13. Dezember 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Paris

Am meisten überrascht von meiner Paris-Reise und den dabei entstandenen Fotos war ich selbst. Schon bevor ich das erste Mal in Paris war, hatte ich eine genaue Vorstellung der Stadt, geprägt durch Filme, Bücher und Fotos.

Bevor es Mitte August letzten Jahres früh morgens losging, haben meine Freundin und ich Reiseführer und Stadtkarten gewälzt, um die ideale Route durch die Stadt zu planen und so viel wie möglich zu sehen – an den zweieinhalb Tagen die wir in dieser Stadt hatten.

Von unserem Hotelzimmer aus konnten wir den Eiffelturm sehen. „Das beste Zimmer im Hotel“, wurde uns an der Rezeption versichert. Ein schönes Extra, aber schlussendlich waren wir nicht in Paris, um die Stadt von unserem Hotelzimmer aus zu bestaunen. So ging es dann also los, von den äußeren Stadtgebieten ins Zentrum. Ausgerüstet mit einem Stadtplan, Metro-Tickets und einer Kamera Richtung Eiffelturm.

Fotografisch hatte ich mich nicht wirklich auf bestimmte Motive festgelegt. Einfach fotografieren, was mir vor die Linse kommt, schöne Erinnerungen festhalten, man ist ja schließlich nicht jeden Tag in Paris. So ging es dann durch belebte Gassen, vorbei an kleinen Cafés. Durch das geschäftige Treiben in der Metro und ab und an wurden wir mit der Masse mitgezogen und sind dann doch von unserem strengen Reiseplan abgewichen.

Je näher wir dem Zentrum kamen, desto deutlicher zeigte sich aber auch ein anderes Bild der Stadt. Vielleicht unbemerkt, vielleicht aber auch einfach toleriert oder gar ignoriert, bevölkern Menschen die Straßen, im Gepäck ihr gesamtes Hab und Gut oder das, was davon übrig ist. Mir wurde eine andere Facette der Stadt bewusst, weit abseits von Romantik, Fashion und verträumten kleinen Cafés mit Blick auf den Eiffelturm, aber doch irgendwie mitten drin und ein immer präsenter Teil davon. Zumindest, wenn man es zulässt.

Ein Mann beobachtet einen Hasen, der an seinem Hosenbein knabbert

Im ersten Moment war ich irgendwie schockiert, denn dieser Aspekt wurde in keinem Reiseführer oder Film, den ich kannte, thematisiert. Und ehrlich gesagt war ich darauf auch nicht wirklich vorbereitet. Ich weiß nicht genau wieso, aber ich fing an, auch diese Seite der Stadt zu fotografieren, schließlich wollte ich meinen gesamten Eindruck der Reise dokumentieren.

Ein Mensch liegt auf dem Weg

Viele der Fotos sind sehr spontan entstanden. Im ersten Moment habe ich mich auf die allgegenwärtigen Sehenswürdigkeiten konzentriert, aber schon beim zweiten Blick fielen mir Situationen auf, die irgendwie nicht so recht in meine Erwartungen passen wollten.

Ein alter Mann ist zu sehen und er hat einen langen Bart

Mit jedem Druck auf den Auslöser, der nicht einem der prachtvollen Bauten gewidmet war, veränderte sich auch der Blick auf mein eigenes Tun und Handeln. Probleme, über die ich mir vorher den Kopf zerbrochen hatte, wirkten auf einmal ganz banal.

Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, dass ich mich kurz nach der Ankunft am Flughafen tierisch darüber aufgeregt hatte, dass wir noch knapp drei Stunden mit unserem gesamten Gepäck durch die Stadt laufen mussten, ehe wir es sicher im Hotelzimmer verstauen können würden.

In Anbetracht der Tatsache, dass ich immer wieder Menschen sah, die tagein, tagaus ihr gesamtes Leben verstaut in einigen Taschen mit sich herumtragen, kam mir die Sorge um die fünf T-Shirts in meiner Reisetasche plötzlich sehr lächerlich vor.

