Architekturdialoge
Vor der ersten Begegnung mit einem von mir ausgewählten Gebäude bin ich meist etwas angespannt. Selbst dann, wenn das „Treffen“ zunächst nur dazu dient, erste fotografische Notizen für ein späteres Shooting anzufertigen.
Wie wird es sich anfühlen, wenn das Bauwerk und ich uns gegenüber stehen? Finden wir ins Gespräch miteinander? Welche Geheimnisse wird das Gebäude mir preisgeben? Entspricht es meinen Hoffnungen, Erwartungen, Wünschen oder wird die Episode eine völlige Enttäuschung?
Es gab in der Vergangenheit durchaus Situationen, in denen ich vor Ort feststellen musste, dass ein Motiv wider Erwarten überhaupt nicht für meine Zwecke geeignet war. Aber in der Regel finden wir in einen Dialog miteinander, manchmal dauert der Annäherungsprozess länger, manchmal geht es zügig und unkompliziert.
Dieses Zwiegespräch ist wichtig für meine Arbeit und deshalb bin ich stets allein unterwegs, um mich in Ruhe mit dem Gebäude beschäftigen zu können.
Der erste Impuls für meine heutige Arbeit war vermutlich mein Bauingenieurstudium während der 90er Jahre in Dresden und der Austausch mit Architekturstudenten bei ihren häufigen Besuchen in unserer damaligen WG.
Im Verlauf des Studiums habe ich für mich festgestellt, dass mich die Ästhetik von Bauwerken und konstruktiven Details weitaus mehr fesselte als die Berechnung von Tragwerkskonstruktionen.
Während dieser Zeit habe ich bereits fotografische Ausflüge unternommen, mit vielen Motiven, Materialien und Medien experimentiert, die Filme teilweise noch selbst entwickelt und mich bemüht, meiner Faszination für Architektur in Bildern Ausdruck zu verleihen.
Als ich Anfang der 2000er nach Berlin ging, um mich an der Universität der Künste mit Design und Technologie zu beschäftigen, war Berlin eine Riesenbaustelle.
Überall in der Stadt entstanden neue Gebäude, nicht immer schön, aber zumindest ambitioniert. Dieses extrem heterogene Umfeld mit Bauwerken aus der Ost- und West-Ära sowie verschiedensten Kulturepochen war perfekt dazu geeignet, meinem Faible zu frönen und an meinem Stil zu arbeiten.
Den endgültigen Kick erhielt ich im Jahr 2010. Seinerzeit war ich als leitender Kreativer in einem Startup-Unternehmen in der Mobilfunkbranche tätig und habe ständig neue Apps, Services und Dienste ausprobiert.
So stieß ich im November 2010 auf die App Instagram und war sofort von dieser Anwendung begeistert, die seitdem der primäre Publikationskanal für meine Fotografie ist.
Mich fasziniert das 1:1-Verhältnis zwischen Fotograf und Betrachter, das diese Plattform begünstigt und mitunter sehr persönliche Beziehungen zu Stande kommen lässt.
Auch die Existenz vollkommen unterschiedlicher Bildsprachen auf den Kontinenten ist mir erst durch die Smartphone-Fotografie in aller Deutlichkeit vor Augen geführt worden.
Die Bildästhetik vieler Nutzer aus Asien, Südamerika und etwa Nordeuropa könnte verschiedener kaum sein.
Jetzt höre ich bereits die ersten Kritiken an der Anwendung aufkochen: „Instagram? Das ist doch keine ernst zu nehmende Fotografie! Alles nur einfallslose, technisch schlecht umgesetzte Schnellschüsse, die in inflationärer Weise das Netz vermüllen.“
In Teilen mag diese Kritik auch absolut berechtigt sein. Die Diskussion, ob Fotografie mit mobilen Endgeräten eine Gefahr für die klassische Fotografie darstellt, ob die millionenfach mittels Smartphones ins Netz geblasenen Fotos die herkömmliche Fotografie entwerten, wurde sowohl hier als auch auf zahllosen anderen Plattformen diskutiert.
