Hommage an das Fotografieren
Ich liebe das Fotografieren.
Die damit verbundene Vorfreude. Die Überlegungen darüber, in welchem Stadtteil ich später Aufnahmen mache. An guten Tagen kitzelt es ein klitzekleines bisschen im Bauch, wenn ich daran denke. Und an sehr guten juckt es sogar richtig in den Fingern.
Das Umwickeln des Kameragurtes um die rechte Hand, Objektivdeckel abnehmen und wissen: Jetzt ist alles möglich, die Kamera geöffnet, das Auge sieht. Und meine Aufmerksamkeit, Präsenz und Konzentration sind auf einen Schlag intensiver.
Nun richtet sich mein Blick auf alles, was potentiell ein gutes Motiv ist. Und schon bald eine Fotografie werden kann.
Das Prüfen und Konfigurieren der Einstellungen. Drehen an Rädchen, bis es passt. Klick, lik, ik, k.
Mir gefällt das Blicken durch den Sucher. Jetzt sieht mein Auge, was die Kamera sieht. Durch diese Überschneidung sind wir, die Kamera und ich, für kurze Momente eine Einheit.
Ich suche. Nach einer Komposition, nach einer Perspektive. Das Spielen mit der Schärfe, das Umklammern des Objektives. Jetzt lege ich den Zeigefinger auf den Auslöser. Überprüfe noch einmal Belichtungseinstellungen, Komposition und Schärfe. Dann löse ich aus.
Bukadatsch. Bukadatsch.
Das Klacken. Ich kenne es so gut, dass ich es manchmal gar nicht wahrnehme. Wie das Vorbeiziehen von Autos, wenn man an einer stark befahrenen Straße wohnt.
Und weil der Sucher meines Apparates relativ groß ist, vergesse ich das, was um mich herum passiert. Ich bin im Bild.
So verblassen die Sorgen und Pläne, die ich mir eben noch machte. Die zeitliche Dimension tritt in den Hintergrund.
Wie beim Einschlafen bemerke ich nicht, wie ich beginne, in diese Welt des Fotografierens einzutauchen und den Alltag vergesse.
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Eine knappe Stunde später und einige Bilder mehr „im Kasten“ weiß ich, welche Bilder mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas geworden sind. Und welche eher nicht. Meistens.
Jedoch ist das Arbeiten hinter der Kamera nicht das vollständige Fotografieren. Nur die Hälfte. Es ist nur das Foto. Das Grafieren fehlt. Der Vorgang ist noch unvollständig, da ist noch Raum für angewandte Kreativität, die nun folgt.
Im Büro setze ich mich an den Rechner und lasse mein Programm Fotos importieren und Vorschauen rendern. Dann beginne ich mit der Selektion.
In höchster Aufmerksamkeit huschen meine Augen über die Bilder. Die meisten verwerfe ich, nur ein paar schaffen es bis zum Ende. Und jetzt steigt noch einmal die Freude, denn jetzt kommt der zweite Teil des Fotografierens.
Details werden herausgearbeitet, Verläufe gezogen, Kontraste angepasst. Hier und da abgewedelt, nachbelichtet und freigestellt. Meist höre ich minimale Musik ohne Text und versenke mich vollständig in die Bearbeitung der Bilder.
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Nach getaner Arbeit mache ich mir einen Kaffee. Nehme ein wenig Abstand, um dann noch einmal die Bilder in Augenschein zu nehmen und einer letzten Prüfung zu unterziehen. Alles fertig? Wie wirken die Bilder in einer Serie? Welches gefällt mir am besten? Fehlt noch etwas?
Dann exportiere ich. Manchmal sind es zehn oder nur fünf oder gar nur ein gutes Bild. Doch diese Zahl ist mir nicht (mehr) wichtig. Ich habe wieder etwas geschafft, war mit der Kamera draußen. Und das ist, was zählt.
Ich liebe das Fotografieren.
Natürlich gibt es Tage, an denen ich einfach nur mache. Ohne nachzudenken abdrücke oder gar Langeweile empfinde. Doch viel tiefer in mir liegt die Faszination an der Tätigkeit des Bildermachens begründet. Diese ist bis heute nicht verschwunden und so sage ich es noch einmal:
Ich liebe das Fotografieren.