Der Wandel der Zeit
Das 20. Jahrhundert war ein aufregendes und vor allem durch Wandel geprägtes Jahrhundert, sowohl aus politischer, gesellschaftlicher, wissenschaftlicher als auch aus technischer Sicht. Allein Deutschland durchlebte in dieser Zeit mehrere unterschiedliche Regierungen, der Fernseher und der Computer wurden erfunden, die Tuberkulose besiegt und unser aller Leben hat sich durch den Fortschritt und Wandel in Technik und Politik grundlegend geändert.
Selbstverständlich werden bei jedem Wandel neue Dinge benötigt und andere nicht mehr. So ist es auch bei den Gebäuden, denn das ist der Grund, weshalb einige dieser leer stehen – eben durch den Wandel der Zeit.
Der Wandel der Montanindustrie
Die Montanindustrie, also beispielsweise die Gewinnung von Kohle, das Produzieren von Stahl und Eisen oder die Gewinnung von Strom waren besonders in den Gebieten des Saarlands, Lothringens und in Luxemburg weit verbreitet. Einfacher Grund waren die damals in üppigen Mengen vorhandenen Bodenschätze. Überall wurde Eisen produziert, Kohle gefördert und aus eben dieser Strom erzeugt. In Deutschland war die Montanindustrie bis in die späten 60er Jahre Motor des deutschen Wirtschaftswunders und selbstverständlich auch ein wichtiger industrieller Arbeitsplatz.
Doch seither geht die Bedeutung dieses Industriezweiges stark zurück – ein klassischer Strukturwandel hat hier sowohl in Deutschland, als auch in Frankreich und Luxemburg stattgefunden. Die Folge ist, dass der Großteil dieser riesigen Industriebauten inzwischen verlassen und damit meist „verloren“ ist. Teils riesige, teils prunkvolle und teils einfach nur beeindruckende Gebäude stehen leer, verfallen und wurden, meist von sogenannten Kupferdieben, geplündert.
Der Wandel der Landwirtschaft
Noch vor einigen Jahrzehnten gab es einen prozentual deutlich größeren Anteil an Menschen und Familien, die sich zu einem großen Teil selbst versorgt haben, also einen kleinen Bauernhof besaßen und genügend Tiere hielten, um damit ihren Bedarf zu decken. Oft produzierten diese Familien auf ihren kleinen Höfen noch ein paar Dinge, die sie auf dem Markt oder ihrem Ladengeschäft verkauften. Seit es Supermärkte und Einkaufszentren auch in kleineren Städten, selbst Dörfern gibt, ist der „Selbstversorgungsmensch“ auf ein Minimum geschrumpft.
Das hat zur Folge, dass viele alte Bauernhäuser, Mühlen und kleine Anwesen leer stehen, da die Familien von ihrem Hof weggezogen sind oder schlichtweg inzwischen gestorben sind. In Deutschland wurden die meisten Häuser und Höfe abgerissen oder renoviert, aber in Luxemburg und Belgien, zum Teil auch in Frankreich, gibt es noch viele inzwischen seit weit über 20 Jahre leer stehende Häuser, Höfe und Mühlen.
Der Wandel der Gesellschaft
Viele öffentliche Veranstaltungen, wie beispielsweise Theater und Kino, erfreuten sich noch vor einiger Zeit in den meisten Gebieten größerer Popularität oder zumindest „anderer“ Popularität als heutzutage. Das liegt vor allem daran, dass sich die Interessen der Gesellschaft verschoben haben. Das Theater hat für viele heute nicht mehr denselben Stellenwert wie noch vor 50 oder 100 Jahren.
So hat es vor allem kleinere Städte getroffen, in denen diese „öffentlichen Gebäude“ schließen mussten. Von nun an gibt es in den angrenzten Städten große, moderne Kinos und die alten, prunkvoll mächtigen Theater und nahe daran gelegen dementsprechend viel Kultur, viele Cafés und Restaurants.