Martin hat hier bereits im Jahr 2010 seinen Standpunkt dazu geäußert, dem ich mich nur allzu gern anschließe. Meiner Meinung nach stellt Fotografie mit Smartphones eine zeitgenössische Form der Fotografie dar. Nicht die Qualität des Werkzeugs, sondern die Bildidee ist entscheidend für ein in Erinnerung bleibendes Foto.
Trotzdem hängt der mobilen Fotografie noch immer der Nimbus des Amateurhaften an, was angesichts der vielen fantastischen Fotografen auf Instagram, EyeEm und Co. unberechtigt ist und sich hoffentlich in absehbarer Zeit ändern wird.
Ich finde, die Nordamerikaner sind in ihrer Sicht auf diese neue Form der Fotografie – wen wundert es – bereits wesentlich weiter. Meinen Arbeiten auf Instagram folgen gegenwärtig 106.000 Menschen, eine Zahl, die ich zu meinem Start Ende 2010 nicht ansatzweise in Betracht gezogen habe.
Sicher, es gibt Accounts mit noch deutlich größerer Anhängerschaft, jedoch mit anderen Themenschwerpunkten. Mode, Menschen und Landschaft sind da erheblich kompatibler als Architekturfotografie.
Umso erstaunter bin ich jeden Tag aufs Neue über die Resonanz auf meine Fotografie und dankbar für das konstruktive Feedback aus allen Teilen der Welt.
Vielleicht liegt ein Teil des Erfolgs in einer guten Dramaturgie der Bildfolge innerhalb des Feeds, einer konsistenten Bildsprache und Dauerhaftigkeit innerhalb dieser schnelldrehenden Fotocommunity begründet.
Jedes Gebäude hat einen bestimmten Verwendungszweck und besitzt funktionsgebundene architektonische Charakteristika, die oftmals prägend für sein Erscheinungsbild sind.
Der klassische Architekturfotograf ist häufig angehalten, diese Vorzüge und Qualitäten für den Bauträger in seinen Fotografien zu dokumentieren.
In meiner „Le Blanc“-Serie bin ich dankenswerterweise vollkommen frei von diesen Anforderungen und kann meiner Begeisterung für urbane Ästhetik weiter ungebunden nachgehen. Ich liebe es, die architektonische Sprache eines Bauwerks zu entschlüsseln.
Mich reizt es, die feinen Details herauszuarbeiten und in den Vordergrund zu rücken – eben jene Geheimnisse, die im Gesamtkontext eines Bauwerks oftmals unberücksichtigt bleiben oder übersehen werden.
Dabei versuche ich stets, einen zu hohen Abstraktionsgrad zu vermeiden und dem Betrachter innerhalb des Bildes Größenverhältnisse an die Hand zu geben, die ihm eine Einordnung des Motivs ermöglichen.
Es freut mich natürlich ganz besonders, dass ich auf Grund meiner Arbeiten auf Instagram seit September 2013 als Fotokolumnist für das Magazin AD Architectural Digest Deutschland aus dem Verlag Condé Nast tätig sein darf.
Da ich weder Architektur noch Fotografie studiert habe, bin ich für diese Anerkennung meiner Arbeit umso dankbarer. Die Redaktion der AD lässt mir im Übrigen vollkommen freie Hand hat und hat also auf meine Arbeit keinerlei Einfluss.
Vor einem Jahr schickte ich der Redaktion meine Idee einer mobilen Fotokolumne und sie waren vom Stand weg begeistert. Leben kann ich natürlich bis dato weder von der Kolumne, noch von meiner Fotografie. Aber ich bin zuversichtlich und kann mir gut vorstellen, dass die Architekturfotografie künftig noch mehr Raum in meinem Leben einnehmen wird.