Serielles Arbeiten: „Verwaistes Herz“
Wenn man intensiv fotografiert, geht man oft zwei Schritte vor und einen wieder zurück. Ich will damit sagen, es geht langsam voran, jedenfalls bei mir. Und mir macht das auch nichts, ich kenne das ja schon ganz gut aus Momo: Besenstrich für Besenstrich und dann schaut man sich um und sieht, was für ein Berg an Negativen hinter einem liegt.
Vor ungefähr einem Jahr durchblätterte ich meine beiden Negativordner, angefüllt mit zwei Jahren von Freude, Tränen, Spaß, Willkür, Wehmut und Fernweh. Mit vielen Bildern verband ich natürlich entweder ein persönliches Ereignis, eine Reise, ein Spaziergang oder meine vielen Treffen mit zunächst fremden Menschen, die zu mir kamen und die ich fotografierte und so näher kennenlernen durfte.
Die Frage war, was mache ich mit den vielen noch unentdeckten und nicht für sich selbst sprechenden Bildern und Schnipseln meines Lebens? Natürlich das, was man mit Schnipseln im Allgemeinen tut – nein, nicht wegwerfen. Ich setzte sie zusammen. Schnipsel für Schnipsel zu einer Geschichte und ich hatte Spaß daran. So entstanden neue Geschichten, für sich Stehende und Erzählende.
Eine meiner Lieblingsgeschichten ist die von Anne. Wir lernten uns 2011 kennen und sie brachte mir eine Geschichte mit. Die Geschichte des schwarzen Hochzeitskleides. In meinem Kopf überschlug es sich und auch meine Kamera überschlug sich bei all den vielen Fotos, die ich seitdem von ihr machte.
Wir schreiben jetzt das Jahr 2013 und die Geschichte geht weiter. Immer wieder finden wir Zeit füreinander, sitzen dann beieinander oder durchwühlen den Wäscheberg, den sie mitbringt, nehmen einen Ring nach oben oder eine Schleife. Wir durchstöbern meine Wohnung nach Dingen, die uns jetzt in diesem Moment gefallen und zu der Stimmung, in der wir uns befinden, passen.
Und so entstand die Serie „Verwaistes Herz“ mit offenem Ende. Denn ich weiß nicht, wann und ob sie überhaupt einen Schlusssatz haben wird. Doch habe ich mich in diese Geschichte, ich muss es zugeben, einfach verliebt. Mit ist ja selbst schleierhaft, wie sich diese Geschichte entwickeln, welcher Schnipsel angefügt wird und welcher lieber im Geheimen bleibt.
Aber ihr Gesicht, ihre Hände und vor allem ihr Mund sind für mich reine Poesie. Und so schaukeln die Bilder zwischen Traurigkeit und Wehmut. Zeigen Verlorenes und Vergangenes. Ein Herz, das nach Leben ruft und all die angeschwemmten Dinge des Lebens in sich trägt und versteckt vor der Welt.
Oft finde ich dann in meinen Negativordnern Bilder, die zur Geschichte passen und die schon längere Jahre darin ruhen und nie gezeigt wurden. Sie passen zum Gefühl der Portraits, spinnen die Worte weiter, lassen Freiraum für das nächste Bild.
Auffällig ist, dass ich mich oft für körnige Bilder entscheide. Vielleicht, weil sie mich an den Film Noir erinnern. Immer ein wenig entrückt, seltsam, schwermütig und das pefekte Medium zur Darstellung der Realitätsfremde.
Ich frage mich alledings auch, ob ich nicht genau das demnächst durchbreche. Denn die sehr konspirativen Treffen sind auch gern mit einer Spur Aufbruchstimmung durchtränkt. Ich bin deswegen recht zuversichtlich, dass wir der Serie noch einige andere Aspekte des Lebens hinzufügen werden. Immerhin bricht draußen gerade der Frühling aus und es wird Zeit für einen Waldspaziergang.
So habe ich vorerst meinen fotografischen Weg gefunden. Aus Einzelbildern etwas Neues formen. Ich fühle mich dabei wie ein Regisseur und Autor zusammen und hoffe. einfach weiter zu spinnen wie bisher.
Schöne Geschichte. Kann mir vorstellen, dass es eine spannende Reise ist. Gefällt mir. Würde mich interessieren, wie es weiter geht. Insbesondere, die „Aufbruchstimmung“. Viel Spass weiterhin
Wünscht
Jörg
Was für ein schöner Beitrag Marit und die Bilder sowieso…wundervoll!
Die Bilder sind wunderschön, poetisch und gehen direkt ins Herz.
Die Entscheidung für die körnigen Bilder ist die richtige,für mich auf jeden Fall. Ich mag die mystische Stimmung.
Interessanter Beitrag, danke dafür!
das erste bild mit der maske ist der wahnsinn. wirklich beeindruckend!
Liebe Marit.
Wunderbare Worte hast Du gefunden, warm und poetisch. Sie zeigen mir auch, dass ich nicht allein stehe mit dem sich stets Entwickelnden, sich immerzu Wandelnden in der Fotografie, wie im Leben, das die Fotografie ja auf mehr oder weniger klare Weise abzubilden versucht.
In dem, was am Anfang vielleicht nicht so deutlich mit uns spricht wie anderes, was wir erstmal liegen und reifen lassen, verbergen sich manchmal die größten Schätze, die wir dann auf andere Weise zusammenfügen können und die erst dann zu ihrem Recht und ihrer Geschichte kommen. Nie ein Ende in all dem.
Und noch eines: Du fotografierst viele tolle, spannende Menschen, aber einige passen einfach noch besser zu Dir, Deiner Kamera. Und Anne ist einer davon.
Alles Liebe, Michel
ich folge dir so gern auf diesen wegen.
hinein in deine besonderen träume.
ich lege dann die last der farben ab-atme schwarz und weiß.
deine bilder rühren etwas in mir an.
immer neu.
alles liebe, resa
Oh wie wunderbar … Die Bilder und auch der Text haben so viel Seele. So schön und geheimnisvoll kann Fotografie sein. Inspiration pur – DANKE!
die Geschichte die Du im Kopf hast ist interessant!
Die Bilder die Du dazu zeigst sind allerdings gefällig und austauschbar.
Es sind die typisch engen Ausschnitte die scheinbar eine Geschichte erzählen wollen aber es eigentlich nicht tun. Sie versuchen eine Emotion zu vermitteln, aber wie gesagt, das tun alle Bilder die diese engen Schnitte wählen.
Die Bilder selber sind für meinen Geschmack zu „unterbelichtet“ was sich im extrem starken Korn auch in den Schwärzen zeigt. Aber das ist letztlich eine Frage des persönlichen Geschmacks.
Bogi