01. Mai 2013 Lesezeit: ~4 Minuten

Serielles Arbeiten: „Verwaistes Herz“

Wenn man intensiv fotografiert, geht man oft zwei Schritte vor und einen wieder zurück. Ich will damit sagen, es geht langsam voran, jedenfalls bei mir. Und mir macht das auch nichts, ich kenne das ja schon ganz gut aus Momo: Besenstrich für Besenstrich und dann schaut man sich um und sieht, was für ein Berg an Negativen hinter einem liegt.

Vor ungefähr einem Jahr durchblätterte ich meine beiden Negativordner, angefüllt mit zwei Jahren von Freude, Tränen, Spaß, Willkür, Wehmut und Fernweh. Mit vielen Bildern verband ich natürlich entweder ein persönliches Ereignis, eine Reise, ein Spaziergang oder meine vielen Treffen mit zunächst fremden Menschen, die zu mir kamen und die ich fotografierte und so näher kennenlernen durfte.

_MG_4420

Die Frage war, was mache ich mit den vielen noch unentdeckten und nicht für sich selbst sprechenden Bildern und Schnipseln meines Lebens? Natürlich das, was man mit Schnipseln im Allgemeinen tut – nein, nicht wegwerfen. Ich setzte sie zusammen. Schnipsel für Schnipsel zu einer Geschichte und ich hatte Spaß daran. So entstanden neue Geschichten, für sich Stehende und Erzählende.

Eine meiner Lieblingsgeschichten ist die von Anne. Wir lernten uns 2011 kennen und sie brachte mir eine Geschichte mit. Die Geschichte des schwarzen Hochzeitskleides. In meinem Kopf überschlug es sich und auch meine Kamera überschlug sich bei all den vielen Fotos, die ich seitdem von ihr machte.

_MG_4452

_MG_4469

Wir schreiben jetzt das Jahr 2013 und die Geschichte geht weiter. Immer wieder finden wir Zeit füreinander, sitzen dann beieinander oder durchwühlen den Wäscheberg, den sie mitbringt, nehmen einen Ring nach oben oder eine Schleife. Wir durchstöbern meine Wohnung nach Dingen, die uns jetzt in diesem Moment gefallen und zu der Stimmung, in der wir uns befinden, passen.

Und so entstand die Serie „Verwaistes Herz“ mit offenem Ende. Denn ich weiß nicht, wann und ob sie überhaupt einen Schlusssatz haben wird. Doch habe ich mich in diese Geschichte, ich muss es zugeben, einfach verliebt. Mit ist ja selbst schleierhaft, wie sich diese Geschichte entwickeln, welcher Schnipsel angefügt wird und welcher lieber im Geheimen bleibt.

_MG_4455

_MG_1215

Aber ihr Gesicht, ihre Hände und vor allem ihr Mund sind für mich reine Poesie. Und so schaukeln die Bilder zwischen Traurigkeit und Wehmut. Zeigen Verlorenes und Vergangenes. Ein Herz, das nach Leben ruft und all die angeschwemmten Dinge des Lebens in sich trägt und versteckt vor der Welt.

Oft finde ich dann in meinen Negativordnern Bilder, die zur Geschichte passen und die schon längere Jahre darin ruhen und nie gezeigt wurden. Sie passen zum Gefühl der Portraits, spinnen die Worte weiter, lassen Freiraum für das nächste Bild.

Auffällig ist, dass ich mich oft für körnige Bilder entscheide. Vielleicht, weil sie mich an den Film Noir erinnern. Immer ein wenig entrückt, seltsam, schwermütig und das pefekte Medium zur Darstellung der Realitätsfremde.

_MG_3646

_MG_4490

Ich frage mich alledings auch, ob ich nicht genau das demnächst durchbreche. Denn die sehr konspirativen Treffen sind auch gern mit einer Spur Aufbruchstimmung durchtränkt. Ich bin deswegen recht zuversichtlich, dass wir der Serie noch einige andere Aspekte des Lebens hinzufügen werden. Immerhin bricht draußen gerade der Frühling aus und es wird Zeit für einen Waldspaziergang.

So habe ich vorerst meinen fotografischen Weg gefunden. Aus Einzelbildern etwas Neues formen. Ich fühle mich dabei wie ein Regisseur und Autor zusammen und hoffe. einfach weiter zu spinnen wie bisher.

Ähnliche Artikel