14. Februar 2017

Von der Vielfalt und Ästhetik von Mosh Pits

All diejenigen, die schon einmal ein Punk-, Metal- oder Hardcore-Konzert besucht haben, wissen, womit sie es zu tun haben. Sie wissen, wie schnell mit dem Tempo auf der Bühne auch die Hektik vor der Bühne zunehmen wird. Herzlich willkommen im Mosh Pit, dem ultimativen Raum, um die Leidenschaft für laute, schnelle, brutale Musik auszuleben.

Dynamik

Direkt vor der Bühne dienen Musik und Rhythmus als Projektionsfläche für Aggressivität, die ihren Ausdruck in den wilden Bewegungen der Fans finden. Der Pit ist ein dynamischer Raum, der aus den Bewegungen des dicht aneinander gedrängten Konzertpublikums heraus entsteht und ständig neu geformt wird. Dieser aus dem Miteinander und dem Gegeneinander entstehende Raum ist integraler Teil der Subkultur. Headbangen, Crowdsurfen und aggressives Tanzen sind nicht nur erlaubt, sondern zu erwarten.

Chaos

Moshen, Slam Dancing oder das sogenannte Violent Dancing sind eng verknüpft mit der aufstrebenden Punk-Szene der späten 70er Jahre. Bands wie die Dead Kennedys oder Black Flag forderten mit simplem Songaufbau, verzerrten Gitarren und extrem hohem Tempo das musikalische Establishment heraus. Hinzu kamen provokante Texte, die sich vorzugsweise gegen gesellschaftliche Zwänge und die konservative Politik richteten.

Das Publikum entwickelte als Reaktion auf das Gehörte die dazu passende Form des Tanzens, die jegliche Form von Struktur und Ordnung angriff – das Moshen. Im Mosh Pit wird allgemeingültiges Sozialverhalten nicht bloß ausgesetzt, sondern viel mehr erbarmungslos zerschlagen.

Publikum eines Konzerts

Ein Mann tanzt

Springende Menschen vor der Bühne

Vor der Bühne

Ein Konzert

Tanzende MenschenMenschen rennen vor der Bühne

sich drängende Menschen auf einem Konzert

Tanzende Menschen

Menschen vor einer Bühne, ein Mann macht einen Überschlag

Menschen bangen

Männer auf einem Konzert

Menschen vor der Bühne

Tanzende Menschen vor einer Bühne

Neuordnung

Tatsächlich ist ein Mosh Pit allerdings weit mehr als nur ein undefinierbares Durcheinander. Viel mehr ist dieser Raum voller Paradoxien und Widersprüche mit bindenden Konventionen und Grenzen. Aus dem scheinbaren Chaos entsteht eine neue soziale Ordnung samt ethischen Standards und Verhaltensregeln. Obwohl es sich nach wie vor um einen Raum voller Ausdruck von Individualität handelt, ist die Gemeinschaft ein unabdingbarer Aspekt.

Dieser Platz der extremen Freiheit ist zugleich reglementiert durch einen unmissverständlichen Kodex. Dieser Kodex besagt unter anderem: „wer fällt, dem wird aufgeholfen“, „bestehe nicht auf Dein Territorium“ und vor allem „respektiere die anderen“. So entsteht mit der sozialen Ordnung sogar ein neuer Sinn für Gerechtigkeit und Verstöße werden von aufmerksamen Mit-Moshern geahndet.

Ritual

Schon längst ist im Pit nicht mehr nur eine bestimmte Gruppe zu finden. Hier treffen für kurze Zeit Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund, Alter und Geschlecht aufeinander. Wieder und wieder nehmen sie an diesem Ritual teil, um sich von der Frustration und Stress des Alltags zu befreien. Sobald die Musik aufhört, kehren sie alle zu ihrem gewöhnlichen Leben zurück. Was bleibt, ist die Erinnerung an ein kurzes, aber intensives Gefühl von Freiheit und Zugehörigkeit. Beides zur selben Zeit.

Das Langzeit-Fotoprojekt setzt sich mit der Dynamik, der Vielfalt und der Ästhetik von Mosh Pits auf Metal-, Punk und Hardcore-Konzerten auseinander. Das dazugehörige Fotobuch „The Pit“ wurde im Sommer 2016 veröffentlicht und im Rahmen einer Ausstellung auf dem Wacken Open Air vorgestellt. Alle Erlöse dieser Publikation werden an die Wacken Foundation gespendet. Die Stiftung unterstützt junge Künstler*innen aus der Rock- und Metal-Szene.

The Pit

Fotograf: Sven Ellerbrock
Erschienen bei artop, Berlin
ISBN: 9783981662375
Umfang: 48 Seiten
Erschienen am 1. August 2016
Erhältlich bei buchboxberlin.de und metaltix.com
Preis: 15 €

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