Ein obdachloser Mensch umgeben von Tüten

Ende März dieses Jahres war ich wieder in Paris, dieses Mal beruflich. Ich war mit einer Band dort, wir haben ein Musikvideo gedreht und Promo-Fotos gemacht. Ich habe gemerkt, dass sich mein Blick auf die Stadt verändert hat und ich mit einer anderen Sichtweise als der Rest der Gruppe an die Sache herangegangen bin.

Es fiel mir anfänglich schwer, die romantische Stimmung einzunehmen, die das Konzept vorgesehen hat. Mir ist bewusst geworden, dass meine Illusion der Stadt zerstört war, auch wenn ich in diesem Moment wieder eine neue aufgebaut habe.

33 Kommentare

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    • Mit Verlaub, aber wäre er nicht überrascht gewesen, hätte er die Bilder nicht gemacht und könnte anderen Menschen, die vielleicht noch jung sind und tatsächlich behütet aufgewachsen sind, nicht auf solche Aspekte des Lebens hinweisen. Man muss ja nicht unbedingt als Zyniker auf die Welt kommen, das wäre sehr traurig. Außerdem sind Überraschung und Staunen Triebfedern für kreatives Schaffen. Das dokumentarisch festzuhalten und darauf aufmerksam zu machen ist auf jeden Fall besser, als wortlos zu akzeptieren, das Armut völlig normal ist.

    • Das war auch einer meiner ersten Gedanken.
      Und wenn ich mir anschaue, dass der Autor als Fotograf für eine Werbeagentur arbeitet und dabei die Portrait-, Fashion-, aber auch Konzertfotografie einen großen Teil seiner Arbeiten ausmacht, dann hört sich das alles sehr nach Großstadtleben an. Hmm… ok, sowas kann man natürlich auch in einem relativ kleinen Kaff im Sauerland praktizieren. Aber trotzdem verwundert es, dass einen Obdachlose in Paris so aus der Bahn werfen.

  1. Aaaalso: Ich empfinde die Bilder der Obdachlosen schlicht respektlos und würdelos! Der Fotografierende hat sich nicht erkennbar mit den Personen beschäftigt, die er hier abgeschossen hat. Leider wird dies auch im Text nicht erkennbar („Viele der Fotos sind sehr spontan entstanden“ wirkt da geradezu euphemistisch).
    Für mich kommt das leider rüber wie ein ausgesprochen schlechtes Beispiel von „knipps und weg“. Damit sind diese Bilder ein abschreckendes Beispiel dafür, wofür das an sich ja so interessante Feld der „Street“-Fotografie gerne kritisiert wird. Das sicher ernst gemeinte aber mit solchen Bildern illustrierte Erstaunen darüber, dass es in Paris Obdachlose gibt, wirkt auf diese Weise fast schon heuchlerisch.
    Im Übrigen scheinen mir auch die drei anderen Bilder doch reichlich belanglos zu sein.
    Solche Verrisse schreibe ich eigentlich ungern und versuche auch immer, die Motivation des Fotografen zu verstehen, aber dieses Mal musste es doch raus…

  2. Ich habe länger nach passenden Worten für diesen Artikel gesucht, hätte es fast schon aufgegeben und habe dann den Kommentar von „Ulf My“ entdeckt!

    Danke dafür :-)

    Er spricht mir aus der Seele, dem ist nichts hinzu zufügen!

    Viele Grüße
    Peter

  3. Bis auf das erste große Bild stellt sich mir die Frage, was die Bilder mit Paris zu tun haben. Insbesondere die Obdachlosen findest du wahrscheinlich in jeder größeren Stadt (nur das man Städte sie aus bestimmten Gebieten raushalten). Ich denke das ich in 2-3 Tagen fast identische Bilder in Berlin hinbekommen würde (die der Obdachlosen). (Na gut. Grad nicht, weil zu viel Schnee liegt.) Entweder der Titel ist ein (vielleicht nicht besonders gelungener) Aufreißer, um auf das Thema Armut hinzuweisen, oder er passt halt nicht.

    Das Thema Armut ist wichtig, auch in Deutschland. Dafür braucht man nicht nach Paris fahren. Wäre sicherlich ein interessantes Projekt, aber dann bitte ohne den ausschließlichen Bezug zu Paris.

