30. April 2013 Lesezeit: ~6 Minuten

Sony World Photography Awards 2013

In der vergangenen Woche fand in London die Verleihung eines der renommiertesten Fotopreise statt – dem Sony World Photography Award.

Innerhalb weniger Jahre – der Preis wird seit 2007 jährlich von der World Photography Organisation verliehen – hat sich das Ereignis zu einer internationalen Plattform für herausragende Amateur- und Profi-Fotografie entwickelt. Es war mir daher eine besondere Freude, in diesem Jahr der Prämierung der besten Arbeiten in London beiwohnen zu dürfen.

Aus einem schlichtweg überwältigenden Pool richtig guter Beiträge habe ich einige repräsentative Beispiele herausgepickt. Nicht alle dieser Arbeiten, die ich nun im Folgenden vorstellen möchte, sind auch Gewinner in ihrer jeweiligen Kategorie gewesen. Sie sind es, wie ich finde, dennoch wert, hier unbedingt gezeigt zu werden.

 

Andrea Gjestvang – One day in history

One day in history © Andrea Gjestvang

One day in history © Andrea Gjestvang

Mit ihrer Portraitserie von jungen Menschen, die das Massaker von Utøya in Norwegen überlebten, gewann die norwegische Fotografin in der Kategorie Menschen den ersten Preis sowie den Hauptpreis, die Iris d’Or.

Ihre Bilder sind unaufgeregt, nah, einfühlsam und zeigen uns die Menschen, die dem Horror des zutiefst erschütternden Ereignisses trotzten und wie sie eine würdevolle Selbstverständlichkeit gefunden haben, mit den erlittenen Verletzungen und ihren offensichtlichen Spuren umzugehen.

Gjestvangs Arbeiten wurden bereits international veröffentlicht und sie wurde im letzten Jahr von PDN in die Liste der 30 interessantesten aufstrebenden Fotografen aufgenommen.

 

Christian Åslund – Jim Rickey Project

Jim Rickey Project © Christian Åslund

Jim Rickey Project © Christian Åslund

In der Kategorie Werbung konnte sich diese Arbeit des schwedischen Fotografen Christian Åslund durchsetzen. Inspiriert von der 2D-Grafik früher Computerspiele entstand die Auftragsarbeit im engen Straßennetz von Hongkong. Åslund fotografierte aus der Höhe nach unten, wobei die Straße seinen Modellen als Kulisse diente.

Erheiternd und erfirschend finde ich diese Arbeit deswegen, weil sie mit einer simplen Idee – nämlich einfach die Aufnahmeperspektive um 90° zu drehen – ganz beiläufig unsere normale Perspektive in Frage stellt.

Welche Verwirrung das schon bei der Aufnahme der Bilder stiftete, beschrieb der Fotograf so: „Einmal rief sogar jemand den Krankenwagen, weil er dachte, unser Modell wäre aus der Höhe gestürzt und verletzt.“

 

Gali Tibbon – Journey to the Jerusalem of Africa – Lalibela, Ethiopia

Journey to the Jerusalem of Africa © Gali Tibbon

Journey to the Jerusalem of Africa © Gali Tibbon

Ursprünglich arbeitete sie an einem Projekt über orthodoxe Christen in Jerusalem, so die israelische Fotografin, und wurde dabei auf die Pilger aus Äthiopien aufmerksam.

Die Erzählungen der Pilger von Lalibela machten sie neugierig. Der Pilgerort für orthodoxe Christen im Hochland von Äthiopien ist auch bekannt als das Jerusalem von Afrika. Seine Besonderheit sind die im 13. Jahrhundert aus dem Fels gehauenen monolithischen Steinkirchen.

Tibbon dokumentierte diesen faszinierenden Ort und die Rituale der Pilger zum orthodoxen Weihnachtsfest. Sie sei dabei insbesondere vom ungewohnt offenen Umgang mit Nacktheit und Körperlichkeit fasziniert gewesen, sagte die Fotografin.

 

Ilya Pitalev – Personality and society. Reality vs. illusions.

