25. April 2012 Lesezeit: ~5 Minuten

Gegenlicht auf Film

Beim Fotografieren im abendlichen Gegenlicht schlägt mein Herz höher. Im Gegensatz zu meinen früheren Shootings beginne ich seit einiger Zeit meine Fotosessions erst am späten Nachmittag oder frühen Abend, um die ein bis zwei Stunden vor Sonnenuntergang und somit auch das sanfte, warme Abendlicht nutzen zu können.

Besonders gern setze ich für diese meist letzten Bilder eines Shootings meine analoge Kamera ein. Mache ich mit der digitalen Kamera oft viele Bilder, nutze ich dann die Gewissheit, auf dem Mittelformatfilm nur zwölf Aufnahmen zur Verfügung zu haben, um mich zum Ende eines Shootings noch einmal zu konzentrieren und mir Gedanken zu machen über das, was auf dem Negativ landet.

Selbstverständlich drücke ich auch an meiner digitalen Canon nicht einfach gedankenlos den Auslöser. Das Endgültige, das das Fotografieren auf Film mit sich bringt, spornt mich jedoch jedes Mal aufs Neue an, denn das Negativ löschen kann ich schließlich nicht mehr. Und auch der Wechsel der Formates von 2:3 zum Quadrat bringt für mich noch einmal frischen Wind für die letzten Minuten des Shootings.

Durch den Umstieg von der digitalen zur analogen Kamera entsteht meist eine kleine Shootingpause, die ich immer sehr schätze. Zeit für eine Unterhaltung. Zeit, die warme Sonne auf der Haut zu spüren. Zeit, die kreativen Kräfte nochmals zu mobilisieren. Das Einlegen des Films bringt mir eine kleine Denkpause, lässt das Sammeln der Gedanken zu, gibt Zeit zum Anlauf nehmen für das Finale.

Im Gegenlicht muss ich meine besondere Aufmerksamkeit auf das korrekte Einstellen der Belichtung und der Schärfe lenken. Manchmal muss das Model eine Zeit ausharren und still stehen, bis ich mir sicher bin, die Schärfe richtig eingestellt zu haben.

In meiner Hasselblad habe ich bis jetzt eine Standardmattscheibe. Mit einer helleren Mattscheibe würde das Fokussieren wohl leichter fallen, gerade bei extremen Lichtverhältnissen wie Gegenlicht oder schwachem Licht in einer Wohnung. Somit steht die helle, aber auch teure Mattscheibe definitiv auf meinem Wunschzettel.

Bis heute benutze ich keinen Belichtungsmesser (obwohl ich einen in der Schublade liegen habe), sondern die digitale Kamera, um die korrekte Belichtung für die analogen Bilder zu messen. Trotzdem bleibt sie immer in gewisser Weise ein Lotteriespiel.

Denn verändert man seinen Standpunkt nur ein kleines bisschen oder fotografiert etwas direkter oder indirekter in die Sonne, fällt gleich eine erheblich andere Menge Licht auf den Film als vorher beim Messen der Belichtung auf den Sensor. Und genau dies ist wohl der Grund, warum ich so gerne für diese Aufnahmen zur Hasselblad greife: Ich liebe die Überraschung, wie das Bild letztendlich aussieht und das Abgeben der eigenen Kontrolle über das Bild an den Zufall, der nun seine Hand mit im Spiel hat.

Schaffe ich es, trotz des Gegenlichtes auf das Gesicht scharf zu stellen? Ist das Gesicht vielleicht zu dunkel und ohne jegliche Zeichnung in den Schatten? Ist die Sonne so ungünstig im Bild platziert, dass sie vielleicht genau die wichtigen Stellen überstrahlt?  Werden sich auf dem Negativ Ränder und Streifen befinden, weil ich einen ungünstigen Winkel getroffen habe und sich in der Kamera – auf welche Weise auch immer – das Licht nicht gleichmäßig auf den Film ergossen hat?

All dies ist mir schon passiert. Wenn ich den Film von der Entwicklung abhole (ich lasse meine Rollfilme bei dm entwickeln), halte ich es meist nicht bis zur Kasse aus, auch wenn ich mich vom Regal mit dem Filmtüten schnurstracks dorthin begebe. Bereits im Laufen öffne ich oft schon die Papierhülle und befördere aufgeregt die Negative heraus.

Ich halte sie nach oben gegen das Licht und versuche, nicht gleichzeitig gegen eins der Regale zu laufen. Versuche zu erkennen, ob die Wimpern scharf sind und ob in den entscheidenden Stellen genug Zeichnung ist. Und bin erleichtert, wenn zwei bis drei der zwölf Negative vielversprechend aussehen.