Die Menschen in den kleinen Städten haben inzwischen alle ein Auto und können daher leicht die Großstadt erreichen – Kultur im eigenen Dorf ist damit überflüssig. In kleineren Städten stehen die früher noch beliebten Gebäude nun also leer, da sie sich in letzter Zeit nicht mehr rentiert haben.
Eine ähnliche Situation zeigt sich in Urlaubsgebieten: Früher noch, bis in die späten 80er Jahre, war beispielsweise das Harzgebiet ein beliebter Ferienort der DDR. Dutzende Hotels öffneten dort ihre Pforten, um Gäste zu empfangen – inzwischen steht schätzungsweise ein Drittel der ehemaligen Hotels leer, betroffen sind Hotels aller Klassen.
Der Wandel der Medizin und Pflege
Technischer Fortschritt, neue Heilmethoden, neue Heilstoffe und neue Erkenntnisse sorgen für einen ständigen Wandel in der Welt der Medizin. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Volksseuche Tuberkulose – durch neue Heilmittel (Antibiotika) und Erkenntnisse konnte diese Seuche vollständig verdrängt werden – doch noch vor 80 Jahren war Tuberkulose eines der ernsthaftesten Probleme der Zeit. So wurden dutzende Heilstätten gebaut, die in besonders gutem Klima lokalisiert waren.
Und all diese Heilstätten stehen heute leer – zu veraltet und ineffizient ist die damalige Bauweise der Krankenhäuser, auch die Hygienebestimmungen können nicht mehr erfüllt werden. In Ostdeutschland nutzten meist die Russen die ehemaligen Heilstätten als Hospital für Soldaten, bis sie 1994 endgültig abrückten.
Der Wandel der Politik
Hunderte Kasernen stehen in Deutschland – heute ist ein Großteil dieser ungenutzt, der Grund dafür ist der Wandel in der Politik. Ein passendes Beispiel ist Jüterbog: Einst eine der größten Garnisonsstädte in Deutschland. Den Grundstein dafür legte Preußen Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Beschluss, einen Artillerieschießplatz einzurichten.
Zeitnah folgten weitere Einheiten nach Jüterbog. So wurde ein ganzer Stadtteil militärisch. Mit der Machtübernahme der NSDAP und der massiven Aufrüstung wurde Jüterbogs militärisch genutztes Gebiet abermals vergrößert.
So zogen nach und nach das Heer, die Luftwaffe und die Waffen-SS ein. Als Hitler und damit dann das Dritte Reich unterging, übernahmen die Russen – wie so oft – das Areal. So wurde Jüterbog zur wichtigsten Militärbasis der UDSSR, bis 1994 waren dort ca. 40.000 Mann stationiert. Nach der Zeit des Dritten Reiches und des Kalten Krieges haben die allermeisten Kasernen in Jüterbog und auch im restlichen Deutschland keine Nutzung mehr und stehen deshalb leer.
Eine erneute Nutzung dieser Gebiete ist eher selten möglich, aber teilweise wurden die Kasernenareale von Firmen gekauft, welche eine zivile Nutzung der Kasernen ermöglichten. Auch einige Parteischulen und ähnliche Einrichtungen haben in der heutigen Politik keinen Platz mehr, und stehen daher seit Anfang der 90er Jahre leer.
Selbstverständlich gibt es noch weitere Bereiche, in denen ein Wandel stattgefunden hat, aber die fünf hauptsächlichen Bereiche wurden oben stehend abgefasst.
Nachdenklich machender Artikel…..gut geschrieben.
Die Bilder machen Mut an die Zukunft der Jugend zu glauben. talent und Fleiß und beharrliches lernen werden uns dann noch viele, schöne Bilder liefern. Merci.
cu
Holger
Vielen lieben Dank! :)
Ein guter Artikel, einzig eine Frage gibt mir wieder einmal keine Ruhe: Warum sind fast alle „Lost Places“ Fotos farblich übersättigt und kontrasthart? soll damit der dramatische Effekt verstärkt werden?
