Petra Mattheis und Sascha Nau porträtieren Menschen mit Eigeninitiative.
03. Juni 2014 Lesezeit: ~3 Minuten

Wunderwesten

Bis vor einigen Jahren war Leipzig noch nicht in aller Munde. Da waren die Straßen noch leer, die Hausfassaden hatten eine braungräuliche Färbung und in den Schlaglöchern auf den Straßen konnten problemlos kleinere Hunde verschwinden.

Inzwischen ist Leipzig nicht mehr die gleiche Stadt, in die wir vor Jahren gezogen sind. Vor allem in den westlichen Stadtvierteln hat sich eine Dynamik entwickelt, wodurch Baulücken, Brachen und sanierungsbedürftige Häuser langsam verschwinden.

Eine junge Frau steht bei niedrigstehender Sonne auf einem Dach und schaut hinter sich über die Stadt.

Anna Schimkat, Freie Künstlerin

Ein lockiger junger Mann steht in einem Raum und zündet sich eine Zigarette an.

Wolf Konrad Roscher, Projektraum WKR

Vieles von dem, was den Charme der Stadt in der Vergangenheit ausmachte, spiegelt sich in diesen Gebäuden, aus denen die Pflanzen treiben und in den Freiflächen, die sie oftmals umgeben.

Der Leerstand, die Brachen, die Vielfalt an Gebäuden zog viele an, die offen waren und Lust hatten, Dinge auszuprobieren. Wohnraum war günstig und eröffnete die Möglichkeit, unkonventionelle Gedanken zu formulieren.

Ein Mann steht auf einem Stapel Kartons und hält eine überdimensionale brennende Fackel.

Helge Hommes, Freier Künstler

Eine Frau steht vor einer unverputzten Ziegelwand und schaut nach oben.

Jana Reichenbach Behnisch, Mitinhaberin des Tapetenwerks

Viele Kreative kamen in den Leipziger Westen, weil der Raum hier noch nicht komplett durchorganisiert war. Weil Freiraum vorhanden war, der Platz ließ für ungewöhnliche Gedanken.

Es entstand der Verein Haushalten, dessen Wächterhäuserkonzept vorsah, leerstehende Häuser durch Nutzung vor dem Verfall und Vandalismus zu schützen.

Eine junge Frau hält einen auf den Hinterbeinen stehenden Ziegenbock an der Leine und füttern ihn mit Blättern.

Christiane Schulze mit Ziegenbock Heinz, Inhaberin eines Gartenlokals

Ein langhaariger, vollbärtiger Mann lächelt sympathisch in die Kamera.

Steffen Balmer, Westbesuch e.V.

Die Eigentümer werden dabei von den Kosten und der generellen Sorge um ihr Haus entlastet, während die Bewohner – die Wächter des Hauses – für den Bestandserhalt sorgen und dafür kostengünstig wohnen dürfen.

Brachliegende Flächen wurden in Eigeninitative von Müll und Schutt gesäubert und anschließend entstanden die Nachbarschaftsgärten, in denen Platz ist für das Gemüsebeet des einen und die Hängematte des anderen.

Zwei erwachsene Menschen springen gleichzeitig in die Luft.

Birgit Schulze Wehninck & Sven Riemer, Buchkinder Leipzig

Ein Mann sitzt in seiner Werkstatt und raucht.

Frank Schwärzel, Mitglied bei Haushalten e.V.

Es entstanden Selbstnutzerprojekte, bei denen sich Menschen zusammenschlossen und sich ihren Wohnraum nach gemeinsamen Vorstellungen gestalteten. Es entstand das Buchkinderkonzept, der Westbesuch und viele weitere Projekte.

Was macht den Leipziger Westen so besonders? Warum erlebt man den Raum hier als bereichernden Freiraum? Warum entstehen gerade hier so viele kreative Projekte?

Eine junge Frau steht entspannt in einem Galerieraum und schaut nach rechts.

Eva Walker, Freie Künstlerin

Ein Mann und eine Frau sitzen auf den Stufen einer Treppe in einem alten unrenovierten Gebäude.

Charlotte Wilde & Michael Vogel, Figurentheater Wilde & Vogel

Noch ist hier alles im Umbruch. Nicht alles läuft nach gewohnten Mustern, was gut ist! Noch ist nicht alles kanten- und gesichtslos!

Wir wollten die Menschen kennenlernen, die mit ihrer Eigeninitiative die Entwicklung des Leipziger Westens voranbrachten und voranbringen.

Ein Mann mittleren Alters steht vor dunklem Hintergrund und senkt nachdenklich den Blick.

Bertram Haude, Freier Künstler

Ein Mann mit Brille sitzt vor Retrotapete in einem Retrostuhl.

Thomas Parker, Betreiber eines Coffee- und Copyshops

Wir wollen einen Teil dazu beitragen, sowohl die wunden als auch die wundervollen Seiten der Entwicklung zu dokumentieren. So entstand das Projekt, das wir „Wunderwesten“ nennen und im Rahmen dessen wir inzwischen zahlreiche Gespräche geführt haben.

Als Fotografen denken wir natürlich in erste Linie in Bildern und versuchen, gute Aufnahmen von den Menschen und deren Umgebung anzufertigen. Doch viele dieser Menschen haben wirklich etwas zu sagen und so ist uns das gesprochene und später niedergeschriebene Wort bei diesem Projekt ans Herz gewachsen.

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