01. Juni 2022 Lesezeit: ~8 Minuten

Route 66 – Westwärts auf Amerikas legendärem Highway

„Route 66 – Westwärts auf Amerikas legendärem Highway“. So lautet der Titel unseres Buches über die „Mutter aller Straßen“, die „Mother Road“, wie sie von John Steinbeck in seinem Klassiker „The Grapes of Wrath“ – „Früchte des Zorns“ – genannt wurde. Und hier ist die Geschichte, wie es dazu kam.

Wir waren wieder einmal in Amerika unterwegs in diesem Oktober des Jahres 2013. Der Südwesten und seine Nationalparks standen auf dem Programm, nicht zum ersten Mal. Aber alles lief ganz anders als geplant. Schuld war der Government Shutdown der amerikanischen Regierung, der einmal mehr das Geld ausging. Die Folge war, dass alle Regierungsinstitutionen geschlossen wurden. Auch die staatlichen Nationalparks.

Also mussten kurzfristig Alternativen her. Wir kannten Teile der Route 66 schon von früheren Besuchen, aber so richtig befasst haben wir uns nicht damit. Das änderte sich in jenem Oktober. Der Entschluss war schnell gefasst, die Route 66 sollte näher erkundet werden, wobei der Schwerpunkt auf der Fotografie liegen sollte.

Straße

Die legendäre Straße war schnell erreicht und wir machten uns auf den Weg nach Osten – also eigentlich in „Gegenrichtung“, denn der klassische Route-66-Roadtrip führt von Osten nach Westen. Das war uns damals erst einmal egal, konnten wir doch sowieso nur einen Teil der insgesamt über 4.000 km langen Straße erforschen.

Aber schon dieser Abschnitt erwies sich als derartig interessant, dass wir uns bei dieser Reise in die Route 66 verliebt haben. In ihre Landschaften, ihre Städte und Geisterstädte, in alte Motels und Tankstellen, die Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit erzählten, in verborgene Abschnitte der Straße, die nur mit etwas Pioniergeist zu finden waren. Natürlich in ihre Fotomotive, vom rostigen Neonschild bis zum Friedhof in der Wüste.

Altes Schild "trucks Plaza"

Die 66 hatte so viel mehr zu bieten als wir erwartet hätten und es kam im Verlauf der Jahre immer mehr dazu. Und ganz wichtig: die Menschen. Wir durften viele von ihnen kennenlernen. Sie haben uns ihre Geschichte erzählt, die der Straße und ihre eigene, ganz persönliche. Ihre Verbundenheit mit diesem Stück amerikanischer Nostalgie hat uns berührt. Die Route 66 ist für die Menschen, die dort leben und arbeiten, nicht nur ein Stück Heimat. Sie ist mehr.

Sie ist für sie auch ein Tor zur Welt, könnte man fast sagen, denn die vielen Gäste aus fernen Ländern, die sich den Traum von einem Roadtrip auf der Route 66 erfüllen, haben dazu beigetragen, dieses Herzstück Amerikas in ihr eigenes Bewusstsein zu rücken. Wir sind überall willkommen an dieser Straße, egal ob in Illinois, Missouri oder Arizona. Wir haben diese Erfahrung machen dürfen.

Frauenportrait

Und so war es eigentlich nur folgerichtig, all das in einem Buch über „die Mutter aller Straßen“ festzuhalten. Unser amerikanischer Freund und Ko-Autor, Nick Gerlich – selbst ein absoluter Kenner der Route 66, er hat sie bis in die letzten Winkel erkundet – hat den Text beigetragen, der die Leser*innen auf der Reise vom Michigansee bis zum Pazifischen Ozean begleitet und informiert. Das Buch ist kein Reiseführer, sondern eine fotografische Liebeserklärung an diese ehemals so bedeutende Straße.

Im September und Oktober 2019 haben wir uns erneut auf eine vierwöchige Reise zu ihr begeben, denn wir wollten weitere Menschen an der Route 66 portraitieren. Die Straße selbst und alles, was damit zusammenhängt – davon existieren schon sehr viele Fotografien, die auf früheren Reisen entstanden sind.

Dieses Mal galt es, Menschen zu finden, die an der Route 66 leben oder gelebt haben, die dort arbeiten oder die auf irgendeine Weise mit der Straße verbunden sind. Unsere Kontakte von den früheren Reisen waren natürlich sehr hilfreich, so dass sich das Unternehmen tatsächlich innerhalb dieser vier Wochen realisieren ließ. Man kann sagen, dass wir dazu die Route 66 „rauf und runter“ gefahren sind. Von Illinois nach Kalifornien und zurück.