Ich finde es schade das man die „Lost Places“ nicht zeigt wie sie sind..das letzte Foto aus dem Artikel ist ein gutes Beispiel dafür das es auch „echt“ und „normal“ geht und ohne Effekthascherei.
Mich würden die Fotos im Originalzustand weitaus mehr interessieren.
Das letzte Foto ist doch schwarzweiß. Inwiefern ist das denn „echter“ als bunte Abbildungen? :)
es ist »echter«, weil nicht so ueberzogen. schreibt er ja. ein eindruck, den ich durchaus teile.
der artikel endet etwas abrupt, wie ich finde. aber ich bedanke mich trotzdem fuer die denkanstoeße.
ja sorry…es ist zwar sw aber dafür wirkt es „echt“ und ich habe auch nichts über die „bunten“ fotos gesagt sondern über die überzogenen effekte „bunt“ mag ich durchaus
danke ruedi
Ich möchte der Redakteurin Wessely beipflichten. Und die Frage, die sich mir auch im hohen Alter noch stellt: was ist denn echt? Liebelein, wenn ich zwei Menschen an einen dieser kargen Orte schicke, dann bekomme ich zwei äußerst unterschiedliche Berichte darüber, was sie gesehen, gespürt oder errochen haben.
Dem einen fallen Spinnenwebelein auf, die Andere sieht nur das medizinische Besteck, weil Sie ein Leben lang Menschen am Herze operiert hat. Was ist nun echt? Ich schlage vor: beides. Daher erhebt dieser vorzügliche Bericht ja nicht im Geringsten den Anspruch, die Wahrheit zu zeigen, so etwas ist ausgeschlossen. Nein, es ist einer dieser Berichte von Menschen, die an diesem Orte waren und uns mit Geschichte(n) und dramatischen Aufnahmen erzählen, wie sie ihn erlebt haben. Und für Herrn Schmitt, den gutaussehenden Herrn rechts oben im Ecklein ist das echt.
Ich bedanke mich recht herzlich,
ihre Gerda
Achja, bevor ich es vergesse, das passiert mir ja manchmal.
Fräulein Aileen, ich finde ihre Arbeiten und Berichte ausgesprochen wohltuend. Mein Mann hat zu Lebzeiten stets mit einer Polaroid Urlaubsaufnahmen gemacht und nach seinem Leben bekam ich dann Lust, seine Leidenschaft fortzusetzen. Da ich mich gerne bilde und seit ein paar Jahren auch einen Klapprechner habe, fielen mir auf kwerfeldein.de ganz besonders ihre Berichte ins Auge. Sie haben ein ganz feines Wortgespür für das Wesen der Photographie, da werde ich direkt nochmal neidisch. Bleiben sie dabei.
Hallo,
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Kurz zwei Dinge:
1) Die Fotos wirken hier auf kwerfeldein.de teilweise noch etwas kontrastreicher, als sie eigentlich sein sollten. Ein gutes Beispiel ist hier der „rote Raum“ – schau Dir das Foto mal auf meiner Webseite an: http://www.schmitt-photography.de/?p=1891
2) Die Lost Places zeigen wie sie sind, find ich persönlich, meist unmöglich bzw. nicht gut umsetzbar. Die Lichtverhältnisse sind teils sehr schlecht, und allein durch eine dadurch sehr lang gewählte Verschlusszeit, wirkt der sonst dunkle Raum, in dem Du nichts erkennst schon ganz anders. Ich weiß nicht, ob Du schon einmal in einem Lost Place fotografierst hast, aber zumindest mein Rohmaterial ist nicht brauchbar.
wenn du mich meinst kann ich dir darauf antworten..ja ich habe schon in ruinen etc fotografiert und sicherlich wirken die fotos durch verschluß und blende manchmal durch iso sehr, ich nenne es mal dramatisch, jedoch beschleicht mich persönlich immer das gefühl von gewollter „dramatik²“ durch bearbeitung und ich denke das haben solche aufnahmen nicht nötig. nur mein eigenes persönliches empfinden.
auf deiner seite, aus welchem grund auch immer, wirken sie wiederum wirklich anders….ich wollte und will auch nicht an deiner sicht mäkeln sondern lediglich ein allgemeines statement zur „lost“ fotografie loswerden.
solltest du dich durch meine aussage(n) angegriffen fühlen, so möchte ich mich bei dir entschuldigen.
