Glücksmaschinen
Karusselle sind exponierte und exzentrische Körper. Sie implizieren Sensation und Wagnis, Geschwindigkeit und Wirbel, Eingebundenheit und Vergnügen. Kurzum: Sie sind affektbehaftet und auf das Spektakel fixiert.
Architekturen mit prinzipiell gleicher Funktion treten in einer Vielzahl an Formen und Oberflächen auf. Individuelle Profile stehen zueinander in Konkurrenz und generieren Aufmerksamkeit.
Das fotografische Bild ermöglicht es, die Karusselle an einem Ort zu versammeln und zueinander in Beziehung zu setzen. Die Trias aus Kapital (Kasse), Zirkulation (Drehscheibe) und Inklusion (Kulisse) stiftet den notwendigen Raum für das Spiel der Simulation.
Artifizielle Räume ziehen mich an. In diesen halte ich mich äußerst gern auf. Es sind Orte mit einer hohen Konzentration und Intensität. Zu ihnen vermag ich eine tiefe Bindung aufzubauen.
Das fotografische Bild ist eine Kooperation aus einem Autor, einem optischen System und einer Situation. Seine Struktur folgt dem dialogischen Prinzip. Dialoge stiften Raum. Sie sind konstitutiv, um eine Begegnung mit dem ganz Anderen zu ermöglichen.
Das Dargestellte im Bild markiert einen Bruch mit der realen Situation. Das fotografische Bild ist wie ein Riss, der die Flachheit und Eindeutigkeit einer Sache unterläuft. Die Kamera bringt so das optisch Unbewusste zum Ausdruck.
Das Medium Fotografie ist unserem gewohnten Sehen sehr nah. Seine Präzision und Konkretheit führt zu permanenten Verwechslungen zwischen realen Orten und fotografischen Bildern.
Fotografie ist Abstraktion und Konzentration – sie bildet ein Extrakt mit eigenen Ordnungsprinzipien. Folglich entstehen neue Objekte, unabhängig vom eigentlichen Ort. Das fotografische Resultat ist die Sichtbarwerdung und Vergegenständlichung der Beziehung von Autor und Ort.
Tod, Kapital, Transparenz und Simulation spiegeln sich in all meinen Arbeiten. Nur die digitale Fotografie löst in mir den Impuls aus, zu fotografieren. Es ist eine Form der Fotografie, die prospektive Bilder hervorzubringen vermag.
Die Frage nach dem realen Referenten einer Fotografie ist zweitrangig. Die Frage danach ist in Anbetracht des Digitalen geradezu belanglos geworden. Das digitale Medium strebt nach Optimierung und Idealisierung – es ist dem Geistigen wesentlich näher als jedes Medium zuvor, das macht seine Faszination und das Begehren nach ihm aus.
Ich würde nie über eines meiner Bilder sagen: Das ist authentisch; ich würde immer sagen: Das ist die Simulation. Jean Baudrillard schreibt in „Die fatalen Strategien“*:
Reales verschwindet nicht zugunsten des Imaginären, sondern zugunsten dessen, was realer als das Reale ist: Das ist das Hyperreale. Wahrer als das Wahre: Das ist die Simulation.
Die Übersetzung der Karussells zu fotografischen Bildern zeichnet sich durch Zurückhaltung und Nüchternheit aus. Die Simulationswelten der jeweiligen Karusselle können hierdurch stärker in ihrer Wesenhaftigkeit hervortreten.
Ich habe sie in gleichem Abstand frontal und sachlich mit hoher Tiefenschärfe fotografiert. Die Aufnahmen kamen bei diffusem Licht zustande. Das Objekt ist immer angeschnitten. Folglich geht die Einbettung in seine Umgebung verloren – es wird auf natürliche Weise vom übrigen Ort isoliert.
Der Zugriff erfolgte früh am Morgen, wenn die Maschinen stillstanden und das Publikum abwesend war. Über einen Zeitraum von zwei Jahren war ich hierfür auf großen deutschen Volksfesten unterwegs.
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