  4. „chlochard“ nennt man die wohnsitzlosen in paris. die gibts schon seit ewigen zeiten. es wurden schon X filme über sie gedreht ,und 1000000fach abgelichtet.
    in deinem artikel und in deinen fotos erkenn ich „mein“ paris nicht wieder :-(

  5. Trotz der anstehenden Weihnachtszeit gibt es eigentlich keinen Grund fotografisch so gefühlsduselig und oberflächlich zu arbeiten. Obdachlose kann man in jeder Stadt auf der Welt sehen und fotografieren, aber geholfen ist diesen Menschen damit nun auch nicht gerade.
    Ich hoffe du hast die Obdachlosen wenigstens um Erlaubnis gefragt sie fotografieren und im Internet zeigen zu dürfen?!

  6. ich muss mich hier jetzt auch mal einklinken! die bilder sind für meinen geschmack nicht nur respektlos – wie es der gute ulf ja schon treffsicher formuliert hat – den obdachlosen gegenüber, sondern auch unfassbar schlecht! ich möchte den fotografen natürlich nicht persönlich angreifen und diesen kommentar wollte ich mir eigentlich auch verkneifen, aber es musste einfach raus!

    der erste absatz sagt sagt bereits sehr viel!

    „Bevor es Mitte August letzten Jahres früh morgens losging, haben meine Freundin und ich Reiseführer und Stadtkarten gewälzt, um die ideale Route durch die Stadt zu planen und so viel wie möglich zu sehen – an den zweieinhalb Tagen die wir in dieser Stadt hatten.“

    die fotos spiegeln diesen „routen-planungs-ich-muss-alles-sehen-stress“ perfekt wieder. beim nächsten paris besuch einfach mal treiben lassen, ohne planungen und reiseführer und sich die zeit nehmen für land und leute.

  7. … das beste Bild ist immer noch das auch schon lieblose vom Pt des Invalides auf die Église Américaine und Eisendame, ansonsten komplett « Setzen, 6 » ; da wäre deutlich mehr zu holen gewesen als « street ist s/w ist cool ist hier einfach mal so richtig mit Anlauf an die Wand gegangen ».
    ZB nicht nur die « Erkenntnis », dass sich die sans abris ( oder SDF ) höchst ungern fotografieren lassen ( wenigstens das sieht man den im Vorbeigehen geknipsten Dingern ja an ), sondern dass eine solche Serie deutlich mehr als 2 Tage « spontanes » Tourihopping braucht, dass die « Schlafplätze » unter den Brücken und an den RER- bzw. MétroTunneln mehr hermachen, dass sie ihre eigenen « Häuser » haben sowie dass es unter ihnen höchst interessante Personen gibt. Maurice zB, der am Quai d’Anjou jeden Morgen seine Joggingrunden über ie beiden Inseln dreht, bevor er sich zur Arbeit aufmacht als Tellerwäscher. Oder Fabrice, der da, der mit dem Kaninchen, der Eingänge in die catacombes kennt, die auf keinem Plan verzeichnet sind.
    Aber so ? Kann es immer noch als ungewolltes Beispiel für eine unvorbereitete Arbeit herhalten ; einzig der Kontrast zwischen « pâtisserie in Farbe » und « Trostlosigkeit in Grau », obgleich mächtig cliché, aber immerhin ein Gedanke … dann lieber die hinlänglich bekannten Standardansichten der plus belle ville du monde.

  8. Ich hoffe, der Fotograf hat eine schriftliche oder zumindest eine gesicherte mündliche Einverständniserklärung der Abgebildeten. In Frankreich sind die Persönlichkeitsrechte (Recht am eigenen Bild) recht streng.
    Zudem sind diese Bilder zutiefst würdelos. Auch Obdachlose haben eine Würde. Sie einfach rasch auf dem Vorbeiweg abzulichten geht einfach nicht. Vielleicht hat sich der Fotograf mit den Personen unterhalten, sich um ihre Situation informiert. Doch wie ich die Bilder beurteile, geschah dies wohl kaum.
    Und übrigens gibt es Bildstrecken über Pariser Clochards schon zuhauf. François-Marie Banier beispielsweise zeigt sie in seinen Büchern und Bildstrecken würdevoll, weil er mit ihnen den Kontakt aufnahm. Es braucht keine Touristen die das machen. Diese Menschen haben zuletzt auf Reisende aus dem Ausland gewartet, die sie knipsen.
    Bitte mehr Respekt.

