Stille Blumen auf analogem Film
Vorweg sei gesagt, ich fühle mich geehrt, meine Arbeit vorstellen zu dürfen. Mein Name ist Ksenija Spanec und ich lebe und arbeite in Zagreb in Kroatien. Mit meiner fotografischen Arbeit versuche ich, Vorstellungen und Gefühle zu visualisieren. Daher sind meine Fotografien nicht bloß reine Abbildungen der Realität oder dem, was in der Realität da gewesen ist.
Recht spät in meinem Leben, als ich 40 Jahre alt war, habe ich festgestellt, dass Fotografie mich mehr interessiert als alles andere. Ich hatte das Bedürfnis, etwas zu lernen und die Begeisterung für die Fotografie gab mir die Kraft, durchzuhalten – gegen alle Widrigkeiten beim Kennenlernen eines neuen Mediums blieb ich dabei.
Als Autodidaktin, die sich jeden Schritt selbst beizubringen versucht, hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich meinen Weg gefunden habe oder zumindest das Gefühl hatte, auf dem richtigen Weg zu sein. Ganz zu Beginn war ich nur eine weitere digitale Knipserin. Machte innerhalb weniger Stunden oder einer sogar noch kürzeren Zeitspanne Hunderte von Bildern, die dann auf der Speicherkarte feststeckten.
Ich kann gar nicht wirklich sagen, warum ich begann, analog zu arbeiten. Zuallererst ließ ich die digitale Kamera einfach links liegen. Vielleicht war es Intuition, die meine Entscheidungen unterbewusst dorthin bewegte.
Natürlich war dies kein rapider Prozess, sondern es brauchte Zeit. Ich hatte viele schlechte Tage, schlechte Negative und eine Menge Frustration über die Ergebnisse. So gewöhnt wie ich an das Digitale war, das sofort sichtbare Bild auf dem Display, die Geschwindigkeit – all das.
Bis heute weiß ich nicht, wie ich diesen inneren Teufel überwinden konnte, der mir zuflüsterte, nie wieder eine analoge Kamera anzufassen, wenn das so kompliziert ist. Heute bin ich sehr froh darüber, durchgehalten zu haben, denn Fotografie ist für mich weitaus mehr als ein Zeitvertreib. Bis ich das realisierte, gingen wieder einige Tage und Wochen ins Land.
Mit der Zeit setzte die Gewöhnung an das Analoge ein und ich realisierte, dass ich am Digitalen das Verbrauchende nicht gemocht habe. Diese Abnutzung der Bilder. Ich mag diese perfekte, aber oberflächliche Anmutung nicht. Mir war es wichtig, zu entschleunigen, über mein Tun nachzudenken und es zu analysieren – das wollte ich innerhalb meiner Bilder auch sichtbar machen.
Meine ersten Bilder waren der Straßenfotografie zuzuschreiben. Ziel war es damals für mich, die Emotionen von Momenten und Szenen – meist in schwarzweiß – festzuhalten. Ich fühlte mich mit meiner Kamera verbunden. Diese Verbindung hatte ich bei meiner digitalen Kamera nie wahrgenommen.
Gemeinsam wanderten wir durch die Straßen meiner Stadt und sammelten fotografische und reale Momente. Das Gesehene und Gefühlte war teils in seiner Masse schwer zu ertragen und traf mich persönlich auch emotional und körperlich. Oft war ich traurig und fühlte mich so allein unter diesen vielen Menschen auf der Straße.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass es mir möglich ist, das kollektive Gefühl der Stadt durch Rhythmus und die Gesichter, die vor mir auftauchen, wahrzunehmen. Und diese Atmosphäre mit Hilfe meiner Kamera aufzusaugen. Bald wurde es mir zu viel, die Alltagsverzweiflung auf den Straßen fotografisch festzuhalten und ich beschloss, mit meiner Kamera und einigen Blumen zuhause zu bleiben.