Film hat die Eigenschaft, auch bei großem Kontrastumfang noch kleine Feinheiten abzubilden. Es ist ein relativ guter Scanner nötig, um diese kleinen Nuancen zu digitalisieren. Ich nutze zum Scannen einen Epson V700 Photo mit Silverfast, mit dem ich sehr zufrieden bin.

Wenn ich mit meinen frisch von der Entwicklung abgeholten Negativen daheim ankomme, mache ich in der Regel gleich Computer und Scanner an, um das Ergebnis genauer betrachten zu können. Wenn sich dann mein erster Eindruck vom Anschauen der Negative bestätigt und ein oder zwei, im Idealfall drei oder vier Bilder dabei sind, die sich beim Scannen Stück für Stück vor mir auf dem Monitor aufbauen und auf denen das Gegenlicht seine mystische Wirkung entfaltet, bin ich überglücklich.

Auf diese Weise bereichert die analoge Fotografie meine Shootings. Sie bringt für mich Abwechslung und vor allem Spannung und überraschende Momente, wenn das Negativ beim Scannen sein Geheimnis preisgibt. Vermutlich werde ich in der nächsten Zeit noch mehr analog experimentieren und beim Experimentieren mutiger werden – und ein ganzes Fach in meinem Kühlschrank frei räumen müssen, um meinen Filmvorrat lagern zu können!

21 Kommentare

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  1. wohoooo!!! bin schwer angetan.

    Das erste Foto ist der Burner des frühen Tages … danke. Die Zeilen dazu ergeben für mich etwas, weshalb ich froh bin, irgendwann über kwerfeldein gestolpert zu sein …es würde mir ohne die unterschiedlichsten morgendlichen Ansätze der Fotografie, die ihr hier immer zeigt, etwas fehlen..

  2. Das mit der helleren Mattscheibe würd ich mir überlegen bzw. weitere Meinungen einholen. Die Mattscheiben der digitalen Kameras sind auf Helligkeit optimiert, weswegen das manuelle Fokussieren enorm schwer fällt. Meine Schlussfolgerung für die hellere Hasselblad-Mattscheibe lautet daher, dass es auch mit dieser schwerer fallen wird. Dies ist aber keine gesicherte Erkenntnis, sondern ein Einwurf.

  3. Wundervoll! Da geht mir wirklich das Herz auf. Ich liebe diese Art mit dem warmen Licht zu spielen und das ganze dann auch noch auf Film …. herrlich!

    Danke für diesen Artikel und ein Lob auf die anscheinend wieder aufstrebende Fotografie auf Rollfilm.

    Eine Frage hätte ich jedoch. Wieso lässt du Filme bei dm entwickeln? Da habe ich bisher nie was gutes von gehört und war deshalb immer sehr vorsichtig. Ich meine: teure Kamera, meist recht teurer Film, teurer Scanner und dann an der Entwicklung sparen? Oder kochen die Anbiter alle nur mit Wasser?

    LG

    • Hallo,

      bisher war ich bei dm zufrieden. Ich habe auch schon Filme im Fotoladen entwickeln lassen, aber an den Negativen keinen relevanten Unterschied feststellen können. Abzüge lasse ich ja nicht machen, sondern scanne direkt vom Negativ (die Abzüge vom Discounter sind wirklich nicht prickelnd; sowas lasse ich dann auch immer in nem ‚richtigen‘ Fotoladen machen).

      LG, Patricia

  4. Toller Artikel und ich bin begeistert von den Gegenlichtaufnahmen!
    Da mir seit einiger Zeit auch analoge Kameras in die Hände fallen werde ich in den kommenden Wochen wohl auch einmal versuchen solche Aufnahmen (wenn auch bestimmt nicht so tolle) hinzubekommen.

    VG Andi

  5. Mir gefällt das Bild „Auch ein Rücken kann entzücken“ sehr gut. Es liegt wohl an dem tollen Muster des Kleides und der Farben. Das erste Bild ist natürlich auch spitze, aber an sich nichts neues. Würde aber sehr gut in ein Modemagazin, z.B. als Parfum Werbung passen oder als Titelbild der Vogue :)

    Trotzdem … ich werde nicht mit Analog beginnen :D

  6. Wunderbare Bilder zu anspruchsvollen Lichtsituationen. Wirklich toll!

    Gerade die Farben kommen auch herrlich! Würdest Du verraten, welchen Film Du benutzt und unter Umständen welche digitalen Nachbearbeitungsschritte (grob) Du getätigt hast? Das wäre nett!