  9. Ach Leute…Wieso ist denn das Recht am Bild bei Obdachlosen höher anzusetzten als bei anderen Menschen? Weil es so schrecklich ist? Hallo, aufwachen! Das ist Realität im Kapitalismus. Natürlich ist es schrecklich.
    Obwohl ich mich mit dem Thema Wonungsnot schon länger beschäftige war ich entsetzt von den vielen Obdachlosen in Paris. Ich sehe in Berlin oder Hamburg nicht annähernd so viele Menschen die auf der Straße leben. Und gerade der „Kontrast zu den Stadtführern“, die die Stadt der Liebe anpreisen stehen in einem krassen Kontrast dazu.
    Aber Leute, wenn euch die Leute so leit tun, dann tut was gegen Wohnungsnot und die Verhältnisse, die Menschen dazu bringen plötzlich ohne alles da zu stehen, aber fühlt euch bitte nicht als bessere Menschen, nur weil ihr im Internet gegen einen Fotografen pöbelt, weil dieser das Elend fotografiert.

    • Es geht gar nicht ums „Pöbeln“ gegen einen Fotografen. Nein es geht darum, dass man mit der Kamera nicht alles darf. Und ja auch alle anderen auf der Strasse haben ein Recht am eigenen Bild. Da gibt es ganz klare Regeln und die gilt es einzuhalten.
      Zumal ein Hobbyfotograf schon gar kein Recht auf Information oder höhere Absicht geltend machen kann. Nein es ist Effekthascherei, auch wenn sie durch vermeintliches Mitleid kaschiert ist. Und dies sind sich die meisten sogenannten Streetfotografen gar nicht bewusst. Eigentlich sind es genau so Paparazzis wie die „offiziellen“ vielleicht sogar die die schlimmeren, weil sie auch „Jagdt“ auf Menschen (sprich Sujets) machen die das mit 100% Sicherheit nicht sein wollen.
      Und Schwache zu fotografieren ist zutiefst ein Zeichen von Schwäche – wenn auch versteckt und sicher würde das keiner zugeben.
      Es ist gut, dass die Behörden und Gesetzgeber, die Streetfotografie immer mehr einschränken. Wer schützt uns sonst vor dem Heer knipsender Spanner?

      • „Es ist gut, dass die Behörden und Gesetzgeber, die Streetfotografie immer mehr einschränken.“

        Warum soll das gut sein? ich finde es nicht gut, wenn der Staat die Freiheit aller immer mehr einschränkt. Wie wäre es denn, wenn wir die Abbildung von Architektur als geschützte Kunstwerke streng reglementieren? das wäre doch auch mal ein Denkansatz, oder etwa nicht? man kann sich die Fotografie mit all ihren (künstlerischen) Möglichkeiten und Ausfrucksweisen auch selbst kaputt machen.

        Es freut mich aber zu wissen, dass zumindest Du ein Bürger bist, der sich an alle Gesetze und Verordnungen in unserem Land zu halten scheint. Respekt dafür.

      • gebäude sind keine menschen. das ist ein eklatanter unterschied.

        und die meisten streetknipser sind sich eben nicht bewusst, dass sie die integrität der mitmenschen verletzen. hauptache man bekommt sei geiles bild.

        verd… nochmal überlegt was ihr tut wenn ihr das knöpfchen drückt.

      • … übrigens sag ich jedem streetfotogeafen ganz deutlich meine meinung wenn er meint er müsse mich oder auch meine kinder fotografieren ohne zu fragen.