Dort entdeckte ich meine alte Leidenschaft für die Blumenfotografie wieder – nur dieses Mal mit einer analogen Kamera. Mit Hilfe der Lightpainting-Technik beleuchtete ich Blumen für meine Fotografien. Das heißt, ich fotografiere in der Dunkelheit.
Es ist ein wenig wie Magie, wenn die Blumen mit Hilfe der Lichtmalerei wieder auf dem Foto aus der Dunkelheit heraus auftauchen. Der Prozess ist sehr beruhigend. Die Blumen bekommen durch diese Arbeitsweise so einen teils skulpturalen Charakter, in anderen Fällen zeigen sie Emotionen und verbergen Rätselhaftes in sich.
Eine gute Freundin, die Kunsthistorikern Neva Lukic, hat anlässlich meiner Ausstellung „The Garden“ den inneren Prozess meiner Arbeit sehr gut verstanden und wie folgt zusammengefasst:
Das Gefühl von Verwandlung und Einsamkeit. Die Bilder bergen die Besonderheit der Oberflächenbeschaffenheit, die beinahe zu einer textilen, fabrizierten zu werden scheint, da jedes feine Detail und jede Unregelmäßigkeit sichtbar gemacht wird. Die Bilder schaffen es, absolute Leere im Raum darzustellen und das sanfte Spiel der Blütenblätter ohne sein Innenleben abzubilden.
Die Blumen werden beinahe zu muschelartigen, geschlossenen Skulpturen, sehr sanft und zerbrechlich, die vorsichtig nach oben streben, verlassen von ihrer inneren Gestalt, nur etwas wie ein Geist scheint in den Blumen zu verbleiben. Wir warten darauf, dass die Schale auch in ihrer augenblicklichen Zeit verschwindet, um ihre veränderliche Form vollständig zu verlieren, langsam zu entschleichen…
Genau in diesem Augenblick der Metamorphose, kurz bevor die Stofflichkeit der Blüte noch lockerer wird, friert Ksenija Spanec seine Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit mithilfe der Fotografie ein.
Diese Aussage macht mich sehr glücklich und ich war überrascht, wie gut sie meinen inneren Prozess und meine Arbeitsweise verstanden hatte. Die Technik wirkt hierbei auf den ersten Blick vielleicht banal und einfach, doch sie ist es nicht. Sie ist nicht exakt und verändert sich bei jeder neuen und andersartigen Charakteristik des neuen Subjekts vor meiner Kamera.
Daher ist es eine Herausforderung, einheitliche Ergebnisse zu erzielen, speziell da ich auf Film arbeite. Diese Art der Fotografie zu praktizieren, hat mich dazu gebracht, viel über das Medium als Kunstform nachzudenken. Dies bedarf einer Auseinandersetzung mit philosophischen Zügen.
Vor Kurzem habe ich die Arbeiten von Hiroshi Sugimoto entdeckt. Seine Interviews und Arbeiten haben meine Vorstellungen bezüglich meiner eigenen Arbeiten verändert. Sie verdeutlichten, warum ich mich entschlossen habe, langsamer zu arbeiten und meiner gesamten fotografischen Arbeit als einem Arbeitskomplex mehr Bedeutung beizumessen. Dies sind nun meine Blumenfotografien.
Natürlich ist es wahr, dass die Blumen in der Fotografie schon vielfach behandelt worden sind, doch daran störe ich mich nicht. Als ich damit begann, war die Wahl eher unbewusst auf die Blumen gefallen, nun denke ich, dass es eine eben grade deswegen besonders große Herausforderung ist, ein viel behandeltes Thema neu aufzugreifen – auch wenn dies nicht von vornherein meine Überlegung gewesen ist. Im Moment nutze ich für meine Arbeiten die Pentacon Six, die Nikon FM2 und eine Kamera Zero 2000. Wir werden sehen, was weiter daraus entsteht.
Dieser Artikel wurde für Euch von Tabea Borchardt aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.