27. April 2012 Lesezeit: ~6 Minuten

Twilight

Dem, der aufgrund des Titels jetzt schon nicht mehr weiterliest, sei gesagt: „TWILIGHT“ hat nichts mit dem gleichnamigen Vampir-Roman gemeinsam. Es ist viel mehr eine digitale Hommage an die Analogfotografie.

Meine Serie „TWILIGHT“ ist im Frühjahr 2012 entstanden. Ich war in einer tollen Stimmung, immerhin bereitete ich gerade meine erste Ausstellung vor. Doch es fehlte einfach noch etwas. Es waren nicht nur zu wenige Fotografien für die Galerie, sondern es fehlte auch die Abwechslung.

In der Ausstellung waren Fotoserien zu sehen, die allesamt eine für mich sehr typische Arbeitsweise beinhalteten: Ich fotografiere Menschen sehr oft in der Natur und nur ab und zu im Studio. Meine Ausstellung bot zwar beides, jedoch bemerkte ich etwas an meinen Fotografien, das mich zum Nachdenken anregte:

Mir ging es bei den Bildern fast ausschließlich um die Ästhetik. Es war mir bis dato immer wichtig, dass sie als Ganzes für mich „schön“ sind. Wenn ich diese Ästhetik, die ich tatsächlich nur auf meinen eigenen Geschmack abgestimmt hatte, erreichte, dann war ich schon glücklich mit den Fotos. Doch das reichte mir nun plötzlich nicht mehr.

Daher kam in mir der Drang auf, für die neue Serie einen Stil zu entwickeln, der sich von meinen anderen Fotos abhebt. Etwas Neues, vielleicht nicht für die Welt, aber für mich.

Es sollten Portraits mit Charakter werden, keine Beauty-Ausleuchtung, stattdessen ein wenig düster und geheimnisvoll. Ich wurde aber bald von lähmender Ideenlosigkeit erfasst, die Konzeption der Serie stagnierte. Voll konzentrieren konnte ich mich auf die Serie sowieso nicht, da waren noch die 12. Klasse und andere Verpflichtungen.

Ich bemerkte alsbald, wie bequem ich doch geworden war. Wenn ich von der Schule nach Hause kam, saß ich den Rest des Tages am Computer, tarnte mein stundenlanges Rumgeklicke durch Blogs und soziale Netzwerke vor mir selbst als „Inspiration“. Ich musste mir eingestehen, dass ich das Gegenteil davon tat, was man eine aktive Freizeitgestaltung nennt. Und ich war damit nicht allein. Viele andere Jugendliche sind „daueronline“. Diese Erkenntnis gab mir nicht nur neue Motivation für „TWILIGHT“, sondern auch eine Bildidee:

Ich befreie uns Menschen vom Sessel der Gewohnheit, drapiere uns in die Natur, in Vergnügungsparks, auf die Straße oder in die Berge. Ich möchte, dass wir wieder mehr am Leben teilnehmen und mit unserer Umwelt verschmelzen.

Diese Verschmelzung hätte ich visuell nicht erreicht, wenn ich die Menschen einfach in der Natur fotografiert hätte. Ich wusste, dass ich das nur mit Bildbearbeitung realisieren könnte. Mir kam sofort die Erinnerung an die analogen Doppelbelichtungen, deren Wirkung mich sehr fasziniert. Doch ich wollte technisch gesehen den Versuch anstellen, die analogen Doppelbelichtungen ins Digitale zu übernehmen und nachzuempfinden.

Es ist vermutlich nicht ganz einfach zu verstehen, warum ich dies alles digital realisieren wollte, gewinnt doch die Analogfotografie heutzutage stetig mehr Wertschätzung und Beliebtheit. Für mich aber sollte es einfach ein Experiment werden: Kann ich diese besondere Ausdruckskraft der Doppelbelichtung auch in der Digitalfotografie, die durch ihre Kontrollierbarkeit und Berechenbarkeit wesentlich „kühler“ ist, umsetzen?

Das Projekt war an dieser Stelle der Überlegungen bereit für die Umsetzung. Die portraitierten Menschen sind Freunde, Bekannte und Fremde, die ich einzeln in mein kleines „Studio“ einlud. Es war also eine gemischte Gruppe an Menschen und fast alle waren zum ersten Mal bei einem fotografischen Projekt dabei. Die Kommunikation mit vorher fremden Menschen war erstaunlich einfach. Man vertraute mir, da ich die Idee meiner Serie jedem Einzelnen erklärte, um Unsicherheiten oder gar Ängste der Modelle zu verhindern.

Der technische Aspekt hinter der Serie hatte natürlich auch einen Stellenwert, obgleich sich der Aufwand in machbaren Grenzen hielt. Das Licht-Setup war denkbar einfach. Ich nutzte nur einen Beauty Dish von rechts oben, um eine schöne Schattenbildung in den Gesichtern zu erreichen.

Anweisungen an die Modelle setzte ich sehr spärlich ein, ich bat lediglich um einen neutralen, natürlichen Blick. Gleich vor Ort zeigte ich die geschossenen Fotos den Modellen. So konnten sie ihren Ausdruck besser einschätzen und kontrollieren. Die Fotoshootings waren daher sehr unkompliziert und entspannt.

Einige der Hintergrundmotive sind bereits aus vergangenen Jahren, andere fotografierte ich für das Projekt neu. Mit den Rohdaten zufrieden, begann ich mit der Postproduktion. Diese stellte sich als weniger aufwändig als vermutet heraus. Im Wesentlichen besteht die Überblendung der Einzelfotos aus wenigen Photoshop-Ebenenmodi: Hier ein wenig „Multiplizieren“, dort etwas „Negativ multiplizieren“. Abschließend kam noch eine Gradationskurve zur Anhebung der Kontraste ins Spiel und die Bilder waren fertig für die Galerie.

Doch warum nun „TWILIGHT“? Ich dachte bei der Wahl des Titels an das Zwielicht zwischen Person und Hintergrund. Natürlich könnte die Serie auch „Zwielicht“ heißen, aber ein wenig Provokation im Titel schadet meiner Meinung nach nicht. Es gab sogar Menschen, die extra des Titels wegen und mit freudiger Erwartung auf eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Vampir-Motiv zu meiner Ausstellungseröffnung kamen und dann sichtlich verwirrt waren.

Aus dem vordergründigen Zweck, die Ausstellung zu füllen, wurde also eine Serie, die mir nun sehr wichtig ist und am Herzen liegt. Immerhin hab ich mich von meinen eigenen Fesseln gelöst und etwas anderes ausprobiert. Einmal die eigenen, gewohnten Gestaltungsweisen hinter sich zu lassen, das ist, denke ich, generell ein guter Ansatz für uns Fotografen, wenn wir wieder einmal unzufrieden mit der eigenen Arbeit sind.

Natürlich muss man sich in beruflicher Hinsicht später schon spezialisieren und bestenfalls auch einen eigenen Stil entwickeln, aber ich habe noch lang nicht das Gefühl, alles ausprobiert zu haben. Es gibt für mich noch viele Dinge zu entdecken und dafür war diese Serie ein wunderbarer Anstoß.

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