      • Es ist eine Frage der Sensibilität und Empathie. Wie fühlen sich diese Leute, wenn sie tagein tagaus nur aus dem einen Grund als Fotoobjekt herhalten müssen, dass sie obdachlos sind und elend aussehen und das Bild von Paris als der Stadt der Liebe stören? Vielleicht wie die Kleinwüchsigen und andere Versehrte, die früher auf Jahrmärkten ausgestellt wurden.
        Es ist wie so oft. Wenn die vielen vielen Fotografen generell mehr darauf achten würden, wen oder was sie fotografieren und ins Netz stellen, dann würde niemand nach strengeren Gesetzen rufen. Man muss sich einfach auch bewusst machen, dass es unglaublich viele Leute gibt, die Fotos z.B. bei Facebook in die Runde schmeißen. Ich finde es auch zum Kotzen, wenn man in einer Stadt laut Gesetz kaum noch Fotos machen kann, weil irgendjemand auf den Fotos zu erkennen sein könnte. Aber ich hätte eben auch keine Lust, nasepopelnd bei Facebook rumgereicht zu werden.
        Es würde oft schon reichen, wenn sich der Fotograf ehrlich fragt, wie er sich in der Situation fühlen würde, wenn ihn jemand knipst, den er nicht kennt und von dem er nicht weiß, was ihn motiviert und was er mit dem Foto anstellen will.
        Leider wird es so nicht funktionieren und dann ist Würde und Persönlichkeitsrecht höher einzuordnen, als der Spaß am Fotografieren.

      • „Und Schwache zu fotografieren ist zutiefst ein Zeichen von Schwäche – wenn auch versteckt und sicher würde das keiner zugeben.“

        Warum sind Obdachlosen denn „schwache“ Menschen?
        Ich finde viele Obdachlose Menschen extrem stark. DIese ständige Opferrolle für alle die nciht „normal“ sind…schrecklich!

        Außerdem ist es überhaupt nicht gut, wenn die Behörden weiter einschränken. Nur weil es dich diesmal nicht trifft heißt dass ja nicht, dass du dich über Zensur etc. freuen musst.

    • „Ach Leute…Wieso ist denn das Recht am Bild bei Obdachlosen höher anzusetzten als bei anderen Menschen?“

      Warum sollte es?
      Ich für meinen Teil finde diese neumodische Street-Fotografie generell unverschämt. Ich kann dem meist nichts abgewinnen und es gehört sich auch schonmal gar nicht, ungefragt solche Bilder ins Internet zu stellen. Egal ob Obdachlose oder „normales“ Straßenvolk.
      Mir ist klar, dass „ordentliche“ Street-Fotografie nur spontan geht und quasi „schnell aus der Hüfte“, damit’s spontan ist und man den besonderen Augenblick festhalten kann und so, aber wenn man eine Veröffentlichung plant, sollte man hinterher fragen, ob das ok ist. Mit digital kann man ja mittlerweile auch schön zeigen, wie man denjenigen fotografiert hat. Sicherheitshalber dann noch was Schriftliches, damit keiner hinterher der Dumme ist. Aber das wird ja wohl eher seltener gemacht.
      Dieses Hit & Run und ab ins Internet damit finde ich zutiefst lästig, respektlos und eben unverschämt.

  10. Man findet die Wohnungen der Obdachlosen schon dann, wenn man mit dem Auto über die Peripherie fährt. Unter den Brücken direkt an den Strassen oder auch mitten in der Stadt auf irgendwelchen tiefer gelegenen Flachdächern. Das wird irgendwie toleriert. Ich denke auch, das den seriösen Fotografen mit dieser Strecke kein Gefallen getan wurde. Es macht es uns immer schwerer zu arbeiten, wenn solche Fotos erscheinen. sehr ärgerlich. Ich hatte mal einenWorkshop Streetfotografie. Premisse war : keine Fotos von Obdachlosen, Bettlern und Gehandicapten Menschen.

    • Warum nicht? Warum darfst du andere Menschen ungefragt fotografieren und Menschen ohne Wohnung nicht? Wieso machst du unterschiede zwischen einem Menschen mit z.B. Down-Syndrom und einem Menschen ohne Down-Syndrom?