Motelschild durch eine amerikanische Flagge fotografiert

Nick Gerlich hat uns auf Teilstrecken begleitet, an einigen der Interviews teilgenommen und weitere Kontakte hergestellt. Unser erster Fototermin fand in Joliet, Illinois statt. Wir trafen Debyjo Ericksen und Ron Romero in einem Gebäude, in dem sie das „Illinois Rock & Roll Museum on Route 66“ realisieren wollten.

Im weiteren Verlauf der Reise trafen wir ein mutiges Unternehmer-Paar, das einen historischen Diner aus seinem Dornröschenschlaf erweckt hat, zwei Menschen aus Texas, die uns die Geschichten aus ihrer Jugendzeit an der 66 im texanischen „Panhandle“ erzählten, einen echten „Redneck“ (als solchen bezeichnet er sich selbst), der seine Gäste in seinem „Curiosity Shop“ in Oklahoma mit seiner Version von „Get your Kicks on Route 66“ unterhält und inzwischen zu einer echte Institution geworden ist.

Männerportrait

Wir sprachen mit dem Navajo-Chief, der in Arizona einige sehr bekannte Trading Posts betreibt, wir trafen den „Van Man“, der in seinem umgebauten Lieferwagen auf der Route 66 zu Hause ist und nirgendwo sonst. In Arizona hatten wir Gelegenheit, die Malerin Tina Mion zu besuchen und zu portraitieren, genau wie den „Vater der Historic Route 66“ Angel Delgadillo, der heute 95-jährig in der kleinen Stadt Seligman lebt und die vielen Gäste freundlich in seinem ehemaligen „Barber Shop“ begrüßt.

Barstow in Kalifornien war unser Umkehrpunkt. Von dort aus ging es zurück und weiter mit Fototerminen und Interviews. Darunter mit der Besitzerin des Bagdad Café, das als Originalschauplatz für das 1987 gedrehte Roadmovie „Out of Rosenheim“ bekannt geworden ist. Zurück in Arizona waren die Besitzer*innen eines kleinen, aber sehr ursprünglichen Motels unsere nächsten „Kandidaten“. Aber auch der ehemalige Fernfahrer in Tucumcari, New Mexico, und die Besitzerin eines kleinen Restaurants samt Kunstgalerie im gottverlassenen Texola gleich hinter der Grenze von Texas zu Oklahoma.

Auto auf einer Straße

Dies sind nur einige Beispiele, insgesamt enthält das Buch 23 Schwarzweißportraits und Auszüge aus den Interviews mit den „People of Route 66“. Überdies hat Ellen etwa 110 aussagekräftige Farbfotografien für dieses Buch ausgesucht. Es hätten mehr sein können, aber aus Platzgründen mussten, wie so oft, Entscheidungen getroffen werden, die manchmal nicht leicht waren.

Beginnend im Osten, in Chicago, vermitteln die Fotos und der ausführliche Text von Nick Gerlich, einen, wie wir meinen, gelungenen Eindruck der Route 66. Nick schildert aus dem Blickwinkel des an der 66 lebenden Historikers seine eigene Beziehung zu dieser Straße, aber auch die Sicht der Amerikaner*innen auf die „Mother Road“ und ihre Geschichte.

Zimmeransicht

In sieben Abschnitten erlebt man im Buch eine Reise durch das „real America“. „Von der Metropole zu den Kleinstädten“ über „Missouris grüne Hügel“ geht es durch „Wind, Wetter, Weites Land“ in Oklahoma ins „Reich der Cowboys“ nach Texas. „Mesas und Geisterstädte“ sowie „Rote Felsen, Kitsch und Kunst“ folgen in New Mexico und Arizona, bevor es „Durch die Wüste zum Pazifik“ geht.

Geplant war die Veröffentlichung für den Herbst 2020 – dann kam die Corona-Pandemie mit allen Konsequenzen für die Branche dazwischen. Ein Jahr später haben wir uns dann entschieden, das Buch im Mai 2022 herauszubringen. Lektorat und Design brauchten ihre Zeit. Unser Designer, Björn Pollmeyer, hatte alle Hände voll zu tun, nicht nur mit unserem Projekt. Aber er hat sich etwas einfallen lassen. Am Ende waren alle Beteiligten begeistert.

Straßenende

Am 21. Mai dieses Jahres war es dann endlich soweit: Das Buch erschien in der Edition Bildperlen bei Sven Nieder und Martin Breutmann.

Informationen zum Buch

„Route 66 – Westwärts auf Amerikas legendärem Highway“ von Ellen Klinkel (Fotografie), Nick Gerlich (Text) und Udo Klinkel (Text)
Einband: Hardcover
Sprache: Deutsch
Seiten: 208 Seiten
Maße: 23 x 28 cm
Verlag: Edition Bildperlen
Herstellung: CO2-neutral produziert
Preis: 40 €

Das Buch kann auch direkt bei den Autor*innen bestellt und auf Wunsch signiert werden. Schreibt dazu einfach eine E-Mail an: klinkel-photography@mail.de

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