Sigurd Quast: Future Proof
Es ist zwar schon ein Weilchen her, aber ich erinnere mich noch genau an diesen Tag. Es war einer dieser schönen Maitage im Jahr 2008. Die wohl ersten sommerlichen Temperaturen heizten das Land mit seiner wohligen Wärme auf. Das Grün auf den Wiesen und Wäldern entfaltete sein vitales Leben und weit und breit war keine Wolke am Himmel zu sehen.
Eigentlich sollte ich an diesem Tag Sommerreifen auf das Auto aufziehen (der Winter hatte uns lange im Griff), aber das musste einfach mal warten. Also nichts wie raus und ab in die Natur! Aber Moment, dachte ich mir, in die Natur gehen kannst du ja immer noch.
Nach kurzem Brainstorming fiel die Wahl auf das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart / Bad-Cannstatt. Das Gebäude selbst ist eine architektonische Meisterleistung und bietet viele Möglichkeiten, sich künstlerisch auszutoben. In den insgesamt acht Levels des Museums scheint sich kein Teilstück zu wiederholen. Spitze Kanten, runde Wände, Glas, Beton und irgendwo dazwischen historische bis aktuelle Fahrzeuge.
Da stand ich also nun mitten drin irgendwo auf Level 4 in diesem Ungetüm. Der Besucherandrang an diesem Tag war auch nicht zu verachten. Überall scharten sich Leute um potentiell gute Motive. Als Fotograf mit dem gewissen Perfektionismus und auf der Suche nach stilistisch sterilen Szenen kein leichtes Unterfangen und mitunter auch ein Ärgernis. Jedoch denke ich, dass ich nicht allein mit dieser Meinung da stehe, oder? :)
Aber plötzlich war es so, als wären die Massen von hier auf jetzt verschwunden. Nur eine junge Dame stand mit einem Audioguide alleine am Fenster und schaute nach draußen. Die Mischung des perfekt einfallenden Sonnenlichts, dem kalten Beton und dem blauen Himmel kreierte eine besondere Atmosphäre. Als wäre man auf einmal ganz woanders. Das war die Gunst der Stunde. Anvisiert, Komposition gebildet, abgedrückt und den Moment für die Ewigkeit gespeichert.
Als ich das Bild an der Kamera begutachtete und wieder auf schaute, waren die Besucher wieder im Weg und die junge Dame fort. Zurück im hier und jetzt.
Alles was dann in der Nachbearbeitung mit Lightroom und Photoshop des RAW-Bildes geschah, war die Rekonstruktion der Erinnerung dieses Momentes. Deshalb arbeite ich auch nicht mit voreingestellten Presets, um diese mehr oder weniger lieblos auf ein Bild draufzuklatschen. Die Gefahr ist mir zu groß, dass ich das Eigenleben des Bildes zerstöre. Etwas mehr Zeit und eine vollständig kontrollierte Bearbeitung bestätigen mir das Endergebnis.
Das “Originalbild“ (deshalb in Anführungszeichen, da das Bild aus der Kamera nicht das Bild repräsentiert, was wir mit den eigenen Augen sehen) war mir etwas zu dunkel. Durch gezielte Anpassung der ‚Belichtung‘ und des ‚Aufhelllichts‘ in Lightroom konnte ich den High-Key-Effekt herstellen, den ich mir während der Aufnahme des Bildes vorgestellt hatte.
In Photoshop war im Endeffekt nur noch der Feinschliff zu erledigen. Störende Flecken und Bildrauschen wurden beseitigt sowie feinere Belichtungskorrekturen partiell an bestimmten Bereichen des Bildes durch Ebenenmasken. That’s it!
Ich liebe es, wenn ich Momente festhalten kann und durch Bearbeitung so zurück in die Realität befördern kann, wie ich die Dinge in meinem Leben wahrnehme. Darum habe ich mich der Fotografie verschrieben.
Besonders gefreut hat es mich, dass das Bild bei den Sony World Photography Awards 2009 zu den besten Architekturbildern nominiert wurde.