Die fotografische Entdeckung Ägyptens
Das Interesse an Ägypten wurde vor allem in Frankreich durch den Einmarsch Napoleons 1798 stark belebt. Für Napoleon war Ägypten ein wichtiges Land, das er kolonialisieren wollte. Bis August 1801 dauerte seine Expedition dort. Ab dieser Zeit reisten viele Forscher und Privatleute in das Land, um dessen alte Kultur zu entdecken, aber auch zu vermarkten. Bücher mit Lithographien und Stichen wurden herausgebracht.
Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten auch die ersten Fotografen das Land. Die Fotografie zählte bei diesen Reisen vorrangig als technisches Mittel. Die Bilder waren genauer als die der Maler und erleichterten die Forschung stark. Man denke nur an Hieroglyphen, die man übersetzen wollte. Diese abzuzeichnen kostete viel mehr Zeit und Aufwand, als eine Fotografie anzufertigen.
Maxime du Camp (1850); links: Tempel von Abu Simbel; rechts: Pfeiler von Karnak
Einer der ersten Fotografen in Ägypten war der Franzose Maxime du Camp. Für seine Reise nach Ägypten 1849 ließ sich der Schriftsteller und Journalist von Gustave le Gray in die Technik der Fotografie einweisen. Nach seiner Reise und einigen Veröffentlichungen seiner Fotos in Bildbänden gab er die Fotografie jedoch wieder auf.
Du Champs Freund und Begleiter Gustave Flaubert schrieb ausführlich über die Reise. In seinem „Reisetagebuch aus Ägypten“ zeigt sich deutlich der europäische Blick der damaligen Zeit auf Afrika und man bekommt einen gute Vorstellung des Ägyptentourismus im 19. Jahrhundert.
Was das Tagebuch aber auch zeigt, ist, wie beschwerlich diese Reisen damals waren. Die Expedition dauerte über ein Jahr und wollte man die Pyramiden von Gizeh fotografieren, musste man zunächst mit der, zur damaligen Zeit mehreren Kilogramm schweren, Kamera und dem restlichen Equipment wie Platten und Dunkelkammerzelt einige Tage durch die Wüste laufen.

Reisefotograf Mitte des 19. Jh. mit Kamera, Stativ und Dunkelkammerzelt
Der Engländer Francis Frith führte auf seinen Reisen sogar einen großen Dunkelkammerwagen mit sich. Er bereiste den Orient und besuchte Ägypten zwischen 1856 und 1860 drei Mal. Nach seiner Rückkehr gründete er einen Verlag und schickte andere Fotografen in die Fremde, um Original-Abzüge und Postkarten zu vertreiben.
Francis Frith: Die Pyramiden von Gizeh (1858)
Vor allem politische Zwecke hatte die Reise von Francis Bedford um 1862. Er begleite den Prince of Wales als Reisefotograf mit 50 Soldaten im Gefolge. Sie besuchten neben Ägytpen auch Palästina, Syrien, Istanbul und Athen. Unter seinen rund 200 großformatigen Aufnahmen befinden sich überwiegend topographische Ansichten, Portraits der königlichen Reisegesellschaft und Architekturfotografien.
Francis Bedford: Blick auf die Sultan-Hasan-Moschee und Kairo (ca. 1865)
Um 1860 entwickelte sich die Fotografie zu einem lohnenden Geschäft. Viele Fotografen gründeten Ateliers im Orient und verkauften ihre Bilder an europäische Touristen. Besonders hervorzuheben ist dabei der Franzose Felix Bonfils. Er bot bereits 1870 insgesamt 15.000 Abzüge von 591 verschiedenen Motiven an. Diese Motive für Touristen zeigten Ägypten stark romantisiert. Das Land wurde als Traumreich dargestellt und die Motive waren entweder antike Stätten oder gestellte Alltagsszenen.
Felix Bonfils: Joueurs de violon bedouins (1880)
Felix Bonfils: Sphinx (ca. 1880)
Noch heute gibt es Ateliers aus der damaligen Zeit, wie beispielsweise das von Lehnert & Landrock. Sie eröffneten ihr erstes Geschäft 1903 in Tunesien, mussten es jedoch durch den Ersten Weltkrieg bald aufgeben und eröffneten es 1923 erneut in Ägypten.
Auch sie werben nach wie vor mit verklärenden Darstellungen des Landes, die wie vor über 100 Jahren von den europäischen Touristen mit Vorliebe gekauft werden.
