Contre-jour
In der Praxis der Landschaftsfotografie habe ich gelernt, dass Gegen- und Seitenlicht wunderbarste Stimmungen erzeugen können. Gerade abends oder morgens, wenn die Sonne den Horizont küsst, kommt diese Wirkung zur Geltung. Vor anderthalb Jahren habe ich mich dann dem Fotografieren in der Stadt gewidmet und siehe – auch da war die Sonne mein freundlicher Begleiter. Oft stand ich minutenlang blinzelnd mit der Kamera zwischen geschäftigen Leuten und drückte ab – mal auf gut Glück, mal sehr berechnend, die Fingerspitze am Knöpfchen.
Doch warum wirkt es so, das Gegenlicht? Welche Eigenheiten hat es? Es folgen ein paar lose Gedanken dazu, gespickt mit einer Auswahl meiner Fotografien dieses Phänomens.
Zu allererst zeichnet es die Konturen der Objekte hell nach, wohingegen der „Inhalt“ der Dinge sozusagen absäuft. Dies führt dazu, dass äußerst kontrastreiche Aufnahmen enstehen, die etwas unwirklich, verträumt, gar irritierend wirken können. Gleichzeitig erkennt der Betrachter sofort, um was es geht, denn die Menschen – wenn wir von der Straßenfotografie ausgehen – werden silhouettenhaft hervorgehoben und sind nicht zu übersehen. Auch wenn man gar keine Gesichter zu erkennen vermag.
Je nach Intensität erinnert so ein Gegenlicht an eine Explosion, die von ganz weit weg her bis in die aufgenommene Szene wirkt. Allein dadurch entsteht eine Dramatik, die zur Alltäglichkeit der Straßenaufnahme herrlich konträr ist. Manchmal bricht das Gegenlicht so stark in die Szene, dass es das Bild komplett aufreißt und nur noch Schatten davon übrig bleiben. Je nach Perspektive tritt dieser Effekt stärker oder schwächer auf und ich habe mir mit der Zeit angewöhnt, diesen obendrein noch zu verstärken. Wie?
Nicht beim Fotografieren, sondern danach. Denn dort, wo man mit einem Verlauf oder einem Korrekturpinsel den obersten Bildrand dunkler machen kann, geht auch das Gegenteil: Ihn noch heller machen. Diese Technik ringt mir jedoch stets hohe Konzentration ab, denn hier muss ich mit Fingerspitzengefühl vorgehen, um es a) nicht zu übertreiben und b) das, was ich eigentlich zeigen möchte, nicht ganz zu verlieren. Achja – und c) möchte ich eigentlich nicht, dass der Betrachter sofort erkennt, wie ich in der Postproduktion zu Werke war.
Wenn man erst einmal ins Fieber gekommen ist, dann sieht man es ständig als Fotogelegenheit. Es hat schon etwas Besonderes, dieses Gegenlicht. Jedoch sollte man hier – wie bei allen Dingen, die gut für ein Foto sind – nicht in die Falle tappen, es als Garant für bessere Aufnahmen zu verkennen. Nicht jedes Bild, das im Gegenlicht aufgenommen wurde, ist ein gutes Bild. Aber das versteht sich eigentlich von selbst.
Abschließend hoffe ich, dass die hier gezeigten Beispiele die Thematik überzeugend aufgegriffen und beim Leser die Lust geweckt haben, es doch einmal selbst auszuprobieren. Falls das nicht schon geschehen ist.