12. Juli 2012 Lesezeit: ~3 Minuten

Contre-jour

Gegenlichtaufnahme in Karlsruhe

In der Praxis der Landschaftsfotografie habe ich gelernt, dass Gegen- und Seitenlicht wunderbarste Stimmungen erzeugen können. Gerade abends oder morgens, wenn die Sonne den Horizont küsst, kommt diese Wirkung zur Geltung. Vor anderthalb Jahren habe ich mich dann dem Fotografieren in der Stadt gewidmet und siehe – auch da war die Sonne mein freundlicher Begleiter. Oft stand ich minutenlang blinzelnd mit der Kamera zwischen geschäftigen Leuten und drückte ab – mal auf gut Glück, mal sehr berechnend, die Fingerspitze am Knöpfchen.

Doch warum wirkt es so, das Gegenlicht? Welche Eigenheiten hat es? Es folgen ein paar lose Gedanken dazu, gespickt mit einer Auswahl meiner Fotografien dieses Phänomens.

Gegenlichtaufnahme in Karlsruhe

Zu allererst zeichnet es die Konturen der Objekte hell nach, wohingegen der „Inhalt“ der Dinge sozusagen absäuft. Dies führt dazu, dass äußerst kontrastreiche Aufnahmen enstehen, die etwas unwirklich, verträumt, gar irritierend wirken können. Gleichzeitig erkennt der Betrachter sofort, um was es geht, denn die Menschen – wenn wir von der Straßenfotografie ausgehen – werden silhouettenhaft hervorgehoben und sind nicht zu übersehen. Auch wenn man gar keine Gesichter zu erkennen vermag.

Je nach Intensität erinnert so ein Gegenlicht an eine Explosion, die von ganz weit weg her bis in die aufgenommene Szene wirkt. Allein dadurch entsteht eine Dramatik, die zur Alltäglichkeit der Straßenaufnahme herrlich konträr ist. Manchmal bricht das Gegenlicht so stark in die Szene, dass es das Bild komplett aufreißt und nur noch Schatten davon übrig bleiben. Je nach Perspektive tritt dieser Effekt stärker oder schwächer auf und ich habe mir mit der Zeit angewöhnt, diesen obendrein noch zu verstärken. Wie?

Gegenlichtaufnahme in Karlsruhe

Gegenlichtaufnahme in Karlsruhe

Gegenlichtaufnahme in Karlsruhe

Nicht beim Fotografieren, sondern danach. Denn dort, wo man mit einem Verlauf oder einem Korrekturpinsel den obersten Bildrand dunkler machen kann, geht auch das Gegenteil: Ihn noch heller machen. Diese Technik ringt mir jedoch stets hohe Konzentration ab, denn hier muss ich mit Fingerspitzengefühl vorgehen, um es a) nicht zu übertreiben und b) das, was ich eigentlich zeigen möchte, nicht ganz zu verlieren. Achja – und c) möchte ich eigentlich nicht, dass der Betrachter sofort erkennt, wie ich in der Postproduktion zu Werke war.

Wenn man erst einmal ins Fieber gekommen ist, dann sieht man es ständig als Fotogelegenheit. Es hat schon etwas Besonderes, dieses Gegenlicht. Jedoch sollte man hier – wie bei allen Dingen, die gut für ein Foto sind – nicht in die Falle tappen, es als Garant für bessere Aufnahmen zu verkennen. Nicht jedes Bild, das im Gegenlicht aufgenommen wurde, ist ein gutes Bild. Aber das versteht sich eigentlich von selbst.

Gegenlichtaufnahme in Karlsruhe

Abschließend hoffe ich, dass die hier gezeigten Beispiele die Thematik überzeugend aufgegriffen und beim Leser die Lust geweckt haben, es doch einmal selbst auszuprobieren. Falls das nicht schon geschehen ist.

47 Kommentare

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  1. du hast sicherlich recht, das es an den Konturen etc. liegt, ich denke obendrein noch, dass es die Tatsache ist, das wir zwar alle Gegenlicht aus dem täglichen Leben kennen..(diesen Sommer mal vergessend zur Seite gelegt :) ) jedoch haben wir im echten Leben meiste nie die richtige Gelegenheit solche Momente auch „schmerzfrei“ auf uns wirken zu lassen.

    Zu grell ist es in die Sonne zu gucken da wirkt eine Nachbetrachtung eines Fotos richtig entspannend und wir haben zeit uns mit der Szene auseinanderzusetzen ohne dabei die Sonnenbrille auf oder schmerzen im Auge zu haben, um dann hinterher tastend durch den Großstadtdschungel zu irren. Wir sehen also eine für uns fast komplett neue Welt ob nun in Farbe wie wir sie kennen oder noch unbekannter und geheimnisvoller in sw.

