Forthright: Rapkultur auf der ganzen Welt
Das Buch „Forthright – Stronger than a weapon“ passt mit seinen guten vier Kilogramm und über 400 Seiten gerade so in ein handelsübliches Ikea-Regal. Sascha Kraus stellt in diesem umfangreichen Bildband HipHop- und Rap-Künstler*innen aus der ganzen Welt vor und lässt sie selbst ihre Geschichte und die Geschichte ihrer Musik erzählen.
Das Buch hat ungefähr die Maße einer Schallplattenhülle, wozu auch die inhaltliche Aufmachung passt. Die vier Kapitel nennen sich „Side A“ bis „Side D“ und sind wiederum in „Intros“, „Interludes“ und „Tracks“ unterteilt. Den Anfang macht ein langer Text über die Geschichte des HipHop und Rap, der von Rapper Darryl McDaniels, besser bekannt als D.M.C. von der Gruppe Run–D.M.C., verfasst wurde.
Diese Einleitung erklärt vor allem die Ursprünge der Musikrichtung abseits von Popkultur und Kommerz. In den Grundzügen war Rap schon immer eine Ausdrucksform, die die Künstler*innen vor allem dazu nutzten, Kritik an der Politik, Gesellschaft und sozialen Gebilden zu üben sowie um Probleme aufzuarbeiten und mitzuteilen.
Diese ausführliche Erklärung wird im weiteren Kontext des Buches sehr wichtig. Es folgen Interviews mit Musiker*innen aus der ganzen Welt. Sascha beschäftigte sich sechs Jahre lang mit dem Projekt Forthright und besuchte Künstler*innen unter anderem in Afrika, Arabien, Südamerika, Südostasien aber auch Deutschland.
Seine Arbeit brachte insgesamt 14 sehr ausführliche Interviews hervor, die sich vor allem mit den Lebensgeschichten der Musiker*innen beschäftigen. Hier wird „Forthright“ selbst überraschend politisch und sozialkritisch. Die Künstler*innen erzählen nicht selten von politischer Verfolgung aufgrund ihrer Musik.
Sie berichten von daraus entstandener Todesangst, der Flucht aus der Heimat und der Suche nach Asyl, die sich teilweise über Monate und sogar Jahre hinzieht. Sie berichten auch von der Stärke, die Musik hat. So stark, dass sie Revolutionen auslösen kann.
Die Interviews sind so ungeschönt und ehrlich geschrieben, dass Geschichten entstehen, die nur das echte Leben schreiben kann. Ich musste das Buch zwischendurch mehrmals weg legen, weil mir der Inhalt so nahe ging, dass ich erst einige Tage später weiterlesen konnte. Sascha hat verstanden, dass die Musik dieser Menschen ihren Ursprung in genau diesen Geschichten hat und gibt den Liedtexten eine völlig neue, authentische Ebene.
So erzählt das Buch zum Beispiel von Musiker*innen, die als Kindersoldaten auf Aggression getrimmt wurden und als Leser*in wird einem ein wenig klar, warum Kriege und Konflikte so kompliziert und schwer zu beenden sind. Kein Mensch wird als Krieger*in geboren, aber die Seele und die Gedanken können mit genug Ausdauer, Gewalt und Lügen immer wieder gebrochen werden.
Diese Themen werden dabei keineswegs glorifiziert, sondern es geht viel mehr darum, wie die Musik den Menschen half, diese traumatisierenden Erlebnisse zu verarbeiten. Gleichzeitig lässt sich ein interessantes Muster erkennen. Denn während sich die Liedtexte in den Vereinigten Staaten oft um Armut und Bildung drehen, geht es zum Beispiel in Afrika und Arabien viel mehr um Frieden und Freiheit.
Durch diese Interviews wird klar, dass „Forthright“ nicht nur etwas für eingefleischte HipHop- und Rap-Fans ist. Jede*r, die*der sich für Musik und vor allem die Geschichte und Kultur hinter Musiker*innen interessiert, wird sich in diesem Buch verlieren können.
Den größten Teil des Bildbandes machen aber Fotos aus und darauf bin ich bisher noch überhaupt nicht eingegangen. Sascha fotografierte für das Buch viele Reportagen, die die Umgebung der Musiker*innen, die Konzerte und oft auch einfach nur die Städte und Orte zeigen, aus denen sie kommen. Das macht auch Sinn, denn zusammen mit den Interviews entsteht ein rundes Gesamtbild, das den Betrachter sehr tief in die Kultur und die Geschichten eintauchen lässt.
Die Farbbilder kann man fast an zwei Händen abzählen. Eigentlich wurden nur die Portraits der Künstler*innen selbst in Farbe fotografiert, alle sonstigen Aufnahmen kommen in einem sehr rauen Schwarzweißlook daher, der wirklich sehr gut zu den ebenso rauen Aufnahmen passt.
Teilweise sind die Bilder doppelseitig gedruckt, was mit dem Buchfalz mal besser und mal schlechter funktioniert, durch einen hohen Schwarzanteil und das große Format aber immer sehr mächtig und imposant wirkt.
Design und Aufmachung des Buches lassen darauf schließen, dass auch hier viel Arbeit investiert wurde. Der Einband ist mit einem Leinenstoff überzogen, der leider etwas schmutzanfällig ist. Die Seiten haben eine schöne Dicke und Struktur und das gesamte Buch ist thematisch stimmungsvoll durchgestaltet, passt perfekt in das HipHop-Thema und erinnert teilweise etwas an Graffitikunst. Sämtliche Texte im Buch sind auf Englisch verfasst.
Zum Buch gibt es eine offizielle Webseite, auf der auch die entsprechende Musik zu finden ist. Mehr als nur einmal wird von Liedern gesprochen, deren Texte zur politischen Verfolgung der Künstler*innen geführt haben und nur zu gern möchte man als Leser*in einfach mal reinhören, um sich ein besseres Bild davon zu machen. Diese Möglichkeit ist durch die Webseite also gegeben. Alternativ kann man sich auch die auf 150 Stück limitierte Sonderedition kaufen, die Schallplatten mit den entsprechenden Liedern enthält.
Das Buch „Forthright – Stronger than a weapon“ gibt es auf der offiziellen Webseite für 99 € zu kaufen. Die limitierte Sonderedition kostet happige 219 €, enthält dafür aber einen Pappschuber mit zwei Schallplatten und wurde von Sascha Kraus persönlich signiert.