dennoch brechend voll war, sagt viel über die Beliebtheit von Max Herre aus.
Nach dem Intro wurde ich mit den anderen Fotografen vor die Bühne gelassen – dank der Gitter auf einer Seite und der blutroten Illumination der Bühne, die bis auf die vorderen Reihen abstrahlte, kam kurz die Analogie zu den Löwen auf, die in die Arena gejagt werden.
Welche Songs gesungen wurden und was Max Herre eventuell zur Begrüßung sagte, entzieht sich meiner Erinnerung. Ein Blick auf die Aufnahmezeiten der Bilder zeigt mir jedoch, dass wir genau elf Minuten Zeit zum Fotografieren hatten. Obwohl es mein erstes Konzert war, das sich so fotografieren durfte, konnte ich vermeintlich ruhig arbeiten.
Da ich oft auf der Straße fotografiere und dabei auch auf fremde Menschen zugehe, war die Situation, in der es offiziell erlaubt war, alles zu fotografieren, was auf der Bühne passiert, mit wenig Stress verbunden. Wie sehr ich jedoch von der Situation gefangen war, merkte ich erst, als wir Fotografen dann signalisiert bekamen, den Graben wieder zu verlassen und im Dunkel neben der Bühne die schlagartige Nüchternheit einsetzte.
Im Nachhinein ist die Wahrnehmung eines Konzerts so nah an der Bühne derart intensiv, dass ich mich danach im Publikumsbereich sehr weit weg vom Konzert fühlte. Da ich allein unterwegs war, hielt mich dann, obwohl ich Max Herre sehr mag, auch nichts mehr vor Ort.
Ich hatte mir vorgenommen, Solisten und Band aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu fotografieren, auch in die Totale zu gehen und nicht nur Close-Ups zu machen. Außerdem wollte ich jeden Musiker auch isoliert in ansprechender Haltung erwischen. Mit fortschreitender Dauer stellte sich heraus, dass ich das nicht alles unter einen Hut bekommen konnte und fokussierte mich nach Max Herre auf die im dritten Song auftretende Joy Denalane, deren Emotionen ich in einigen extremen Nahaufnahmen gut einfangen konnte.
Da die Aufnahmen nicht von einer Tageszeitung oder einem Musikmagazin speziell beauftragt waren, konnte ich hier meine persönlichen Vorstellungen gut umsetzen. Ich werde demnächst die Gelegenheit haben, weitere Konzerte zu fotografieren und freue mich darauf – es ist eine ganz eigene Art des Fotografierens, sehr instinktgesteuert und die Musik, die man mehr spürt als hört, macht das Ganze zu einem besonderen Erlebnis.
Nun bin gespannt, ob ich mit den Erfahrungen, die ich hier sammeln konnte, meinen Prozess soweit stabilisieren kann, dass ich unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu reproduzierbar guten Ergebnissen komme. Gerade die stark variierende Beleuchtungssituation führte immer wieder dazu, dass Bilder komplett schwarz wurden. Dank Raw-Format waren viele Unterbelichtungen jedoch noch gut zu retten.
Glücklicherweise bewegten sich die Akteure eher verhalten, so dass Bewegungsunschärfe auf praktisch keinem Bild ein Thema war. Zumindest mit dem Smartphone hatte ich bei Musikern wie Adam Green in der Vergangenheit große Schwierigkeiten, auch nur ein scharfes Bild zu bekommen.
Mein Dank geht an Stephan Rescher vom Newsportal Nachrichten München, der mir die Gelegenheit verschaffte, dieses Konzert zu fotografieren.