    Es dankt und grüßt herzlich – Benedikt

    • Hallo,

      ich nutze immer den Kodak Portra 160 NC für Farbfotos. SW hab ich selten gemacht bis jetzt und bin da noch am Probieren. Im Moment hab ich Ilford FP4 Filme hier rumliegen zum Testen.

      Die Scans werden bei mir direkt mit Silverfast bearbeitet (Kontraste, Farben) und gehen dann für die weitere Farbanpassung noch durch Photoshop.

      LG, Patricia

  7. Viele der Argumente für Film und damit analoges Fotografieren leuchten mir nicht wirklich ein. Unabhängig davon, dass die Hasselblad ein tolles Gerät ist.

    Das Thema Ruhe und Konzentration müsste(?) doch mit digitalem Handwerkszeug auch machbar sein. Was mich irritiert, ist das sofortige Digitalisieren des entwickelten Filmmaterials und die digitale Weiterbearbeitung. Das empfinde ich als Bruch. Liegt also der Charme der analogen Fotografie für dich ausschliesslich in der Aufnahme und der geringen Zahl an Bildern auf einem Film?

    • Hallo,

      dass ich mit der digitalen Cam nicht so ruhig und besonnen bin ist einfach ne persönliche Schwäche von mir. Dazu kommt, dass ich das Bild gerne schon quadratisch sehe, wenn ich fotografiere. Es geht bei mir persönlich also definitiv um den Vorgang des Fotografierens an sich und auch ein bißchen um die Spannung, wenn man den Film von der Entwicklung holt. Gerade weil man nicht weiß, was in solch eher unberechenbaren Lichtsituationen am Ende raus kommt.

      LG, Patty

    • Ich weiß nicht in wie weit du analoges Fotografieren schonmal ausprobiert hast, aber es ist ein nicht leicht zu beschreibender Reiz dabei. Meine „Immerdabei“-Kamera könnte zum Beispiel niemals digital sein, dann würde ich sie in der Tasche lassen. Das was ist schöne, als seine Fotos zu Hause betrachten zu können, ohne sie schon zu kennen? Mein Tipp: Wenn du es wirklich nachvollziehen willst, nimm dir ne analoge Knipse und verschieß einen Film mit für dich wichtigen Fotos. Du wirst direkt merken, dass es erheblich anspruchsvoller ist. Wenn du den Film abholst und nur Müll drauf ist, wirst du sie vielleicht für immer weglegen. Wenn da aber ein paar gute Teile dabei sind, dann hast du das Gefühl, was so schwer zu beschreiben ist!

  8. Die hellere Mattscheibe ist auf jedenfall ein Vorteil, den ich mir an Deiner Stelle auch gönnen würde. Ich kämpfe noch mit mir ob ich eine Scheibe mit Raster und Prismen „benötige“.

    Meine Filme bringe ich neuerdings zu Rossmann. Ich finde, dass der Zulieferer von dm extrem nachgelassen hat, ich hatte im vergangem Jahr teilweise fast 2 Wochen auf meine Filme gewartet.

    Beim rausgehen aus der Drogerie renne ich gerne mal was um :), wenn ich mir die Abzüge anschaue. Ich lasse mir immer einen Satz erstellen, als Ersatz für einen „Kontaktabzug“ zu sagen. Dafür reicht das günstige Papier alle mal.

    Tolle Fotos, (1 & 4) haben es mir besonders angetan.

    Grüßes

  9. Hmmm… wer eine hat (z.B ich…) sollte der Hassi nochmal eine Chance geben… ;-) Was vor ein paar Jahren ein angesagtes Teil war, ist heute bestimmt nicht schlechter, nur anders!
    Deine Ergebnisse sind auf jeden Fall Super-Cool!

    liebe Grüße
    Richard

  10. Schöner Artikel! Das ist genau der Grund, warum ich Rom mit Stativ, Rolleiflex, Farbfilm und Belichtungsmesser fotografiert hatte. Ich empfehle für die Scharfstellung übrigens analoges „LiveView“ aka Lupe. Gleiches gilt für die Prüfung der Negative auf Schärfe. Ist aber Übungssache kommt viel besser als ein Scan, imho.

  11. Schöne Bilder! Das erste ist mein persönlicher Favorit. Dass analoge Fotografie „entschleunigt“ kann ich nur bestätigen. Wenn man dann noch selbst entwickelt macht man sich nochmal bischen mehr Gedanken bevor man den Auslöser drückt. Und ich denke das hilft der Qualität.