09. April 2010 Lesezeit: ~10 Minuten

Uwe Nölke im Interview

Über viele Wege wurde ich kürzlich auf ein Projekt von Uwe Nölke (Twitter) aufmerksam, das mich staunen lies und dessen Fotos mich sehr beeindruckten. Das Projekt heißt „Ein Dorf in unserer Zeit“, ist ausserdem ein Buch und beschäftigt sich mit den Menschen von Klein Lüben, einem… Halt. Ich möchte jetzt nicht alles vorwegnehmen ;)

Jedefalls habe ich mit Uwe Nölke gestern via Skype ein Interview geführt, um die Hintergründe zu seinem Projekt herauszufinden – und ihn einwenig besser kennenzulernen. Und los geht’s!

Martin Gommel: Uwe, als allererstes möchte ich mich bei Dir bedanken, dass Du mir zugesagt hast. Ich freue mich auf die kommenden Minuten und bin schon sehr gespannt, was aus diesem Interview wird. Stell Dich doch kurz den Lesern vor.

Uwe Nölke: Martin, ja mache ich gerne. Ich bin freiberuflicher Fotograf aus Kronberg bei Frankfurt und habe mich schon seit vielen Jahren auf Menschenfotografie spezialisiert. Meine Schwerpunkte sind dabei die Businessfotografie, Werbefotografie, Portrait, Event- sowie Editorialfotografie. Hinzu gekommen ist in den letzten 2 Jahren noch die Architektur- und Hotelfotografie.

Martin Gommel: Das umfasst ein großes Spektrum, dass Du abdeckst. Vor nicht allzu langer Zeit bin ich auf verschiedenen Wegen auf Dein neues Buch aufmerksam geworden. Das hat mein Interesse geweckt und mich dazu bewogen, Dich dazu einwenig zu befragen. Wie stellst Du jemandem, der noch nie davon gehört hat, Dein Buch vor?

Uwe Nölke: In meinem Buch geht es um ein kleines Dorf in Brandenburg an der Elbe, das ca. 170 Einwohner hat und das nach der Wende die typische Ost-West-Wandlung erfahren hat. Im Vordergrund stehen die Menschen, ihr Erleben nach der Wende und Ihre Gedanken zum Heute. Die Menschen habe ich in ihrem typischen Umfeld abgebildet, aber auch beobachtend mit der Kamera begleitet, z. B. bei Veranstaltungen der Feuerwehr. Weiterhin habe ich in dem Buch auch ein paar Landschafts- und Dorfaufnahmen, die einen Eindruck des Lebensraumes der Menschen dort geben. Zu vielen Portraits habe ich mir Zitate der Personen notiert und neben den Fotos wiedergegeben, so daß sich für den Betrachter der Eindruck noch vertieft.



Martin Gommel:
Als ich mir heute nochmal ein paar Deiner Fotos angeschaut habe, konnte ich mich nicht der Frage entziehen, wie Du auf die Idee kamst, ein Dorf wie Klein Lüben zu fotografieren. Magst Du einwenig über die Enstehung erzählen?

Uwe Nölke:
Ja, die Auswahl gerade dieses Dorfes ist mir sehr leicht gefallen und war auch für mich ganz nahe liegend, da es der Geburtsort meiner Schwiegermutter ist. Oder eigentlich war letzteres der Ausgangspunkt diese Projekt zu beginnen. Ich wollte den Menschen dort, die eine ganz andere Sozialisierung erfahren haben wie wir im Westen, etwas näher kommen, besser kennenlernen und verstehen. Dabei bin ich natürlich Anfangs auf sehr viel Skepsis und Zurückhaltung gestoßen. Das hat sich dann aber im Laufe der Zeit sehr schnell geändert und direkt umgedreht. Ich bin heute im Dorf sehr gut integriert und sogar Ehrenmitglied der Feuerwehr geworden, was in so einem kleinen Dorf etwas ganz besonderes ist. Wir besitzen dort den Hof meiner Schwiegermutter und sind somit auch in die Nachbarschaftsverhältnisse sehr gut eingebunden.


Martin Gommel: Dein Vorhaben klingt  jedenfalls wie ein Abenteuer, das es in sich hat. Eine Sache geht mir dabei durch den Kopf – und Du hast es schon leicht angedeutet: Wie hast Du das Vertrauen der Menschen für Dich gewonnen? Ich stelle mir das nicht gerade einfach vor.

Uwe Nölke:
Ich bin zunächst ohne Kamera zu den Menschen gegangen, habe sie angesprochen, mein Vorhaben erklärt und gefragt, ob ich sie fotografieren dürfte. Anfangs mußte ich manchmal 2 oder 3 mal fragen, bis ich die Bereitschaft gefunden hatte. Dann haben wir uns verabredet für das Fotoshooting, bei dem ich mir natürlich viel Zeit genommen habe und zunächst erstmal mit der Person etwas erzählt habe. So bin ich auch zu den Zitaten bei einigen Bildern gekommen. Erst dann habe ich angefangen zu fotografieren und habe anschließend immer möglichst schnell dafür gesorgt, daß die fotografierte Person ein paar Prints ihrer Bilder von mir bekommt. Das war dann sehr vertrauensbildend, da sie gesehen haben, was ich mache und wie ich fotografiere. Ich glaube mein Fotostil sehr authentischer Personenaufnahmen in denen sie sich selbst auch wiederfinden, hat mit dazu beigetragen. Ich versuche immer die Menschen abzuholen, wo sie sind und nehme sie sehr ernst. Die Bilder wurden natürlich im dorf rumgezeigt und über die Fotoshootings gesprochen und somit wandelte sich die Skepsis der Anfangszeit sehr schnell ins Gegenteil. Ich bin mehrmals im Jahr dort hingefahren und den Menschen natürlich auch nicht immer mit der Kamera in der Hand begegnet.