Personality and society. Reality vs. illusions. © Ilya Pitalev

Personality and society. Reality vs. illusions. © Ilya Pitalev

Als sich 2012 in Nordkorea der hundertste Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung jährte, begleitete der russische Fotograf die staatlichen Feierlichkeiten mit seiner Kamera.

Mit seinen Fotos der propagandistischen Massenveranstaltung gewann Pitalev den ersten Preis in der Kategorie Zeitgeschehen. Sein nüchterner und zuweilen frecher Blick auf das Ereignis führt den Personenkult gekonnt ad absurdum.

Dass es ganz klar eine internationale Aufmerksamkeit für Nordkorea gibt, war schon allein daran zu erkennen, dass dies bei Weitem nicht die einzige eingereichte Arbeit war, die sich mit dem Land auseinandersetzt.

 

Daesung Lee – On the shore of a vanishing island

On the shore of a vanishing island © Daesung Lee

On the shore of a vanishing island © Daesung Lee

Eine sehr schöne Arbeit, die jedoch keinen Preis bekam, ist die Bildserie des südkoreanischen Fotografen über Ghoramara – einer Insel in Bengalen, der durch den Anstieg des Meeresspiegels buchstäblich der Untergang droht.

Zwei Drittel der Bevölkerung haben die Insel seit den 1960er Jahren bereits verlassen. Die Übriggebliebenen sind Bauern und Fischer, deren Heimat nach und nach erodiert, während ihre Zukunft unklar bleibt.

Lee hat einige dieser Menschen an den zerfransten Ufern der Insel portraitiert. Seine Bilder vermitteln die Ungewissheit, in der diese Menschen leben und ihre Machtlosigkeit gegenüber der Natur, zugleich aber auch ihre enorme Anpassungsfähigkeit.

 

Fabrice Fouillet – Corpus Christi

Corpus Christi © Fabrice Fouillet Corpus Christi © Fabrice Fouillet

Mit seinen Innenaufnahmen moderner Kirchenräume konnte sich der französische Fotograf in der Kategorie Architektur behaupten.

Die minimale Ästhetik der erst wenige Jahrzehnte alten Kirchenbauten war der Aspekt, der Fouillet bei dieser Arbeit am meisten beschäftigte.

Die immer gleiche Grammatik von Hochformat und Zentralperspektive auf den Altar unterstreicht dabei den sakralen Raumeindruck und vereint die Bildserie zu einer gelungenen typologischen Studie.

 

Klaus Thymann – i-D Iceland

i-D Iceland © Klaus Thymann

Bärtig, rau und sagenhaft gut gekleidet steht das Modell des dänischen Fotografen Klaus Thymann in der schroffen Landschaft Islands.

Im Auftrag für eine Modemarke fotografiert, definiert die Arbeit die Grenzen der Modefotografie neu und beweist: Es braucht nicht zwangsläufig faltenlose Hochglanzmodelle, um gute Kleidung auch gut in Szene zu setzen.

 

Ernest Goh – Cocks!

Cocks! © Ernest Goh Cocks! © Ernest Goh

Der Fotograf aus Singapur konnte mit seiner Fotoserie über Zierhühner in der Kategorie Natur & Tierwelt überraschenderweise nicht punkten.

Ich zeige die Arbeit hier dennoch, weil sie wunderbar humorvoll und nicht zuletzt auch technisch höchst professionell umgesetzt ist.

Ausleuchtung und Bildsprache unterstützen den Portraitcharakter der Bilder und veranlassen uns als Betrachter unwillkürlich, eine Persönlichkeit in dem uns entgegenblickenden Vogel zu erkennen.

 

Positiv überrascht war ich übrigens auch, die Arbeit „Dreaming of Dubai“ unseres Gastautors Johannes Heuckeroth in der engeren Auswahl der Kategorie Travel zu entdecken. Dafür herzlichen Glückwunsch von uns!

Wer mehr Gewinnerbilder sehen möchte, kann sich online in den Award Galleries umschauen.

Und wer es bis zum 12. Mai noch nach London schaffen sollte, dem sei unbedingt ein Besuch der Ausstellung im Somerset House ans Herz gelegt.

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