@ DocMaowi: Ich habe mich keineswegs durch deine Aussagen angegriffen gefühlt. Falls das so rüber kam – sorry! Es ist natürlich immer das persönliche Empfinden entscheidend, wie das Foto im Endeffekt aussehen soll. Mir geht es nicht um die realistische Abbildung des eigentlichen Ortes. Deshalb schrecke ich auch beispielsweise nicht vor Retuschen zurück.
Die Fotos finde ich alle gruselig, nicht von der Machart, aber von den Motiven her. Erinnert mich alles an Horrorfilme.
(PS: Und in Deutschland soll es Wohnungsnot geben? All diese Plätze könnte man mit etwas Geld wieder schön herrichten und Wohnungen für tausende Menschen dort einbauen.)
Interessanter Artikel und ein wirklich interessantes Thema: Eines, das viele Menschen in ihren Bann zu ziehen scheint. Vielleicht liegt das an der oft „gefühlten Ruhelosigkeit“ unserer Gesellschaft.
Dagegen sprechen die Fotos von Stille und Stillstand.
Ja, das stimmt wirklich!
Ich finde, daß es eine tolle Bild-Geschichte ist. Hat Spaß gemacht, sie zu lesen und anzuschauen. :-)
Danke Dir! :)
Schöne Idee, urban exploring und diesen Text zu verknüpfen. Find ich toll
auf Deiner HP sind noch einige Bilder, die mir richtig gut gefallen!
Teilweise erinnern die mich an Bilder/Szenen auf Computerspielen, teilweise auch aus Szenen bestimmter (computeranimierter) Filme – z.B. #9
Gerade die „Rollstuhlbilder“ sind klasse!
Ich finde ob stark nachbearbeitet oder nicht, das sind zwei völlig verschiedene Arten von Darstellung. Ich zeige solche Objekte auch gerne mal so wie ich sie sehen möchte. Nicht immer so wie sie in Wirklichkeit sind. Muss aber sagen dass es mir puristisch oft auch sehr gut gefällt. Ich liebe die Vielfalt der Möglichkeiten und sage einfach weiter so! Ich mache auch keine Religion aus schwarz weiß. Farbe ist genauso toll…
Es grüßt Reinhard
Schöner und nachdenklich machender Artikel. Die gleichen Fragen hab ich in Deutschland im Saarland und im Ruhgebiet mir gestellt und erst kürzlich wieder hier in Wien, beim Besuch der Otto Wagner Klinik am Steinhof. Was soll man mit einem derart besonderen bzw eizigartigen Ensemble machen, wenn die Einrichtungen dort wegziehen?
Antworten, die alles das beinhalten, was derartige Gebäude oder Ensembles verkörpern – Soziale Entwicklungen, Architekturgeschichte, gesellschaftlicher Wandel etc. sind unfinanzierbar.
Aber lässt sich so etwas mit „Geld“ aufwiegen?
Deine Bilder zeigen für mich die Hilflosigkeit angesichts derartiger Fragen …
Ein gut geschriebener Artikel mit Fotos und Bildbearbeitung,
die den Zeitgeist von damals ausdrücken und einen zum Nachdenken anregen.
den „Heute ist die gute alte Zeit von Morgen“….
weiter so – gefällt mir sehr gut
Blogartikel dazu: Der Profil27 Schulterblick - Profil 27
Blogartikel dazu: Krümelspuren: Daniel Schmitt Photography und kwerfeldein im neuen Gewand | Panzerkeks.de
Hallo,
es gibt zig Gebäude dieser Art – fahr mal nach Belgien rüber, da gibt es noch viel viel mehr und die meisten sind in einem guten Zustand :) gruß thomas