Bei jedem Wetter
Ich mache seit fast 30 Jahren Bilder auf der Straße und wie ich sage: „Die Fotografie toleriert mich.“ Alles begann 1976 mit einer ausgeliehenen, russischen Lubitel und mein Flirt mit der Fotografie dauert bis heute an – in guten wie in schlechten Tagen.
Ich betrachte mich als einen Straßenfotografen für jede Jahreszeit – mit dem Genre kann ich mich ausdrücken, mit einer starken Verbindung mit den Leute auf der Straße und an öffentlichen Orten. Ich kreiere dort im Zusammenspiel mit den Menschen meine eigenen Geschichten, löse Situationen aus dem Kontext und es ist ein großes Vergnügen für mich, wenn ich dem Zuschauer das Gefühl geben kann, dass er selbst dort dabei war.
Ich kann keine Grenze ziehen zwischen den Orten, der sozialen Dokumentation und der Reportage. Ich möchte meinen eigenen mit Emotionen geladenen Blick durch meine Leidenschaft zeigen. Das und meine Einstellung zum Erkunden und Erforschen sind der Grund, warum ich in einem schwierigen Verhältnis zur Reportagefotografie stehe: Ich unterscheide nicht zwischen Fotografie als Dokumentation und Kunst – sie hat eine doppelte Natur.
Für mich entscheidend ist die enge Verbindung zur Straße und ich versuche dort, meine eigenen Geschichten zu erzählen. Die Fotos, die ich zu Hause in einem familiären Umfeld mache, entspringen dem gleichen Denken und derselben Philosophie.
Titel benutze ich selten. Man sagt, dass ein Bild mehr sagt als tausend Worte und in diesem Sinne überlasse ich es dem Betrachter, sich seine eigenen Gedanken zu machen und teilzunehmen.
Ich fühle mich nicht als Künstler. Ich gehe an ungewöhnliche Orte in meiner Stadt Salonika, die ich sehr liebe und versuche, dort einen neuen Blick zu gewinnen. Viele meiner Bilder haben experimentelle Elemente, ich arbeite darin auch Erinnerungen an meine Vergangenheit und Kindheit auf.
Ich lege keinen großen Wert auf Bearbeitung – starke Nachbearbeitung und solche Tricks bestimmen nicht den Wert eines Fotos. Was Schwarzweiß angeht: Ich lehne Farbe nicht grundsätzlich ab und habe kürzlich damit angefangen, auch Farbfotos zu machen. Meistens bestimmen jedoch das Subjekt, die Umgebungsverhältnisse und sogar die Stimmung, ob es ein Schwarzweißfoto wird.
Beeinflusst wurde ich in meiner Arbeit von Fotografen wie Garry Winograd, dem Poeten von Prag Josef Sudek, dem Tschechen Josef Koudelka, dem jungen Michal Ackerman, Trent Parke, den Griechen Kostas Balafas, Dimitris Soulas, Nikos Oikonomopoulos, aber auch von Texten wie denen von Platona Riveli.
Mehr von den Bildern von Giorgos Kasapidis könnt Ihr auf seiner Webseite und auf Flickr finden.
Dieser Artikel wurde für Euch von Sebastian Baumer aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.