  11. Hu,

    ganz schön dicker Auftrag hier…

    Mir ist beim Lesen des Artikels eingefallen, wie ich als Jugendlicher das erste Mal bewusst durch Straßburg gelaufen bin. Ich komme aus keiner „Heileweltstadt“ wie z. B. München, in der das Leben der Obdachlosen versteckt wird und trotzdem war ich erschrocken, als ich die ersten Obdachlosen in Straßburg wahrnahm. Dass der Autor mich an meine damaligen Gedanken, die denen des Autors nicht unähnlich waren, erinnert, ist mehr als ich bei 95% der Artikel hier „mitnehme“.
    Ich finde einige der Bilder gut, einige schlecht und das ist alles subjektiv. Genau so subjektiv, wie die Entscheidung des Autors, diese Fotos zu machen und zu veröffentlichen. Dazu hat jeder eine Meinung, aber dieses „Geschrei“ nach Einhaltung von geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen ist peinlich. Ein Ausdunst des Gutmenschentums und so furchtbar einfach. Eine Empörung, weil diese dem Mainstream entspricht und man dabei dann ein gutes Gewissen hat.
    Argumente für eine solche Fotografie, für die Veröffentlichung solcher Bilder gibt es erst dann, wenn die Bilder einen hochgelobten Bildband mit einem fetten Preisschild dran füllen, weil dann ist es Kunst. Schon verlogen das Ganze.

    Ich will dem ungefragten Ablichten von Personen, gerade Personen in solchen Situationen nicht das Wort reden. Mich erstaunt nur dieses reflexartige Schießen auf den Fotografen und Autor.

    • „Dazu hat jeder eine Meinung, aber dieses „Geschrei“ nach Einhaltung von geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen ist peinlich. Ein Ausdunst des Gutmenschentums und so furchtbar einfach. Eine Empörung, weil diese dem Mainstream entspricht und man dabei dann ein gutes Gewissen hat.“
      Das wiederum ist jetzt eine Unterstellung. Man kann nicht jedes kritische Auseinandersetzen mit bestimmten Verhaltensweisen als heuchlerisches „Gutmenschentum“ des Mainstreams abkanzeln.
      „Argumente für eine solche Fotografie, für die Veröffentlichung solcher Bilder gibt es erst dann, wenn die Bilder einen hochgelobten Bildband mit einem fetten Preisschild dran füllen, weil dann ist es Kunst.“
      Ich glaube nicht, dass das hier jemand so sieht. Gefordert wird hier nur Respekt vor den Persönlichkeitsrechten und ein tieferes, sensibleres Auseinandersetzen mit den Menschen, die man fotografiert.
      Wo ich dir Recht gebe, ist der Umgang mit dem Fotografen. Ich habe vor 20 Jahren auch nicht immer reflektiert, was ich mache und die meisten anderen vermutlich auch nicht. Insofern muss man einen gewissen Lern- und Reifeprozess zugestehen und nicht gleich mit dem Holzhammer draufhauen.

      • „Gefordert wird hier nur Respekt vor den Persönlichkeitsrechten und ein tieferes, sensibleres Auseinandersetzen mit den Menschen, die man fotografiert.“

        Falsch Natalie: [Achtung Ironie] Hier wird der Autor schlecht gemacht, weil er die armen Obdachlosen fotografiert. Die anderen normalen Menschen sind ok.

        Auch unter Obdachlosen gibt es starke, selbstbewusste Menschen, die es nicht verdient haben in eine Opferrolle gesteckt zu werden!

      • @RevolTee

        Falsch. Es geht darum, die Persönlichkeitsrechte einzuhalten. Egal ob obdachlos, behindert oder nicht.

        Personen dürfen nicht hervorgehoben als Bildinhalt fotografiert werden, ohne deren EInwilligung … auch in der Öffentlichkeit.

        An das gilt es sich zu halten. Basta.

        Wer das nicht gewillt ist zu tun, soll sich ein anderes Hobby suchen.

  12. Guten Tag,
    Angesichts der stark polarisierten Diskussion mit recht absolutistischen Äusserungen möchte ich als nicht mehr junger Mensch dann doch ein paar Bemerkungen machen…

    Zunächst wollte ich mich kundiger machen und stellte fest, dass die persönliche website des Bildautors nicht(mehr?) zugänglich ist, was mich angesichts des selbstgerechten shitstorms hier keineswegs wundert.