Quellen und Literaturangaben:
• Baatz, Willfried: Geschichte der Fotografie. Köln 2008.
• Flaubert, Gustav: Reisetagebuch aus Ägypten. 2003.
• Steinigen, Cornelia: Die Islampolitik Napoleons während der Ägyptenexpedition. 2010.
• Stiegler, Bernd / Thürlemann, Felix: Meisterwerke der Fotografie. Stuttgart 2011.
• http://www.fotomarburg.de/histfoto/reisefotografie2 (Stand: 12.01.2012)
• http://www.orientfotograf.de/ (Stand: 18.03.2012)
Heute wird Ägypten täglich Fotografisch entdeckt. Jeder Tourist macht seine Bilder und auch ich muss feststellen, dass in den letzten 130Jahren rund um die Sphinx irgendwer den Sand weggeschaufelt haben muss…
Schöner Bericht, den man noch interessierter liest, wenn man schonmal in Ägypten gewesen ist, und die Bilder aus heutiger Sicht sieht. ;)
Gefällt mir!
lg Uwe
Sehr interessant ist dazu der Abschnitt ‚Ausgrabung‘ in diesem Wikipedia-Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fe_Sphinx_von_Gizeh :)
Interessant zu dem Thema sind sicher auch die Flickr Commons, wie z. B. dieses Album: http://www.flickr.com/photos/nypl/sets/72157610903880315/
Stöbere gern in diesen alten Aufnahmen herum und schaue mir manch besuchte & selbst fotografierte Sehenswürdigkeit im damaligen Zustand an.
Die Perle Ägyptens
Eine gnostische Parabel erzählt von einem König von Byzanz, der seinen Sohn nach Ägypten schickte, um dort eine kostbare Perle zu finden. Zehn Jahre vergingen, ohne dass er etwas von seinem Sohn hörte; da beschoss der König, selbst nach Ägypten zu reisen, um das Geheimnis seines Verschwindens zu lüften. Und in einem kleinen Dorf in Oberägypten fand er seinen Sohn, der wie ein einfacher Bauer das Feld bearbeitete. Der König war erstaunt und fragte seinen Erstgeborenen nach der Perle. „Ja“, sagte sein Sohn, „ich habe die Perle gefunden, aber wenn man sie besitzt, vergisst man die Zeit.“ Die Perle bedeutet, die Zeit zu vergessen. Aber so viel davon ist doch vergangen. Das Geheimnis besteht darin, Geduld zu haben, indem man immer wieder erwacht, von Augenblick zu Augenblick. Es ist der Liebende, der ohne zu klagen auf die Geliebte wartet. Und wenn sie nicht zurückkommt, nun, so vergisst er sie bald. Oder er wird selbst zum Geliebten. Oder wird sowohl Anbetender als auch Angebeteter, er wird zum Grund der Anbetung. Ja, die Perle von Ägypten bedeutet, die flüchtige Zeit verschlucken, genau wie der Mund des Schläfers jene verschlingt, die den Augenblick vergeuden. Die Fotografie teilt die Zeit in Augenblicke auf. Wie Ägypten enthüllt sie eine Vergangenheit, die die Gegenwart verschönert: die Vergangenheit, die gewesen ist.
Ich liebe. Ich hasse. Die Fotografie, wie Ägypten, akzeptiert nur Schatten und Licht.
Die Fotografie und Ägypten – wieviel Zeit ist doch für beide schon vergangen?
Nabi Naoum Gorgy
Kairo, Januar 1995
Auszug aus dem Bildband: Deus ex machina, Fotograf, Ralph Gibson, Seite 567
Gefällt mir der Artikel, mal wieder was zum träumen!
@Katja: Das sind wirklich großartige Bilder! Danke dafür.
Zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang der kombinierte Text- und Bildband „Fotografien aus der Libyschen Wüste“ der Edition Temmen. Er beschäftigt sich mit einer Expedition des Afrikaforschers Gerhard Rohlfs in den Jahren 1873/74 mit den Fotografien von Philipp Remelé und beschreibt sehr anschaulich neben dem ausführlichen Bildteil wie unglaublich aufwändig und beschwerlich die Fotografie zu dieser Zeit und insbesondere bei den Temperaturen und unwirtlichen Umweltbedingungen war.
Zu gut, vielen Dank für diesen Artikel – ich liebe Ägypten und ich liebe die Fotografie. Den Link von Katja Günther kann ich übrigends ebenfalls nur empfehlen :)