Kolorieren analoger Bilder
Das Kolorieren von analogen Fotos bildet die perfekte Verbindung von Malerei und Fotografie und kann völlig neue Bildwelten schaffen. Da das Kolorieren leider eine aussterbende Technik ist, werde ich in diesem Artikel über meine Erfahrungen mit dem Kolorieren berichten und einige Ergebnisse zeigen.
Sich zu entfalten, bedeutet Bewegung. Das Schaffen von Neuem. Nicht stehen zu bleiben, sondern neue Wege zu wagen. Ich selbst befinde mich gerade auf so einer Entdeckungsreise, vom bekannten Ufer der Digitalfotografie hin zur altbekannten neuen analogen Fotografie. In der Digitalfotografie konnte ich während meines Studiums meinen eigenen Weg und meinen speziellen Stil entdecken und entwickeln, wie schon im Interview zu lesen war.
Aufgrund der Zeit und der Kosten, die bei der Entwicklung meines experimentellen Stils mit Film ins Unermessliche gestiegen wären, wählte ich während meines Studiums den digitalen Weg. Hier liebte ich das Spiel mit Licht, Schatten, Langzeitbelichtung und ungewöhnlichen Objekten vor der Linse, das Experimentelle der Fotografie, das immerwährende Entdecken neuer Effekte allein durch die Manipulation des Lichts und der Zeit.
Nun nutze ich meine Erfahrungen, um die analoge Fotografie für mich völlig neu zu entdecken, indem ich meine Bilder selbst koloriere und somit andere und neue Bildwelten schaffen kann.
Zum ersten Mal in Kontakt mit kolorierten Bildern kam ich durch mein Studium und das Fach Fotografiegeschichte. Ich war sofort fasziniert von diesen ersten Bildern der Fotografie, mir gefiel ihre spezielle Anmutung, wirkten die meisten Farben doch eher unnatürlich, teilweise surreal. Allerdings blieb es erst einmal bei der Faszination, denn ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mir die Technik des Fotografierens und Entwickelns anzueignen.
Aufgrund der Kosten und des enormen Zeitfaktors bei Film stieg ich dann auch schnell auf die Digitalfotografie um. Es fiel mir leichter, zu meinem eigenen Stil zu finden und mich fotografisch auszuprobieren. Nach dem Abschluss meines Diploms hatte ich dann endlich wieder genügend Zeit, Geld und Lust, Neues auszuprobieren. Ich beschloss, zu meinen analogen Wurzeln zurückzukehren und die Kolorierung auszuprobieren.
Während des Studiums lernte ich den Umgang mit der Dunkelkammer und war so begeistert, dass ich mir zu Hause selbst eine improvisierte Dunkelkammer anschaffte. Ich liebe diese kleine Aufregung, bis man das Foto das erste Mal in den Händen hält. Ein Blick auf das Display kurz nach dem Fotografieren entfällt ja komplett. Und: Ich liebe die Malerei über alles und habe vor meiner aktiven Fotografiephase viel gezeichnet und gemalt.
Nun wollte ich diese beiden spezifischen Kunstformen vereinen. Denn es ist ein unvergleichliches Gefühl, ein Foto in der Hand zu halten, das man selbst in der Dunkelkammer entwickelt und per Hand koloriert, man also mit seinen eigenen Händen geschaffen hat. Kein Photoshop, keine digitale Manipulation, keine künstlichen Effekte. Es ist REAL. Es ist haptisch. Es ist einzigartig. Ich mochte diese Idee.
Über die Anwendung des Kolorieren wusste ich so gut wie nichts vor meinen ersten Versuchen. Während meinem Studium lernten wir leider nichts darüber, wir konzentrierten uns eher auf die Technik des Entwickelns. Ich las stundenlang in verschiedenen Internetforen, um herauszufinden, welche Farben sich eignen und wie man diese aufträgt. Allerdings waren die Meinungen bezüglich der Farben zum Teil ziemlich zwiespältig, sodass ich beschloss, lieber meine eigenen Erfahrungen zu machen.
Bei meinen ersten Kolorierungen arbeitete ich vor allem mit natürlichen Materialien, Rotwein und Worcestersauce. Beides sieht super aus und lässt sich sehr gut auf dem angefeuchteten Foto verteilen, wobei sich tolle Farbspiele ergeben. Die Rotweinkolorierung wirkt rosé bis blaurot, während mit der Worcestersauce eine ganze Palette von leichtem Gelborange bis tiefem Braun erzielt werden kann. Leider ergeben sich durch diese natürlichen Materialien auch Rückstände auf dem Foto, da sie nicht in die Gelatineschicht einziehen.
Dadurch wirkt das Foto matt, bei der Worcestersauce blieben leichte Fettspuren zurück – und es dauert ewig, bis das Foto getrocknet ist. Außerdem legt sich während der sehr langen Trocknungsphase dann gern mal eine Staubschicht auf das Foto. Deshalb legte ich mir richtige Eiweißlasurfarben zu, die in der heutigen Zeit leider ziemlich teuer und gar nicht so leicht zu finden sind. Sie trocknen sehr schnell und ziehen in die Fotoschicht ein, so dass keine sichtbaren Rückstände auf der Fotooberfläche zurückbleiben.
Da ich in der Malerei kräftige, reine Farben liebe, trug ich die Fotofarben anfangs direkt auf das angefeuchtete Foto auf. Jedes Mal musste ich meine Scheu überwinden, das makellose Foto zu bemalen, denn während es bei Rotwein und Worcestersauce aufgrund der langen Trocknungszeit relativ einfach ist, diese zu korrigieren, sind Änderungen bei richtigen Eiweißlasurfarben fast unmöglich, denn die Farben ziehen sofort in die Fotoschicht und lassen sich nicht mehr abwischen.
Für leichte, lasierende Flächen mische ich die Farben mit sehr viel Wasser und trage dies Schicht für Schicht auf, bis die entsprechende Intensität erreicht ist, die ich erzielen möchte.
Die Wirkung der Kolorierungen ist phänomenal, man kann aus den bestehenden Bildern völlig neue Kunstwerke schaffen, die Bildanmutung ändern oder verstärken. Ich persönlich mag surreale Farbgebungen, sie ähneln meinem Stil in der digitalen Fotografie. Ich möchte nicht hin zu den alten Meistern der frühen Fotografie und Bilder naturgetreu färben, sondern meinen eigenen Stil weiterentwickeln, mich kreativ ausleben, neue Bilderwelten schaffen.
Der Übergang bei meinen Arbeiten von der Fotografie zur Malerei ist fließend und ich liebe diese spezielle Verbindung. Für die Zukunft möchte ich gern größere Collagen fertigen, mit Stoffen oder durch das Zusammensetzen von Fotos. Und ich möchte noch mehr mit der Entwicklungsphase der Fotos spielen, die Entwicklerflüssigkeit nur partiell auftragen oder mit anderen Chemikalien wie Bleiche spielen, um somit echte Unikate zu erschaffen und meine Bilder einzigartig zu machen.
Denn allein durch Individualität und kreative Ideen schafft man Kunst.