Martin Gommel: … was sich, wenn man die Fotos genauer betrachtet auch darin widerspiegelt. Auf mich wirken die Aufnahmen sehr „nah am Menschen“. Das braucht sicherlich auch einiges an Geduld und Fingerspitzengefühl. Kannst Du sagen, wie viel Zeit du beim eigentlichen Shooting mit den Leuten verbracht hast? Du hast sicherlich keine drei Fotos gemacht und bis dann wieder gegangen, oder?

Uwe Nölke: Die Shootings zu denen ich mich direkt verabredet hatte, haben oft 2 bis 3 Stunden gedauert. Die menschliche Beziehung im Dorf ist sehr wichtig und wird auch aktiv gelebt. Man nimmt sich Zeit miteinander für ein Schwätzchen oder sitzt draußen und trinkt ein Feiabendbier gemeinsam. Auch spontane Verabredungen zum Grillen sind in der warmen Jahreszeit ganz normal. So habe ich auch oft mit den Dorfbewohnern gefeiert und hier und da mal mit angepackt. Nachbarschaftshilfe wird hier groß geschrieben. Garnicht zu vergleichen mit den Fotoshootings von Businessleuten in Frankfurt. Bei Arbeiten auf dem Feld bin ich einfach mal mit der Kamera hingegangen. Die Fotos beim Schlachten war einmal fast ein ganzer Tag, dann noch mal der eine oder andere Nachmittag und auch Abend. Ich habe mich einfach zum Bestandteil der Szenerie gemacht, war dort und habe beobachtet, mich eingebracht und immer mal wieder ein paar Fotos gemacht. Ich denke, anders könnte so ein Foto, wie der Schlachter, der sich auf sein Beil stützt gar nicht entstehen. Das kann man nicht planen und inszenieren, wie bei einem Werbeshooting.



Martin Gommel:
Da kann man sicher viel von Deiner Herangehensweise lernen, Uwe. Was mir als Schwarzweiss-Liebhaber aufgefallen ist, liegt schon fast im Satzbeginn versteckt. Was hat Dich dazu bewogen, die ganze Serie in Schwarzweiss zu produzieren? Hat das einen spezifischen Grund? Schließlich spielt das enorm in die Gesamtwirkung Deiner Aufnahmen hinein.

Uwe Nölke:
Ja Martin, das Projekt hatte ich von Anfang an in Schwarzweis geplant. Farbe wäre für mich hier garnicht in Frage gekommen. Hatte gerade vorher ein Jahresprojekt mit Jugendlichen in ganz Deutschland abgeschlossen. Das war in Farbe und da hat es sehr gut gepasst. Aber hier im Dorf wollte ich mich auf des Wesentliche konzentrieren und den Blick auf die Menschen durch nichts ablenken lassen. Farbe kann oft laut und bunt sein. Das hätte hier nur gestört und abgelenkt. Andererseits geschieht durch Schwarzweiss eine gewisse Abstraktion, die noch Raum läßt für die Gedanken, Erfahrungen und Intuitionen der Betrachter. Ich glaube, alles wird intensiver durch Schwarzweiß.




Martin Gommel:
Uwe, Du hast über drei Jahre lang Menschen in einem Dorf kennengelernt und fotografiert. Gibt es ein Fazit, eine Art Resümee, das Du aus dieser langen Erfahrung ziehst? Oder empfindest Du es eher als ein Mosaik vieler unterschiedlicher Erfahrungen, die sich so gar nicht „unter einen Hut“ bringen lassen?

Uwe Nölke:
Ein eindeutiges, zusammenfassenden Fazit kann ich kaum ziehen, Martin. Dazu sind auch die Menschen zu unterschiedlich. Was man auch ganz gut an den Zitaten sehen kann. Es gibt nicht den typischen Dorfbewohner in Ostdeutschland. Es war auch nicht das Ziel meines Projektes mit einem abschließenden Fazit, wie bei einer Studie, es abzuschließen. Ich betrachte es eher als Zeitaufnahme über ein bestimmtes Zeitfenster, die so bunt wie das Leben vielfältig ist. Eins kann ich nur wiederholen, bzw. bestätigen, was Frau Dr. Mettner auch in Ihrem Vorwort sagt, daß die Fotografie, richtig und behutsam eingesetzt, ein wunderbares Mittel ist, mit Menschen in näheren Kontakt zu kommen, ihr Vertrauen zu gewinnen und Freundschaften zu schließen.




Martin Gommel: Wenn das mal kein gutes Schlusswort ist. Allerletzte Frage: Kann man Dein Buch käuflich erwerben? Welche Optionen gibt es, sich die Fotos zu Gemüte zu führen?

Uwe Nölke: Für dieses Jahr und auch für das nächste Jahr sind schon 2 Ausstellungen vereinbart. Dort kann man sich die Bilder anschauen. In Zingst gab es bereits eine Ausstellung. Aber natürlich kann man sich auch das Buch kaufen. Es umfaßt 62 Fotos und die Zitate. Ich habe eine limitierte Auflage von 100 Stück drucken lassen, die durchnummeriert und handsigniert verkauft werden. Die ersten 34 Exemplare sind schon weg. Man kann das Buch direkt über meine Website bestellen oder demnächst auch über den Buchhandel.


Martin Gommel: Super! Vielen Dank, Uwe für Deine Zeit und Dein Bemühen, meine Fragen zu beantworten.

Uwe Nölke:
Lieber Martin, es hat mir sehr viel Spaß gemacht über mein Fotoprojekt zu erzählen und Danke Dir sehr, daß Du mir die Gelegenheit gegeben hast.

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