  2. Ja ich habe es auch schon mal versucht. Fiese Bilder gaben mich überzeugt das ich es nochmals versuchen werde.
    Vielen Dank das ich mir diese Bilder anschauen konnte.

  3. Mir geht’s ähnlich wie dir. Gegenlicht zieht mich magisch an, in jedem Fotogenre, das ich bisher fotografieren durfte. Und witzigerweise hat mir gerade gestern jemand erzählt, dass ich ihn dazu ermuntert habe auch mal öfter gegen das Licht zu fotografieren.

  4. Ich habe diese Technik/Lichtstimmung bis jetzt eigentlich immer vermieden. Erst gestern habe ich es dann doch einmal ausprobiert und muss sagen, dass ich ähnliche Dinge wie du empfunden habe. Den Effekt richtig einzusätzen erfordert sicher einiges an Erfahrung – dennoch bin ich mit den ersten Ergebnissen schon recht zufrieden.

  5. hab noch was vergessen, bei slr ist es unkompliziert da das gegenlicht über den spiegel in den sucher gelenkt wird und nur sehr sehr kurz (je nach verschlußzeit) auf den sensor trift, demnach passiert dem sensor nichts ..bei den neuen und immer mehr im gebrauch befindlichen spiegellosen kameras besteht die gefahr bei der motivwahl (langes suchen im gegenlicht) das der sensor schaden nehmen kann, da die linse je nach bauart wie ein brennglas wirkt. ich würde bei einer spiegellosen immer nur haarscharf an der sonne vorbei, so das ich zwar streulicht und lensflare habe, fotografieren aber nie den gleißenden schein direkt im sucher empfehlen.

  6. Bin auch so ein Gegenlicht-Fan – egal ob bei meinen Portraits, auf der Straße, in den Bergen oder sogar bei Schafen :)

    Sehr, sehr schöne Bilder auch – vor allem das Erste und das Letzte finde ich stark… genau wie deinen Schreibstil, echt angenehm zu lesen.

  7. Gegenlichtaufnahmen probiere ich auch zuweilen, jedoch bisher kaum direkt in Richtung der Sonne, sondern meist mit Seitenlicht von schräg vorne. Dies insbesondere da ich mehrfach darüber gelesen habe, dass ein Blick in die Sonne – auch durch Kameras – zu Netzhautschäden bis hin zur Erblindung führen kann (z. B. hier: http://www.astroplatz.de/sonne_foto.htm). Beim Fotografieren in die Sonne werden die selben Filter empfohlen, wie sie z. B. für die Beobachtung von Sonnenfinsternissen verwendet werden sollen.

    Die Stimmung von Gegenlichtaufnahmen – insbesondere morgens – ist eine ganz eigene, daher möchte ich auch in Zukunft, nicht zuletzt durch Deinen Artikel inspiriert, mehr damit experimentieren. Aber nicht jedes Bild (auch nicht von den hier gezeigten) bringt die Gegenlichtstimmung nach vorne. Danke für die Anregungen!

  8. Schöne Bilder & guter Beitrag.
    Ich habe es bisher noch nie angewendet. Aber seit dem ich analog Fotografiere (S/W) ist mir hierzu schon einige Male die Idee gekommen. ….jedoch muss ich hierzu erst noch die Scheu ablegen, fremde Menschen zu fotografieren…

  9. Sehr schöne Fotos. Mir gefallen vor allem das Mensch-auf-Schienen und das Fahrradtunnel-Bild. Interessant finde ich auch die unterschiedliche Wirkung die das Titel-Bild einmal im Breitbildformat und einmal im Quadrat entfaltet. Mir gefällt hier das Breitbild etwas besser. Aber schätze das hängt mit Sehgewohnheit und Geschmack und so Zeug zusammen.

  10. Hey Martin,

    mal wieder großartige Bilder. Ich liebe die Lichtstimmung und mich hätte mal interessiert wie du es in Farbe umgesetzt hättest ;)

    Am Besten gefällt mir das dritte Bild. Das hat irgendwas was die anderen nicht haben. Kanns aber nicht beschreiben woran das liegt.

  11. Ein sehr schöner Artikel, zu einem Thema, das sich wohltuend zu dem leider immernoch „aktuellen“ Hype um Vintage-Instagra-Pola-Fotos absetzt. Du hast offensichtlich auch die „geringste Tiefenschärfe in jedem Bild“ – Phase hinter Dir gelassen ;-) Die Bilder sind auf höchstem Niveau! Mir gefällt vor allem die Allee, mit den auf mich zukommenden Schatten.
    Vielen Dank!
    Grüße aus Ludwigsburg
    Jochen Kubik