    Der Autor ist gerade einmal 23 Jahre alt, mein Gott! Hat man in dem jungen Alter kein Recht mehr, unperfekt und fehlerbehaftet zu sein? Seid IHR alle so nobelpreisverdächtig erhaben und perfekt, dass ihr über Jmanden herfallen müsst, der ganz offen und EHRLICH und durchaus selbstkritisch über seine zugegebenermaßen erschütternd naiver Erfahrungshorizont berichtet?
    Die Reaktionen hier kann ich zwar inhaltlich gut nachvollziehen, aber der typische Internet-mobbing-Stil kotzt mich irgendwie an. NIEMAND hat versucht, mit dem Autor überhaupt in einen Dialog einzutreten, doch darum sollte es doch wohl hier gehen, oder?

    Ich bin in meinem 6. Lebensjahrzehnt und habe als 16-18 Jähriger einige ganz ähnliche Fotos gemacht, verklemmt-verschämt, schlecht und ohne Kontakt zu den Betroffenen, in der Großstadt, in der ich lebte. Damals war ich bereits sozial engagiert, ich wollte die schlimme Situation ehrlich einfangen, war aber nicht mutig genug, Kontakt aufzunehmen. Das wäre heute anders, aber ich habe beim Btrachten meiner Fotos gesehen, daß sie nur meine eigene, jugendliche Befangenheit und nicht das Leben der Fotografierten dokumentierten, daher habe ich dieses sehr schwierige gebiet besseren Leuten überlassen.

    Obwohl ich bereits als Jugendlicher Mensch die Schattenseiten der Gesellschaft wahrnahm und auch meinen winzigen Anteil dazu beitrug, etwas dagegen zu TUN, widert mich die unerträgliche Selbstgechtigkeit so mancher postings an,.
    Warum? Weil im Gegensatz zum Autor KEINER der ach sooooo tollen und perfekten Menschen,die hier den shitstorm entfachten, SELBER EINMAL DEN MUT hatten, über ihre eigenen Probleme und Fehler auf diesem neben der Kriegsfotografie vielleicht schwierigsten Bereich der Fotografie zu berichten, also mal etwas SELBSTREFLEKTIERTES und KONSTRUKTIVES zu schreiben.
    Aber vermutlich fühlen sich hier viele als Reinkarnationen eines HCB, selber bereits perfekt auf die Welt gekommen und weit jenseits jedes Makels… ?

    An den Bildautor:
    DANKE für den Mut, selbstkritisch über Deine Naivität und Dein „Erwachen“ hinsichtlich der gravierenden gesellschaftlichen Risse öffentlich zu berichten !
    DANKE dafür, dass Du über die Veränderung Deines Horizontes offen schreibst.
    ICH kann Deine Schwierigkeiten und die offensichtlichen Schwächen Deiner hier gezeigten Fotos nachvollziehen und verurteile Dich NICHT.

    Vorschlag: Versuche, mit den Betroffenen Vor oder nach dem Fotografieren Kontakt aufzunehmen, um besser VERSTEHEn zu können, was deren Leben ist. ERST DANN kann man eigentlich empathische Fotos machen.
    Habe KEINE Angst, überwinde Deine Befangenheit. Ich selber habe erst spät damit angefangen, und muss da auch noch weiterhin viel lernen
    Zwar etwas spät, aber alles andere als ZU spät hast DU angefangen, mehr als nur einen kleinen , beschützten Bereich um Dich selber bewusst wahrzunehmen. Das ist gut, manche Leute schaffen das in einem ganzen langen Leben nicht.
    Du beschreibst, wie Du eine Form von innerer Demut bekommen hast, die Dein Weltbild veränderte. Sei stolz darauf, daß Du dazu fähig bist und achte darauf, daß Du sie NIEMALS verlierst, dann werden auch Deine Fotos besser.
    Versuche als erstes, nicht nur mental, sondern auch von der Kameraposition die Ebene der Betroffenen einzunehmen, Fotos berühren erst, wenn sie den Betrachter von der Ebene des Unbeteiligten auf jene des Anteil am Leben nehmenden mitnehmen.

    Und zuletzt: Versuche, immer auch etwas im Leben an Menschen zurückzugeben, die es bitter nötig haben.

    Gut Licht!