Über analoge Ehrlichkeit und Blumen im Haar
Angefangen hat alles vor fünf Jahren als ich noch zur Schule gegangen bin und mir das Wahlfach Fotografie verglichen mit allen anderen ziemlich sympathisch war. Ich habe zu dieser Zeit eine alte analoge Canon von meinem Opa bekommen und hatte einen unglaublich beeindruckenden Lehrer. Kennt Ihr das, wenn man merkt, dass jemand seine Arbeit wirklich liebt? Das passiert in meiner Welt leider gar nicht so oft.
Mich beeindruckt so etwas aber ungemein. Mein Fotografie-Lehrer ist so jemand. Ein Fotograf der alten Schule mit dicker Hornbrille und Bart. Er hat damals etwas ziemlich Gutes gemacht: Er hat mich komplett angesteckt mit seiner Liebe und Hingabe zur Fotografie.
Ich werde niemals den Geruch der Chemikalien in unserer kleinen Schuldunkelkammer vergessen, die Spannung beim Entwickeln, das Geschrei, wenn ein Schüler mal aus Versehen auf den Lichtschalter kam und dann alle tierisch lachen mussten.
Ich liebe die Analogfotografie, weil sie rein und ursprünglich ist und eine unglaubliche Tiefe besitzt. Sie zeigt, dass man in der Kunst an keiner Stelle etwas vortäuschen muss, um etwas Schönes zu erschaffen.
Für mich ist das der wichtigste Grundsatz in meinen Fotos: Natürlichkeit. Den Menschen so zeigen wie er ist oder es zumindest so gut es geht versuchen. Diese Art des Fotografierens in der digitalen Fotografie behalten.
Das heißt nicht, ohne Bildbearbeitung auszukommen. Aber es heißt, besondere Züge, die zu Individuen dazugehören, zu behalten, egal ob diese jetzt der Mehrheit gefallen oder nicht.
Mir geht es mit meiner Fotografie immer um den Menschen – auch, wenn ich mich immer noch nicht entscheiden könnte, welcher Bereich mir dabei am meisten Freude macht.
Was zum Beispiel in der Welt der Mode wirklich großartig ist, ist, dass man in andere Welten schlüpfen kann. Dass man gestalten kann. Dass das Thema Mode eigentlich, wenn man genau hinsieht, kein oberflächliches Thema ist, sondern die Kleidung eines Menschen unglaublich viel über ihren Träger aussagt.
Ich weiß aber nicht, ob ich in der Fashion/Beauty-Fotografie zurecht kommen würde, weil ich wirklich kein oberflächlicher Mensch bin und manche Konventionen in diesem Bereich sicher nicht einfach hinnehmen könnte.
Auf der anderen Seite würde mir sicher sehr viel Farbe fehlen, wenn ich mich jetzt entschließen würde, nur noch journalistisch, ehrlich und dokumentarisch zu fotografieren und ich keinem, der vor meiner Kamera steht, mehr eine Blume ins Haar stecken dürfte.
Ich glaube, wir Fotografen arbeiten am produktivsten und inspiriertesten, wenn wir ein starkes Gefühl haben. Egal ob es ein positives oder ein negatives Gefühl ist. Ich merke, dass mir besondere Ideen kommen, wenn ich besonders glücklich bin. Dann sind die Motive in meinen Fotos Menschen oder Dinge, die ich liebe. Ballerinas, Federgestalten oder Sternenmädchen zum Beispiel.
Aber genauso sprudelt es nur so an Ideen, wenn mich etwas wirklich ärgert. Beides kann total beeindruckend sein. Wenn jemand mir mit einem Foto zeigt, wie schön die Welt doch ist, aber genauso, wenn man Schmerz oder Ärger mit einem Foto verarbeiten kann. Das ist es, was ich am meisten an der Fotografie liebe.